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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allg. vergleichung der declination.
25) warum wohl der goth. nom. gen. dat. pl. masc. in
pron. und adj. -ai, -aize, -aim zeigen? da doch der
dat. subst. -am, der acc. durchgehends -ans gewährt?
Augenscheinlich verhält sich in den flexionen a zu ai
wie i zu ei; fiskans, fiskam zu biindai wie balgins,
balgim zu balgeis; reine verlängerung des a und i sind
die goth. diphth. ai und ei keineswegs, aber ver-
wandte längen, daher im nom. pl. subst. masc. ein
-os neben dem dat. -am, acc. -ans auftritt, indem
o nach andrer seite hin dem langen a verwandt liegt.
Im alth. darf ei wirklich als reine längerung des i (palkei,
palkim); a als reine längerung des a (nom. pl. visca)
betrachtet werden, woneben im adj. das dem goth.
ai parallele e herrscht. Solche betrachtung würde
müßig erscheinen, zeigte sie nicht den weg, wie eben
die abweichung der flexionsvocale in verschiedenen
mundarten zu faßen sey. Halb folgen sie dem gang
der wurzelvocale, halb dem geheimen nachgefühl in-
nerer flexionsbedeutsamkeit. Da sich nun in keiner
sprache längen und doppellaute vollständig entwickelt
oder erhalten haben, waren auswege unvermeidlich.
26) die zweite männl. und neutr. decl. ist völlig die
erste, nur daß der bildungsvoc. i mit ins spiel ge-
bracht wird, der im subst. masc. zuweilen -eis, -ei
statt -jis, -ji bewirkt (s. 599.), weder im neutr. noch
männl. adj. (s. 606. 720.); den grund dieses schwan-
kens weiß ich nicht. Die übrigen mundarten gewäh-
ren kein analoges ei in denselben flexionen. Unter
den pronominalformen bekennt das alleinige dizi
(s. 795.) zweite decl.
27) in der dritten decl. wirkt der bildungsvocal u man-
nigfacher als jenes i auf die flexionen ein; sunaus,
sunau mögen (wie hairdeis aus hairdjis) aus sunuas,
sunna (? sunvas. sunva) herstammen, wofür die s. 601.
angemerkten nebenformen iesuis, (st. iesuas) iesua
wichtig zeugen. Über die weiteren casus vermuthun-
gen stehen schon s. 601. anm. 3. Spätere sprachen
mischen bei dieser decl. die vocale u und i, über-
gänge aus dritter in vierte decl. liefern bereits goth.
nom. pr. (s. 777.).
28) im gen. vierter männl. decl. schiene der gen. balgis
organisch, der dat. balga hingegen für balgi (früher bal-
gimma? stehend; die goth. und alth. mundart machen
den sg. erster und vierter völlig gleich (daher später
II. allg. vergleichung der declination.
25) warum wohl der goth. nom. gen. dat. pl. maſc. in
pron. und adj. -ái, -áizê, -áim zeigen? da doch der
dat. ſubſt. -am, der acc. durchgehends -ans gewährt?
Augenſcheinlich verhält ſich in den flexionen a zu ái
wie i zu ei; fiſkans, fiſkam zu biindái wie balgins,
balgim zu balgeis; reine verlängerung des a und i ſind
die goth. diphth. ái und ei keineswegs, aber ver-
wandte längen, daher im nom. pl. ſubſt. maſc. ein
-ôs neben dem dat. -am, acc. -ans auftritt, indem
ô nach andrer ſeite hin dem langen â verwandt liegt.
Im alth. darf î wirklich als reine längerung des i (palkî,
palkim); â als reine längerung des a (nom. pl. viſcâ)
betrachtet werden, woneben im adj. das dem goth.
ái parallele ê herrſcht. Solche betrachtung würde
müßig erſcheinen, zeigte ſie nicht den weg, wie eben
die abweichung der flexionsvocale in verſchiedenen
mundarten zu faßen ſey. Halb folgen ſie dem gang
der wurzelvocale, halb dem geheimen nachgefühl in-
nerer flexionsbedeutſamkeit. Da ſich nun in keiner
ſprache längen und doppellaute vollſtändig entwickelt
oder erhalten haben, waren auswege unvermeidlich.
