Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
II. allg. vergleichung der declination.
Übrigens läßt sich in allen deutschen dualformen das
auslautende t oder z [schwerlich ß, obgleich die neuh.
mundarten beides z und ß gewähren; im alth. scheide
ich iz, vos duo von iß, illud] leicht aus der cardin.
tva, zuei erklären, schwieriger das -k oder -nk; ver-
muthlich war es ursprünglich accusative form (paral-
lel dem mik, thuk, sik etc.) welche sich wie uns in
unsara, unsis über die anderen casus verbreitete. --
36) der vocativ fordert nähere untersuchung a) im
pron zweiter pers. gleicht er überall dem nom. thu,
jus; du, eir etc. b) im subst. ist für den pl. kein be-
denken, der voc. hat genau die flexion des nom.
Schwieriger scheint der voc. sg.; die goth sprache
läßt ihm nicht das kennzeichen des männl. nom. -s,
bildet den voc. fisk, laisari, hairdei, sunau, balg
(Luc. 19, 22. Marc. 4, 38. 10, 17. Luc. 4, 23. 2. 48. Marc.
5, 7. 10, 48. Matth. 9, 27. Luc. 7, 14. 9, 41.); auffal-
lende unterscheidung der voc. hairdei, sunau vom
acc. hairdi, sunu, da doch fisk, balg und bro ar
(s. 610) zum acc. stimmen. Für den voc. erster weibl.
decl. gebrechen belege; in zweiter lautet er thivi,
mavi, (Luc. 9, 54.) verschieden vom acc. thiuja, mauja.
Beim neutr. sind sich nom. acc. voc. immer gleich.
Alth. und angels. stimmen diese drei casus im masc. und
neutr. ebenfalls zusammen; zweifel könnte beim fem.
da entspringen, wo sich nom. und acc. unterschieden,
z. b. im angels. gifu; ich würde hier den voc. dem
nom. gleichsetzen, nicht dem acc. Im altn finde ich
den voc. dem nom. gleich, also im masc. auf -r en-
digend; eine merkliche abweichung vom goth. ge-
brauch. -- g) im adj sind sich voc. und nom. gänz-
lich gleich, im goth. wie in allen andern sprachen;
er behält also namentlich im masc, und neutr. das -s,
-ata, alth. -er, -aß etc. pflegt jedoch gern in schwa-
cher form construiert zu werden, worüber weiteres
in der syntax.
37) ein instrumentalis hat in der alth. und alts. mund-
art am längsten ausgedauert. Der goth. verblieb er
nur in einigen pronominalpartikeln (s. 790. 798.) wo
er die flexion -e zeigt; die altn. behauptet ihn statt
der dativform des neutr. adj. und pron. und läßt ihn
beim pron. auf -ei, -y, beim adj. auf u (muthmaß-
lich -au) endigen; dem subst. neutr. geht er ab, oder
es müste nachweislich seyn, daß die männl. und neutr.
dativflexion -i (nach s. 651. anm. 4. in sich selbst un-
II. allg. vergleichung der declination.
Übrigens läßt ſich in allen deutſchen dualformen das
auslautende t oder z [ſchwerlich Ʒ, obgleich die neuh.
mundarten beides z und ß gewähren; im alth. ſcheide
ich iz, vos duo von iƷ, illud] leicht aus der cardin.
tva, zuei erklären, ſchwieriger das -k oder -nk; ver-
muthlich war es urſprünglich accuſative form (paral-
lel dem mik, þuk, ſik etc.) welche ſich wie uns in
unſara, unſis über die anderen caſus verbreitete. —
36) der vocativ fordert nähere unterſuchung α) im
pron zweiter perſ. gleicht er überall dem nom. þu,
jus; du, îr etc. β) im ſubſt. iſt für den pl. kein be-
denken, der voc. hat genau die flexion des nom.
Schwieriger ſcheint der voc. ſg.; die goth ſprache
läßt ihm nicht das kennzeichen des männl. nom. -s,
bildet den voc. fiſk, láiſari, hairdei, ſunáu, balg
(Luc. 19, 22. Marc. 4, 38. 10, 17. Luc. 4, 23. 2. 48. Marc.
5, 7. 10, 48. Matth. 9, 27. Luc. 7, 14. 9, 41.); auffal-
lende unterſcheidung der voc. haírdei, ſunáu vom
acc. haírdi, ſunu, da doch fiſk, balg und brô ar
(ſ. 610) zum acc. ſtimmen. Für den voc. erſter weibl.
decl. gebrechen belege; in zweiter lautet er þivi,
mavi, (Luc. 9, 54.) verſchieden vom acc. þiuja, mauja.
Beim neutr. ſind ſich nom. acc. voc. immer gleich.
