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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. M.
samo (semen) ableiterisch schiene und aus sah-amo, saj-
amo (von sajan, sahan, serere) deutbar; mochte ich es
doch nicht, noch weniger namo (nomen), der in beiden
lebendigen ablaute wegen (nr. 565. 318.), angreifen. Hier
bleibt erst behutsam fort zu untersuchen, damit sich der
gegenstand nicht verflüchtige. Wollen wir hruom (glo-
ria) tuom (judicium) raum (spatium) reim (numerus) heimo
(cicada, ags. hama) u. a. zerlegen, weil uns poum, pluo-
mo, cheimo der zerlegung fähig vorkamen; so würden
auch eine menge l und r (heil, teil etc.) wankend wer-
den und unwurzelhaft scheinen. Selbst bei dem m müßen
daher schranken gesetzt, und die verbindungen -eim, eim,
aum, am (geschweige wenn kurzer vocal vorhersteht) vor-
sichtiger behandelt werden, als -oum, lm, rm, bei denen
verdacht der ableitung kaum abzuwenden war. Vielleicht
muß man sich für diesen und alle ähnlichen fälle an fol-
gende regeln halten: 1) ein wurzelhaft scheinender cons.
ist dann für ableitend zu erachten, wenn, ihn hinweg-
genommen, klare, erweisliche wurzel zurückbleibt, z. b.
pluo-han, chei-an bei pluo-mo, chi-mo, oder hel-an, per-
an bei hel-m, par-m. 2) wenn die auflösbarkeit einer for-
mel überwiegt, wie bei -oum der fall ist; weil flou-m,
sou-m, zou-m etc. ohne zweifel die wurzel fliuhan, siu-
han, ziuhan etc. verrathen, so dürsen wir auch troum,
stroum theoretisch für trou-m, strou-m nehmen, obgleich
uns die wahre wurzel dunkel bleibt. 3) wenn die ver-
gleichung der dialecte oder auch fremder sprachen den
schein der wurzel aufhebt. Wer wollte z. b. in poum
das m der wurzel zuschreiben, wenn er bagms und badmr
verglichen hat? wer in halm, wenn er calamus hinzu-
nimmt? Erweitert sich unsere sprachkenntnis, so kann
auf manches, jetzt noch für wurzelhaft geltende wort
licht fallen und dadurch auf ganze reihen. --

b) wechsel des m mit andern consonanten. Selten
mit l ags. midmesta und midlesta (medius); nhd. einsaed-
men und einsaedeln. Zuweilen mit n nach verschie-
denheit der sprachen, ahd. varm (filix) ags. fearn, engl.
fern; ahd. podum, ags. botm, altn. botn *). Die spätere

*) in welchem worte auch das verhältnis der hd. media zur
ags. und altn. tenuis auffällt; nach der regel müste es entw. ags.
bodm oder ahd. poßum heißen. Doch selbst das lat. sundum bestärkt
botm und in podum scheint d spur einer ahd. adspirata dh, die
vielleicht älter ist, als ß.

III. conſonantiſche ableitungen. M.
ſâmo (ſemen) ableiteriſch ſchiene und aus ſah-amo, ſaj-
amo (von ſajan, ſahan, ſerere) deutbar; mochte ich es
doch nicht, noch weniger namo (nomen), der in beiden
lebendigen ablaute wegen (nr. 565. 318.), angreifen. Hier
bleibt erſt behutſam fort zu unterſuchen, damit ſich der
gegenſtand nicht verflüchtige. Wollen wir hruom (glo-
ria) tuom (judicium) rûm (ſpatium) rîm (numerus) heimo
(cicada, agſ. hâma) u. a. zerlegen, weil uns poum, pluo-
mo, chîmo der zerlegung fähig vorkamen; ſo würden
auch eine menge l und r (heil, teil etc.) wankend wer-
den und unwurzelhaft ſcheinen. Selbſt bei dem m müßen
daher ſchranken geſetzt, und die verbindungen -eim, îm,
ûm, âm (geſchweige wenn kurzer vocal vorherſteht) vor-
ſichtiger behandelt werden, als -oum, lm, rm, bei denen
verdacht der ableitung kaum abzuwenden war. Vielleicht
muß man ſich für dieſen und alle ähnlichen fälle an fol-
gende regeln halten: 1) ein wurzelhaft ſcheinender conſ.
iſt dann für ableitend zu erachten, wenn, ihn hinweg-
genommen, klare, erweiſliche wurzel zurückbleibt, z. b.
pluo-han, chî-an bei pluo-mo, chì-mo, oder hël-an, për-
an bei hël-m, par-m. 2) wenn die auflösbarkeit einer for-
mel überwiegt, wie bei -oum der fall iſt; weil flou-m,
ſou-m, zou-m etc. ohne zweifel die wurzel fliuhan, ſiu-
han, ziuhan etc. verrathen, ſo dürſen wir auch troum,
ſtroum theoretiſch für trou-m, ſtrou-m nehmen, obgleich
uns die wahre wurzel dunkel bleibt. 3) wenn die ver-
gleichung der dialecte oder auch fremder ſprachen den
ſchein der wurzel aufhebt. Wer wollte z. b. in poum
das m der wurzel zuſchreiben, wenn er bagms und badmr
verglichen hat? wer in halm, wenn er calamus hinzu-
nimmt? Erweitert ſich unſere ſprachkenntnis, ſo kann
auf manches, jetzt noch für wurzelhaft geltende wort
licht fallen und dadurch auf ganze reihen. —