26) die zweite männl. und neutr. decl. iſt völlig die
erſte, nur daß der bildungsvoc. i mit ins ſpiel ge-
bracht wird, der im ſubſt. maſc. zuweilen -eis, -ei
ſtatt -jis, -ji bewirkt (ſ. 599.), weder im neutr. noch
männl. adj. (ſ. 606. 720.); den grund dieſes ſchwan-
kens weiß ich nicht. Die übrigen mundarten gewäh-
ren kein analoges î in denſelben flexionen. Unter
den pronominalformen bekennt das alleinige dizi
(ſ. 795.) zweite decl.
27) in der dritten decl. wirkt der bildungsvocal u man-
nigfacher als jenes i auf die flexionen ein; ſunáus,
ſunáu mögen (wie haírdeis aus haírdjis) aus ſunuas,
ſunna (? ſunvas. ſunva) herſtammen, wofür die ſ. 601.
angemerkten nebenformen ïêſuis, (ſt. ïêſuas) ïêſua
wichtig zeugen. Über die weiteren caſus vermuthun-
gen ſtehen ſchon ſ. 601. anm. 3. Spätere ſprachen
miſchen bei dieſer decl. die vocale u und i, über-
gänge aus dritter in vierte decl. liefern bereits goth.
nom. pr. (ſ. 777.).
28) im gen. vierter männl. decl. ſchiene der gen. balgis
organiſch, der dat. balga hingegen für balgi (früher bal-
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den ſg. erſter und vierter völlig gleich (daher ſpäter
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[811/0837] II. allg. vergleichung der declination. 25) warum wohl der goth. nom. gen. dat. pl. maſc. in pron. und adj. -ái, -áizê, -áim zeigen? da doch der dat. ſubſt. -am, der acc. durchgehends -ans gewährt? Augenſcheinlich verhält ſich in den flexionen a zu ái wie i zu ei; fiſkans, fiſkam zu biindái wie balgins, balgim zu balgeis; reine verlängerung des a und i ſind die goth. diphth. ái und ei keineswegs, aber ver- wandte längen, daher im nom. pl. ſubſt. maſc. ein -ôs neben dem dat. -am, acc. -ans auftritt, indem ô nach andrer ſeite hin dem langen â verwandt liegt. Im alth. darf î wirklich als reine längerung des i (palkî, palkim); â als reine längerung des a (nom. pl. viſcâ) betrachtet werden, woneben im adj. das dem goth. ái parallele ê herrſcht. Solche betrachtung würde müßig erſcheinen, zeigte ſie nicht den weg, wie eben die abweichung der flexionsvocale in verſchiedenen mundarten zu faßen ſey. Halb folgen ſie dem gang der wurzelvocale, halb dem geheimen nachgefühl in- nerer flexionsbedeutſamkeit. Da ſich nun in keiner ſprache längen und doppellaute vollſtändig entwickelt oder erhalten haben, waren auswege unvermeidlich. 26) die zweite männl. und neutr. decl. iſt völlig die erſte, nur daß der bildungsvoc. i mit ins ſpiel ge- bracht wird, der im ſubſt. maſc. zuweilen -eis, -ei ſtatt -jis, -ji bewirkt (ſ. 599.), weder im neutr. noch männl. adj. (ſ. 606. 720.); den grund dieſes ſchwan- kens weiß ich nicht. Die übrigen mundarten gewäh- ren kein analoges î in denſelben flexionen. Unter den pronominalformen bekennt das alleinige dizi (ſ. 795.) zweite decl. 27) in der dritten decl. wirkt der bildungsvocal u man- nigfacher als jenes i auf die flexionen ein; ſunáus, ſunáu mögen (wie haírdeis aus haírdjis) aus ſunuas, ſunna (? ſunvas. ſunva) herſtammen, wofür die ſ. 601. angemerkten nebenformen ïêſuis, (ſt. ïêſuas) ïêſua wichtig zeugen. Über die weiteren caſus vermuthun- gen ſtehen ſchon ſ. 601. anm. 3. Spätere ſprachen miſchen bei dieſer decl. die vocale u und i, über- gänge aus dritter in vierte decl. liefern bereits goth. nom. pr. (ſ. 777.). 28) im gen. vierter männl. decl. ſchiene der gen. balgis organiſch, der dat. balga hingegen für balgi (früher bal- gimma? ſtehend; die goth. und alth. mundart machen den ſg. erſter und vierter völlig gleich (daher ſpäter

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/837>, abgerufen am 28.07.2024.