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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. altnordische starke conjugation.
chen, theilweise der gebliebene oder fehlende umlaut.
a) consonanten: 1) apocope des n [s. 305. 820.] zeigt der
inf. -a, die III. pl. praet. ind. -u und III. pl. praes.
praet. conj. -i, welche sämmtlich für -an, -un, -in
stehen; III. pl. praes. ind. büßt sogar -nd ein. -- 2) I.
pl. hat dagegen (gleich dem dat. pl.) -m bewahrt, nicht
in -n geschwächt; bei anlehnendem pron. fällt es
fort, z. b. skulu-ver, skulu-vidh (Rask §. 273.). Eben-
so schwindet das -dh der II. pl. durch inclination. --
3) II. sg. praes. ind. und praes. praet. conj. hat das ur-
sprüngliche -s in -r verwandelt [s. 305. 804. 805.]; wo-
her rührt aber das -r der III. sg. praes. ind.? in den
übrigen sprachen hat es kein vorbild, außer in der III.
sg. praes. des angels. und fries. hülfsworts esse, welche
is (goth. alth. alts. ist) lautet und offenbar dem altn. er
gleichsteht [mehr hiervon am schluße des cap.]. -- 4) die-
ses -r der II. III. sg. praes. erfährt apocope oder assimi-
lation nach den regeln s. 650. 651. 736. 737; apocope,
wenn die wurzel selbst mit s, r und rr schließt, und
alsdann fallen II. III. mit I. zusammen, z. b. les, frys,
eys, slaer, ber, thverr statt lesr, frysr, eysr, slaerr, berr,
thverr (obwohl zuweilen less, fryss, slaerr, berr geschrie-
ben wird); assimilation nach wurzelhaftem n, schwan-
kender nach l, als: scinn (lucet) f. sceinr; kell (alget,
Völ. 9. 29.) f. kelr, doch begegnet auch elr (alit). Nach
ll, nn bleibt das flexions -r, als: fellr, brennr. --
5) II. sg. praet. ind. hat einstimmig mit dem goth. den
cons. -t und den voc. des sg., abweichend vom alth.
alt- und angels., wo die flexion -i, -e den ablaut des
pl. oder conj. mit sich führt. Von veränderung des
wurzelcons. vor diesem t hernach unten. -- b) flexions-
vocale
1) der l. sg. praes. ist die flexion -i abgefallen,
wie der haftende umlaut fer, fell, slae, eyk, gyt
darthut, früher also: feri, felli, slaei, eyki, gyti; dieses
-i scheint sich in dem einzigen heiti (vocor) und nicht
heit, zu bewahren. -- 2) aus gleichem grunde muß vor
dem -r II. III. praes. sg. ein organisches i syncopiert
worden seyn. -- 3) unorg. -i. weil kein umlaut daraus
folgt, besitzen II. pl. praes. ind. und imp., alle flexio-
nen des praes. conj. und das part. praet.; vermuthlich
herrschten hier chmahls -a und -ei (wie s. 805. blin-
deir f. blindir); in I. praes. conj. sg. zeigen die ältesten
quellen häufig -a (Rask §. 270.). -- 4) das praet. conj.
hat organisches -i und -ei. -- 5) heutzutage gilt in l.
pl. praes. conj. -um statt -im und tadelnawerther im

II. altnordiſche ſtarke conjugation.
chen, theilweiſe der gebliebene oder fehlende umlaut.
α) conſonanten: 1) apocope des n [ſ. 305. 820.] zeigt der
inf. -a, die III. pl. praet. ind. -u und III. pl. praeſ.
praet. conj. -i, welche ſämmtlich für -an, -un, -in
ſtehen; III. pl. praeſ. ind. büßt ſogar -nd ein. — 2) I.
pl. hat dagegen (gleich dem dat. pl.) -m bewahrt, nicht
in -n geſchwächt; bei anlehnendem pron. fällt es
fort, z. b. ſkulu-vër, ſkulu-vidh (Raſk §. 273.). Eben-
ſo ſchwindet das -dh der II. pl. durch inclination. —
3) II. ſg. praeſ. ind. und praeſ. praet. conj. hat das ur-
ſprüngliche -s in -r verwandelt [ſ. 305. 804. 805.]; wo-
her rührt aber das -r der III. ſg. praeſ. ind.? in den
übrigen ſprachen hat es kein vorbild, außer in der III.
ſg. praeſ. des angelſ. und frieſ. hülfsworts eſſe, welche
is (goth. alth. altſ. iſt) lautet und offenbar dem altn. ër
gleichſteht [mehr hiervon am ſchluße des cap.]. — 4) die-
ſes -r der II. III. ſg. praeſ. erfährt apocope oder aſſimi-
lation nach den regeln ſ. 650. 651. 736. 737; apocope,
wenn die wurzel ſelbſt mit ſ, r und rr ſchließt, und
alsdann fallen II. III. mit I. zuſammen, z. b. lës, frŷs,
eys, ſlær, bër, þvërr ſtatt lëſr, frŷſr, eyſr, ſlærr, bërr,
þvërr (obwohl zuweilen lëſſ, frŷſſ, ſlærr, bërr geſchrie-
ben wird); aſſimilation nach wurzelhaftem n, ſchwan-
kender nach l, als: ſcinn (lucet) f. ſcînr; kell (alget,
Völ. 9. 29.) f. kelr, doch begegnet auch elr (alit). Nach
ll, nn bleibt das flexions -r, als: fellr, brennr. —
5) II. ſg. praet. ind. hat einſtimmig mit dem goth. den
conſ. -t und den voc. des ſg., abweichend vom alth.
alt- und angelſ., wo die flexion -i, -ë den ablaut des
pl. oder conj. mit ſich führt. Von veränderung des
wurzelconſ. vor dieſem t hernach unten. — β) flexions-
vocale
1) der l. ſg. praeſ. iſt die flexion -i abgefallen,
wie der haftende umlaut fer, fell, ſlæ, eyk, gŷt
darthut, früher alſo: feri, felli, ſlæi, eyki, gŷti; dieſes
-i ſcheint ſich in dem einzigen heiti (vocor) und nicht
heit, zu bewahren. — 2) aus gleichem grunde muß vor
dem -r II. III. praeſ. ſg. ein organiſches i ſyncopiert
worden ſeyn. — 3) unorg. -i. weil kein umlaut daraus
folgt, beſitzen II. pl. praeſ. ind. und imp., alle flexio-
nen des praeſ. conj. und das part. praet.; vermuthlich
herrſchten hier chmahls -a und -ei (wie ſ. 805. blin-
deir f. blindir); in I. praeſ. conj. ſg. zeigen die älteſten
quellen häufig -a (Raſk §. 270.). — 4) das praet. conj.
hat organiſches -i und -î. — 5) heutzutage gilt in l.
pl. praeſ. conj. -um ſtatt -im und tadelnawerther im

