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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. R.
[ - 1 Zeichen fehlt]lbe steht bei guten, alten dichtern kaum -aere, sondern -ere,
-er und wenn l, n vorausgieng, -re, überall mit nun ein-
tretendem umlaut. Mithin kein jag-aere, pfleg-aere, van-
aere, sol-aere, hel-aere vielmehr: jeg-ere (venator) Nib.
3736. 3745. 3770. 3773. im einschnitt; jeg-er bei Conr.
schm. 262. troj. 137b: leg-er; hel-re Ulr. Trist. 2956. 64.
70; ven-re (vexillifer) blas. 31a jun. 299. Cod. pal. 361,
42a. b. Ben. 97. MS. 2, 89b troj. 189. (Oberlin 1717.); söl-
re (coenaculum) jun. 318. etwan auch böl-re (mortarium)
von boln (jacere)? Hier müßen besonderheiten jedes dich-
ters geprüft werden, denn nicht nur einzelne, zumahl
spätere erlauben sich bei kurzer wurzel aere, z. b. wel-aere
(elector) MS. 2, 131b, sondern auch ältere -er bei langer,
mit oder ohne umlaut? vgl. soum-er Nib. 6353; huot-er
Wilh. 2, 186b; harpf-er Trist. 3395. (Hag. 3508. gegen das
metr. harpfaere); schaep-er (vellus) troj. 50b; zuweilen
noch tieftonig wie MS. 2, 196b dien-er: ger. lieders. 189.
vugl-er: her.

Auch mnl. wechseln -are, -ere, -er nach an-
dern grundsätzen, vgl. 1, 688. 689; unorganische en-are
scheinen morden-are (interfector) molen-are (molitor)
doch vgl. franz. meaunier f. meul-nier, moul-in und ital.
mulinaro.

Nhd. sind alle -aere aufgegeben, und, gleichviel was
vorausgehe, in -er gekürzt: böll-er; fisch-er; geb-er;
jaeg-er; werk-er; mörd-er; müll-er; pfänd-er; ritt-er;
rett-er; säng-er; söll-er (coenaculum); schöpf-er; sünd-
er; venn-er (vexillifer); wael-er etc. Die zahl dieser
wörter ist größer und kleiner als früherhin. Größer,
weil man den grundsatz stellt, daß sich aus jedem inf.
ein solches masc. zeugen laße, wiewohl das gefühl ab-
leitungen wie fließer, schießer, lieber, brenner (nicht
mordbrenner) etc. aus fließen, schießen, lieben, brennen
verwirft *). Nach den ins. regelt man auch den schwan-
kenden umlaut, es heißt: vogler, maurer, zauberer,
stammler, gaukler, saucher etc. lästerer, münzer, lieb-
äugler, heuchler etc. wegen der inf. vogeln -- lästern.
Allein es hinterbleiben ausnahmen, welche jenes prin-
cips unhaltbarkeit zeigen, z. b. erhalter, handlanger be-
stehen zwar mit erhalten, handlangen, nicht behälter,

*) cap. VI. wird ausführen, daß die alte sprache viele subst.,
die wir jetzt mit -er ableiten, durch das einfache wort in schw.
form ausdrückte, z. b. scolo (schuldner) trinho (trinker) etc.; was
mhd. mord-aere, hieß früher murd-r-jo.

III. conſonantiſche ableitungen. R.
[ – 1 Zeichen fehlt]lbe ſteht bei guten, alten dichtern kaum -ære, ſondern -ere,
-er und wenn l, n vorausgieng, -re, überall mit nun ein-
tretendem umlaut. Mithin kein jag-ære, pflëg-ære, van-
ære, ſol-ære, hël-ære vielmehr: jeg-ere (venator) Nib.
3736. 3745. 3770. 3773. im einſchnitt; jeg-er bei Conr.
ſchm. 262. troj. 137b: lëg-er; hël-re Ulr. Triſt. 2956. 64.
70; ven-re (vexillifer) blaſ. 31a jun. 299. Cod. pal. 361,
42a. b. Ben. 97. MS. 2, 89b troj. 189. (Oberlin 1717.); ſöl-
re (coenaculum) jun. 318. etwan auch böl-re (mortarium)
von boln (jacere)? Hier müßen beſonderheiten jedes dich-
ters geprüft werden, denn nicht nur einzelne, zumahl
ſpätere erlauben ſich bei kurzer wurzel ære, z. b. wel-ære
(elector) MS. 2, 131b, ſondern auch ältere -er bei langer,
mit oder ohne umlaut? vgl. ſoum-er Nib. 6353; huot-er
Wilh. 2, 186b; harpf-er Triſt. 3395. (Hag. 3508. gegen das
metr. harpfære); ſchæp-er (vellus) troj. 50b; zuweilen
noch tieftonig wie MS. 2, 196b dien-èr: gër. liederſ. 189.
vugl-èr: hër.

Auch mnl. wechſeln -are, -ere, -er nach an-
dern grundſätzen, vgl. 1, 688. 689; unorganiſche en-are
ſcheinen morden-are (interfector) molen-are (molitor)
doch vgl. franz. meûnier f. meul-nier, moul-in und ital.
mulinaro.