b) wechſel des m mit andern conſonanten. Selten
mit l agſ. midmeſta und midleſta (medius); nhd. einſæd-
men und einſædeln. Zuweilen mit n nach verſchie-
denheit der ſprachen, ahd. varm (filix) agſ. fëarn, engl.
fern; ahd. podum, agſ. botm, altn. botn *). Die ſpätere

*) in welchem worte auch das verhältnis der hd. media zur
agſ. und altn. tenuis auffällt; nach der regel müſte es entw. agſ.
boðm oder ahd. poƷum heißen. Doch ſelbſt das lat. ſundum beſtärkt
botm und in podum ſcheint d ſpur einer ahd. adſpirata dh, die
vielleicht älter iſt, als Ʒ.
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[154/0172] III. conſonantiſche ableitungen. M. ſâmo (ſemen) ableiteriſch ſchiene und aus ſah-amo, ſaj- amo (von ſajan, ſahan, ſerere) deutbar; mochte ich es doch nicht, noch weniger namo (nomen), der in beiden lebendigen ablaute wegen (nr. 565. 318.), angreifen. Hier bleibt erſt behutſam fort zu unterſuchen, damit ſich der gegenſtand nicht verflüchtige. Wollen wir hruom (glo- ria) tuom (judicium) rûm (ſpatium) rîm (numerus) heimo (cicada, agſ. hâma) u. a. zerlegen, weil uns poum, pluo- mo, chîmo der zerlegung fähig vorkamen; ſo würden auch eine menge l und r (heil, teil etc.) wankend wer- den und unwurzelhaft ſcheinen. Selbſt bei dem m müßen daher ſchranken geſetzt, und die verbindungen -eim, îm, ûm, âm (geſchweige wenn kurzer vocal vorherſteht) vor- ſichtiger behandelt werden, als -oum, lm, rm, bei denen verdacht der ableitung kaum abzuwenden war. Vielleicht muß man ſich für dieſen und alle ähnlichen fälle an fol- gende regeln halten: 1) ein wurzelhaft ſcheinender conſ. iſt dann für ableitend zu erachten, wenn, ihn hinweg- genommen, klare, erweiſliche wurzel zurückbleibt, z. b. pluo-han, chî-an bei pluo-mo, chì-mo, oder hël-an, për- an bei hël-m, par-m. 2) wenn die auflösbarkeit einer for- mel überwiegt, wie bei -oum der fall iſt; weil flou-m, ſou-m, zou-m etc. ohne zweifel die wurzel fliuhan, ſiu- han, ziuhan etc. verrathen, ſo dürſen wir auch troum, ſtroum theoretiſch für trou-m, ſtrou-m nehmen, obgleich uns die wahre wurzel dunkel bleibt. 3) wenn die ver- gleichung der dialecte oder auch fremder ſprachen den ſchein der wurzel aufhebt. Wer wollte z. b. in poum das m der wurzel zuſchreiben, wenn er bagms und badmr verglichen hat? wer in halm, wenn er calamus hinzu- nimmt? Erweitert ſich unſere ſprachkenntnis, ſo kann auf manches, jetzt noch für wurzelhaft geltende wort licht fallen und dadurch auf ganze reihen. — b) wechſel des m mit andern conſonanten. Selten mit l agſ. midmeſta und midleſta (medius); nhd. einſæd- men und einſædeln. Zuweilen mit n nach verſchie- denheit der ſprachen, ahd. varm (filix) agſ. fëarn, engl. fern; ahd. podum, agſ. botm, altn. botn *). Die ſpätere *) in welchem worte auch das verhältnis der hd. media zur agſ. und altn. tenuis auffällt; nach der regel müſte es entw. agſ. boðm oder ahd. poƷum heißen. Doch ſelbſt das lat. ſundum beſtärkt botm und in podum ſcheint d ſpur einer ahd. adſpirata dh, die vielleicht älter iſt, als Ʒ.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/172>, abgerufen am 22.11.2024.