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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allg. vergleichung der declination.
nom. sg. fem. und nom. acc. pl. neutr. stattfinde, viel-
leicht im acc. sg. fem. (auch im instr. n° 37.) b) hingegen
alle übrigen casus, namentlich sämmtliche männliche,
irgendwo einen cons. zeigen und zwar gebührt t (ß)
bloß dem nom. acc. sg. neutr.; mm dem dat. sg. masc.
neutr.; ms (mr) dem dat pl. aller geschl.; n dem acc.
sg. masc.; ns (nr) dem acc. pl. masc.; s (r) dem nom.
sg. masc., gen. sg. masc. neutr., nom. pl. masc.; nom.
acc. pl. fem., dat. sg. fem., gen. pl. aller geschl.;
endlich zweifaches s dem gen. sg. f. Augenscheinlich
ist dieses s (r) der häufigste und bedeutendste buchstabe
für alle declination; da wo er noch von einem vocal
gefolgt wird (also inlautend und goth. z) d. h. im gen.
dat. sg. fem. und gen. pl. comm. erinnert er an die
bildung des comparativs.
19) nächstliegende frage ist: ob für zeiten, die über
unsere ältesten sprachdenkmähler reichen, ein organ. un-
terschied zwischen der flexion des pron. und adj. einer-,
und der des subst. andrerseits anzunehmen sey? oder
ob sich beiderlei flexionen allmählig, hauptsächlich durch
größeren verfall der substantivischen, von einander
entfernt haben? Unser hentiges gefühl ist an die ver-
schiedenheit subst. und adjectivischer decl. verwöhnt
und wird, bei der abschleifung aller flexionen und
bildungen, selbst einen vortheil für kürze oder be-
stimmiheit des ausdrucks in solcher trennung finden
wollen. Nachtheile, die umgekehrt der freieren wort-
stellung daher entspringen, kann erst das vierte buch
erläntern; hier folgende andere gründe für den zweiten
jener fälle, nämlich für die ursprüngliche, freilich längst
verlorene einheit beider flexionsweisen: a in derschwa-
chen form stimmen adj. und substantivische flexion
ganz überein (doch vgl. anm. 14. zur schw. decl.). b) die
trennung wäre schwankend und undurchgeführt d. h.
gewisse casus zeigen für pron. adj. subst. gleichförmig-
keit, namentlich im goth. der vocal des nom. sg. fem.
und pl. neutr.; das m des dat. pl.; das ns des acc. pl.;
das s des nom. sg. masc.; das s des gen. sg. masc.
neutr. Warum hätten nicht auch die übrigen früher
eingestimmt? c) vergleichung der mundarten stellt
uns den gang der allmähligen trennung dar: z. b.
goth. hieß es noch fisks wie blinds, altn. fiskr wie
blindr; alth. hingegen visc neben plinter; angels. so-
gar fisc, blind; schließt sich hieraus kein früheres
alth. viscer, angels. fisces, blindes? Die zuläßigkeit
II. allg. vergleichung der declination.
nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. ſtattfinde, viel-
leicht im acc. ſg. fem. (auch im inſtr. n° 37.) b) hingegen
alle übrigen caſus, namentlich ſämmtliche männliche,
irgendwo einen conſ. zeigen und zwar gebührt t (Ʒ)
bloß dem nom. acc. ſg. neutr.; mm dem dat. ſg. maſc.
neutr.; ms (mr) dem dat pl. aller geſchl.; n dem acc.
ſg. maſc.; ns (nr) dem acc. pl. maſc.; ſ (r) dem nom.
ſg. maſc., gen. ſg. maſc. neutr., nom. pl. maſc.; nom.
acc. pl. fem., dat. ſg. fem., gen. pl. aller geſchl.;
endlich zweifaches ſ dem gen. ſg. f. Augenſcheinlich
iſt dieſes ſ (r) der häufigſte und bedeutendſte buchſtabe
für alle declination; da wo er noch von einem vocal
gefolgt wird (alſo inlautend und goth. z) d. h. im gen.
dat. ſg. fem. und gen. pl. comm. erinnert er an die
bildung des comparativs.