Nhd. ſind alle -ære aufgegeben, und, gleichviel was
vorausgehe, in -er gekürzt: böll-er; fiſch-er; gêb-er;
jæg-er; werk-er; mörd-er; müll-er; pfänd-er; ritt-er;
rett-er; ſäng-er; ſöll-er (coenaculum); ſchöpf-er; ſünd-
er; venn-er (vexillifer); wæl-er etc. Die zahl dieſer
wörter iſt größer und kleiner als früherhin. Größer,
weil man den grundſatz ſtellt, daß ſich aus jedem inf.
ein ſolches maſc. zeugen laße, wiewohl das gefühl ab-
leitungen wie fließer, ſchießer, lieber, brenner (nicht
mordbrenner) etc. aus fließen, ſchießen, lieben, brennen
verwirft *). Nach den inſ. regelt man auch den ſchwan-
kenden umlaut, es heißt: vogler, maurer, zauberer,
ſtammler, gaukler, ſûcher etc. läſterer, münzer, lieb-
äugler, heuchler etc. wegen der inf. vogeln — läſtern.
Allein es hinterbleiben ausnahmen, welche jenes prin-
cips unhaltbarkeit zeigen, z. b. erhalter, handlanger be-
ſtehen zwar mit erhalten, handlangen, nicht behälter,

*) cap. VI. wird ausführen, daß die alte ſprache viele ſubſt.,
die wir jetzt mit -er ableiten, durch das einfache wort in ſchw.
form ausdrückte, z. b. ſcolo (ſchuldner) trinho (trinker) etc.; was
mhd. mord-ære, hieß früher murd-r-jo.
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[130/0148] III. conſonantiſche ableitungen. R. _lbe ſteht bei guten, alten dichtern kaum -ære, ſondern -ere, -er und wenn l, n vorausgieng, -re, überall mit nun ein- tretendem umlaut. Mithin kein jag-ære, pflëg-ære, van- ære, ſol-ære, hël-ære vielmehr: jeg-ere (venator) Nib. 3736. 3745. 3770. 3773. im einſchnitt; jeg-er bei Conr. ſchm. 262. troj. 137b: lëg-er; hël-re Ulr. Triſt. 2956. 64. 70; ven-re (vexillifer) blaſ. 31a jun. 299. Cod. pal. 361, 42a. b. Ben. 97. MS. 2, 89b troj. 189. (Oberlin 1717.); ſöl- re (coenaculum) jun. 318. etwan auch böl-re (mortarium) von boln (jacere)? Hier müßen beſonderheiten jedes dich- ters geprüft werden, denn nicht nur einzelne, zumahl ſpätere erlauben ſich bei kurzer wurzel ære, z. b. wel-ære (elector) MS. 2, 131b, ſondern auch ältere -er bei langer, mit oder ohne umlaut? vgl. ſoum-er Nib. 6353; huot-er Wilh. 2, 186b; harpf-er Triſt. 3395. (Hag. 3508. gegen das metr. harpfære); ſchæp-er (vellus) troj. 50b; zuweilen noch tieftonig wie MS. 2, 196b dien-èr: gër. liederſ. 189. vugl-èr: hër. Auch mnl. wechſeln -are, -ere, -er nach an- dern grundſätzen, vgl. 1, 688. 689; unorganiſche en-are ſcheinen morden-are (interfector) molen-are (molitor) doch vgl. franz. meûnier f. meul-nier, moul-in und ital. mulinaro. Nhd. ſind alle -ære aufgegeben, und, gleichviel was vorausgehe, in -er gekürzt: böll-er; fiſch-er; gêb-er; jæg-er; werk-er; mörd-er; müll-er; pfänd-er; ritt-er; rett-er; ſäng-er; ſöll-er (coenaculum); ſchöpf-er; ſünd- er; venn-er (vexillifer); wæl-er etc. Die zahl dieſer wörter iſt größer und kleiner als früherhin. Größer, weil man den grundſatz ſtellt, daß ſich aus jedem inf. ein ſolches maſc. zeugen laße, wiewohl das gefühl ab- leitungen wie fließer, ſchießer, lieber, brenner (nicht mordbrenner) etc. aus fließen, ſchießen, lieben, brennen verwirft *). Nach den inſ. regelt man auch den ſchwan- kenden umlaut, es heißt: vogler, maurer, zauberer, ſtammler, gaukler, ſûcher etc. läſterer, münzer, lieb- äugler, heuchler etc. wegen der inf. vogeln — läſtern. Allein es hinterbleiben ausnahmen, welche jenes prin- cips unhaltbarkeit zeigen, z. b. erhalter, handlanger be- ſtehen zwar mit erhalten, handlangen, nicht behälter, *) cap. VI. wird ausführen, daß die alte ſprache viele ſubſt., die wir jetzt mit -er ableiten, durch das einfache wort in ſchw. form ausdrückte, z. b. ſcolo (ſchuldner) trinho (trinker) etc.; was mhd. mord-ære, hieß früher murd-r-jo.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/148>, abgerufen am 25.11.2024.