Alth. und angelſ. ſtimmen dieſe drei caſus im maſc. und
neutr. ebenfalls zuſammen; zweifel könnte beim fem.
da entſpringen, wo ſich nom. und acc. unterſchieden,
z. b. im angelſ. gifu; ich würde hier den voc. dem
nom. gleichſetzen, nicht dem acc. Im altn finde ich
den voc. dem nom. gleich, alſo im maſc. auf -r en-
digend; eine merkliche abweichung vom goth. ge-
brauch. — γ) im adj ſind ſich voc. und nom. gänz-
lich gleich, im goth. wie in allen andern ſprachen;
er behält alſo namentlich im maſc, und neutr. das -s,
-ata, alth. -êr, -âƷ etc. pflegt jedoch gern in ſchwa-
cher form conſtruiert zu werden, worüber weiteres
in der ſyntax.
37) ein inſtrumentalis hat in der alth. und altſ. mund-
art am längſten ausgedauert. Der goth. verblieb er
nur in einigen pronominalpartikeln (ſ. 790. 798.) wo
er die flexion -ê zeigt; die altn. behauptet ihn ſtatt
der dativform des neutr. adj. und pron. und läßt ihn
beim pron. auf -î, -ŷ, beim adj. auf u (muthmaß-
lich -û) endigen; dem ſubſt. neutr. geht er ab, oder
es müſte nachweiſlich ſeyn, daß die männl. und neutr.
dativflexion -i (nach ſ. 651. anm. 4. in ſich ſelbſt un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0841" n="815"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">allg. vergleichung der declination.</hi></fw><lb/>
Übrigens läßt &#x017F;ich in allen deut&#x017F;chen dualformen das<lb/>
auslautende t oder z [&#x017F;chwerlich &#x01B7;, obgleich die neuh.<lb/>
mundarten beides z und ß gewähren; im alth. &#x017F;cheide<lb/>
ich iz, vos duo von i&#x01B7;, illud] leicht aus der cardin.<lb/>
tva, zuei erklären, &#x017F;chwieriger das <hi rendition="#i">-k</hi> oder <hi rendition="#i">-nk</hi>; ver-<lb/>
muthlich war es ur&#x017F;prünglich accu&#x017F;ative form (paral-<lb/>
lel dem mik, þuk, &#x017F;ik etc.) welche &#x017F;ich wie uns in<lb/>
un&#x017F;ara, un&#x017F;is über die anderen ca&#x017F;us verbreitete. &#x2014;</item><lb/>
                <item>36) der <hi rendition="#i">vocativ</hi> fordert nähere unter&#x017F;uchung <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) im<lb/>
pron zweiter per&#x017F;. gleicht er überall dem nom. þu,<lb/>
jus; du, îr etc. <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) im &#x017F;ub&#x017F;t. i&#x017F;t für den pl. kein be-<lb/>
denken, der voc. hat genau die flexion des nom.<lb/>
Schwieriger &#x017F;cheint der voc. &#x017F;g.; die goth &#x017F;prache<lb/>
läßt ihm nicht das kennzeichen des männl. nom. -s,<lb/>
bildet den voc. fi&#x017F;k, lái&#x017F;ari, hairdei, &#x017F;unáu, balg<lb/>
(Luc. 19, 22. Marc. 4, 38. 10, 17. Luc. 4, 23. 2. 48. Marc.<lb/>
5, 7. 10, 48. Matth. 9, 27. Luc. 7, 14. 9, 41.); auffal-<lb/>
lende unter&#x017F;cheidung der voc. haírdei, &#x017F;unáu vom<lb/>
acc. haírdi, &#x017F;unu, da doch fi&#x017F;k, balg und brô ar<lb/>
(&#x017F;. 610) zum acc. &#x017F;timmen. Für den voc. er&#x017F;ter weibl.<lb/>
decl. gebrechen belege; in zweiter lautet er þivi,<lb/>
mavi, (Luc. 9, 54.) ver&#x017F;chieden vom acc. þiuja, mauja.<lb/>
Beim neutr. &#x017F;ind &#x017F;ich nom. acc. voc. immer gleich.<lb/>
Alth. und angel&#x017F;. &#x017F;timmen die&#x017F;e drei ca&#x017F;us im ma&#x017F;c. und<lb/>
neutr. ebenfalls zu&#x017F;ammen; zweifel könnte beim fem.<lb/>
da ent&#x017F;pringen, wo &#x017F;ich nom. und acc. unter&#x017F;chieden,<lb/>
z. b. im angel&#x017F;. gifu; ich würde hier den voc. dem<lb/>
nom. gleich&#x017F;etzen, nicht dem acc. Im altn finde ich<lb/>
den voc. dem nom. gleich, al&#x017F;o im ma&#x017F;c. auf -r en-<lb/>
digend; eine merkliche abweichung vom goth. ge-<lb/>
brauch. &#x2014; <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) im adj &#x017F;ind &#x017F;ich voc. und nom. gänz-<lb/>