19) nächſtliegende frage iſt: ob für zeiten, die über
unſere älteſten ſprachdenkmähler reichen, ein organ. un-
terſchied zwiſchen der flexion des pron. und adj. einer-,
und der des ſubſt. andrerſeits anzunehmen ſey? oder
ob ſich beiderlei flexionen allmählig, hauptſächlich durch
größeren verfall der ſubſtantiviſchen, von einander
entfernt haben? Unſer hentiges gefühl iſt an die ver-
ſchiedenheit ſubſt. und adjectiviſcher decl. verwöhnt
und wird, bei der abſchleifung aller flexionen und
bildungen, ſelbſt einen vortheil für kürze oder be-
ſtimmiheit des ausdrucks in ſolcher trennung finden
wollen. Nachtheile, die umgekehrt der freieren wort-
ſtellung daher entſpringen, kann erſt das vierte buch
erläntern; hier folgende andere gründe für den zweiten
jener fälle, nämlich für die urſprüngliche, freilich längſt
verlorene einheit beider flexionsweiſen: a in derſchwa-
chen form ſtimmen adj. und ſubſtantiviſche flexion
ganz überein (doch vgl. anm. 14. zur ſchw. decl.). b) die
trennung wäre ſchwankend und undurchgeführt d. h.
gewiſſe caſus zeigen für pron. adj. ſubſt. gleichförmig-
keit, namentlich im goth. der vocal des nom. ſg. fem.
und pl. neutr.; das m des dat. pl.; das ns des acc. pl.;
das ſ des nom. ſg. maſc.; das ſ des gen. ſg. maſc.
neutr. Warum hätten nicht auch die übrigen früher
eingeſtimmt? c) vergleichung der mundarten ſtellt
uns den gang der allmähligen trennung dar: z. b.
goth. hieß es noch fiſks wie blinds, altn. fiſkr wie
blindr; alth. hingegen viſc neben plintêr; angelſ. ſo-
gar fiſc, blind; ſchließt ſich hieraus kein früheres
alth. viſcêr, angelſ. fiſces, blindes? Die zuläßigkeit
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[807/0833] II. allg. vergleichung der declination. nom. ſg. fem. und nom. acc. pl. neutr. ſtattfinde, viel- leicht im acc. ſg. fem. (auch im inſtr. n° 37.) b) hingegen alle übrigen caſus, namentlich ſämmtliche männliche, irgendwo einen conſ. zeigen und zwar gebührt t (Ʒ) bloß dem nom. acc. ſg. neutr.; mm dem dat. ſg. maſc. neutr.; ms (mr) dem dat pl. aller geſchl.; n dem acc. ſg. maſc.; ns (nr) dem acc. pl. maſc.; ſ (r) dem nom. ſg. maſc., gen. ſg. maſc. neutr., nom. pl. maſc.; nom. acc. pl. fem., dat. ſg. fem., gen. pl. aller geſchl.; endlich zweifaches ſ dem gen. ſg. f. Augenſcheinlich iſt dieſes ſ (r) der häufigſte und bedeutendſte buchſtabe für alle declination; da wo er noch von einem vocal gefolgt wird (alſo inlautend und goth. z) d. h. im gen. dat. ſg. fem. und gen. pl. comm. erinnert er an die bildung des comparativs. 19) nächſtliegende frage iſt: ob für zeiten, die über unſere älteſten ſprachdenkmähler reichen, ein organ. un- terſchied zwiſchen der flexion des pron. und adj. einer-, und der des ſubſt. andrerſeits anzunehmen ſey? oder ob ſich beiderlei flexionen allmählig, hauptſächlich durch größeren verfall der ſubſtantiviſchen, von einander entfernt haben? Unſer hentiges gefühl iſt an die ver- ſchiedenheit ſubſt. und adjectiviſcher decl. verwöhnt und wird, bei der abſchleifung aller flexionen und bildungen, ſelbſt einen vortheil für kürze oder be- ſtimmiheit des ausdrucks in ſolcher trennung finden wollen. Nachtheile, die umgekehrt der freieren wort- ſtellung daher entſpringen, kann erſt das vierte buch erläntern; hier folgende andere gründe für den zweiten jener fälle, nämlich für die urſprüngliche, freilich längſt verlorene einheit beider flexionsweiſen: a in derſchwa- chen form ſtimmen adj. und ſubſtantiviſche flexion ganz überein (doch vgl. anm. 14. zur ſchw. decl.). b) die trennung wäre ſchwankend und undurchgeführt d. h. gewiſſe caſus zeigen für pron. adj. ſubſt. gleichförmig- keit, namentlich im goth. der vocal des nom. ſg. fem. und pl. neutr.; das m des dat. pl.; das ns des acc. pl.; das ſ des nom. ſg. maſc.; das ſ des gen. ſg. maſc. neutr. Warum hätten nicht auch die übrigen früher eingeſtimmt? c) vergleichung der mundarten ſtellt uns den gang der allmähligen trennung dar: z. b. goth. hieß es noch fiſks wie blinds, altn. fiſkr wie blindr; alth. hingegen viſc neben plintêr; angelſ. ſo- gar fiſc, blind; ſchließt ſich hieraus kein früheres alth. viſcêr, angelſ. fiſces, blindes? Die zuläßigkeit

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 807. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/833>, abgerufen am 28.07.2024.