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[912/0938] II. altnordiſche ſtarke conjugation. chen, theilweiſe der gebliebene oder fehlende umlaut. α) conſonanten: 1) apocope des n [ſ. 305. 820.] zeigt der inf. -a, die III. pl. praet. ind. -u und III. pl. praeſ. praet. conj. -i, welche ſämmtlich für -an, -un, -in ſtehen; III. pl. praeſ. ind. büßt ſogar -nd ein. — 2) I. pl. hat dagegen (gleich dem dat. pl.) -m bewahrt, nicht in -n geſchwächt; bei anlehnendem pron. fällt es fort, z. b. ſkulu-vër, ſkulu-vidh (Raſk §. 273.). Eben- ſo ſchwindet das -dh der II. pl. durch inclination. — 3) II. ſg. praeſ. ind. und praeſ. praet. conj. hat das ur- ſprüngliche -s in -r verwandelt [ſ. 305. 804. 805.]; wo- her rührt aber das -r der III. ſg. praeſ. ind.? in den übrigen ſprachen hat es kein vorbild, außer in der III. ſg. praeſ. des angelſ. und frieſ. hülfsworts eſſe, welche is (goth. alth. altſ. iſt) lautet und offenbar dem altn. ër gleichſteht [mehr hiervon am ſchluße des cap.]. — 4) die- ſes -r der II. III. ſg. praeſ. erfährt apocope oder aſſimi- lation nach den regeln ſ. 650. 651. 736. 737; apocope, wenn die wurzel ſelbſt mit ſ, r und rr ſchließt, und alsdann fallen II. III. mit I. zuſammen, z. b. lës, frŷs, eys, ſlær, bër, þvërr ſtatt lëſr, frŷſr, eyſr, ſlærr, bërr, þvërr (obwohl zuweilen lëſſ, frŷſſ, ſlærr, bërr geſchrie- ben wird); aſſimilation nach wurzelhaftem n, ſchwan- kender nach l, als: ſcinn (lucet) f. ſcînr; kell (alget, Völ. 9. 29.) f. kelr, doch begegnet auch elr (alit). Nach ll, nn bleibt das flexions -r, als: fellr, brennr. — 5) II. ſg. praet. ind. hat einſtimmig mit dem goth. den conſ. -t und den voc. des ſg., abweichend vom alth. alt- und angelſ., wo die flexion -i, -ë den ablaut des pl. oder conj. mit ſich führt. Von veränderung des wurzelconſ. vor dieſem t hernach unten. — β) flexions- vocale 1) der l. ſg. praeſ. iſt die flexion -i abgefallen, wie der haftende umlaut fer, fell, ſlæ, eyk, gŷt darthut, früher alſo: feri, felli, ſlæi, eyki, gŷti; dieſes -i ſcheint ſich in dem einzigen heiti (vocor) und nicht heit, zu bewahren. — 2) aus gleichem grunde muß vor dem -r II. III. praeſ. ſg. ein organiſches i ſyncopiert worden ſeyn. — 3) unorg. -i. weil kein umlaut daraus folgt, beſitzen II. pl. praeſ. ind. und imp., alle flexio- nen des praeſ. conj. und das part. praet.; vermuthlich herrſchten hier chmahls -a und -ei (wie ſ. 805. blin- deir f. blindir); in I. praeſ. conj. ſg. zeigen die älteſten quellen häufig -a (Raſk §. 270.). — 4) das praet. conj. hat organiſches -i und -î. — 5) heutzutage gilt in l. pl. praeſ. conj. -um ſtatt -im und tadelnawerther im

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 912. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/938>, abgerufen am 28.07.2024.