lich gleich, im goth. wie in allen andern &#x017F;prachen;<lb/>
er behält al&#x017F;o namentlich im ma&#x017F;c, und neutr. das -s,<lb/>
-ata, alth. -êr, -â&#x01B7; etc. pflegt jedoch gern in &#x017F;chwa-<lb/>
cher form con&#x017F;truiert zu werden, worüber weiteres<lb/>
in der &#x017F;yntax.</item><lb/>
                <item>37) ein <hi rendition="#i">in&#x017F;trumentalis</hi> hat in der alth. und alt&#x017F;. mund-<lb/>
art am läng&#x017F;ten ausgedauert. Der goth. verblieb er<lb/>
nur in einigen pronominalpartikeln (&#x017F;. 790. 798.) wo<lb/>
er die flexion -ê zeigt; die altn. behauptet ihn &#x017F;tatt<lb/>
der dativform des neutr. adj. und pron. und läßt ihn<lb/>
beim pron. auf -î, -&#x0177;, beim adj. auf u (muthmaß-<lb/>
lich -û) endigen; dem &#x017F;ub&#x017F;t. neutr. geht er ab, oder<lb/>
es mü&#x017F;te nachwei&#x017F;lich &#x017F;eyn, daß die männl. und neutr.<lb/>
dativflexion -i (nach &#x017F;. 651. anm. 4. in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t un-<lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[815/0841] II. allg. vergleichung der declination. Übrigens läßt ſich in allen deutſchen dualformen das auslautende t oder z [ſchwerlich Ʒ, obgleich die neuh. mundarten beides z und ß gewähren; im alth. ſcheide ich iz, vos duo von iƷ, illud] leicht aus der cardin. tva, zuei erklären, ſchwieriger das -k oder -nk; ver- muthlich war es urſprünglich accuſative form (paral- lel dem mik, þuk, ſik etc.) welche ſich wie uns in unſara, unſis über die anderen caſus verbreitete. — 36) der vocativ fordert nähere unterſuchung α) im pron zweiter perſ. gleicht er überall dem nom. þu, jus; du, îr etc. β) im ſubſt. iſt für den pl. kein be- denken, der voc. hat genau die flexion des nom. Schwieriger ſcheint der voc. ſg.; die goth ſprache läßt ihm nicht das kennzeichen des männl. nom. -s, bildet den voc. fiſk, láiſari, hairdei, ſunáu, balg (Luc. 19, 22. Marc. 4, 38. 10, 17. Luc. 4, 23. 2. 48. Marc. 5, 7. 10, 48. Matth. 9, 27. Luc. 7, 14. 9, 41.); auffal- lende unterſcheidung der voc. haírdei, ſunáu vom acc. haírdi, ſunu, da doch fiſk, balg und brô ar (ſ. 610) zum acc. ſtimmen. Für den voc. erſter weibl. decl. gebrechen belege; in zweiter lautet er þivi, mavi, (Luc. 9, 54.) verſchieden vom acc. þiuja, mauja. Beim neutr. ſind ſich nom. acc. voc. immer gleich. Alth. und angelſ. ſtimmen dieſe drei caſus im maſc. und neutr. ebenfalls zuſammen; zweifel könnte beim fem. da entſpringen, wo ſich nom. und acc. unterſchieden, z. b. im angelſ. gifu; ich würde hier den voc. dem nom. gleichſetzen, nicht dem acc. Im altn finde ich den voc. dem nom. gleich, alſo im maſc. auf -r en- digend; eine merkliche abweichung vom goth. ge- brauch. — γ) im adj ſind ſich voc. und nom. gänz- lich gleich, im goth. wie in allen andern ſprachen; er behält alſo namentlich im maſc, und neutr. das -s, -ata, alth. -êr, -âƷ etc. pflegt jedoch gern in ſchwa- cher form conſtruiert zu werden, worüber weiteres in der ſyntax. 37) ein inſtrumentalis hat in der alth. und altſ. mund- art am längſten ausgedauert. Der goth. verblieb er nur in einigen pronominalpartikeln (ſ. 790. 798.) wo er die flexion -ê zeigt; die altn. behauptet ihn ſtatt der dativform des neutr. adj. und pron. und läßt ihn beim pron. auf -î, -ŷ, beim adj. auf u (muthmaß- lich -û) endigen; dem ſubſt. neutr. geht er ab, oder es müſte nachweiſlich ſeyn, daß die männl. und neutr. dativflexion -i (nach ſ. 651. anm. 4. in ſich ſelbſt un-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/841
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 815. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/841>, abgerufen am 28.07.2024.