mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die analogie des dh (d) und gh, unterschieden von th (th) und ch, welche der Gothe nicht unterscheidet oder gar nicht kennt. ph schiene das goth. f in wörtern wie vulfs, fimf etc. so wie in allen anlauten und es ist kei- nem umlaut unterworfen, so wenig als p. Vorläufig habe ich noch nicht gewagt von dieser zerlegung des f in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch zu machen; vollständige einsicht in die vielfach ver- wickelten labiallaute wird erst nach dem schluße der ganzen buchstabenlehre in einer vergleichenden tabelle möglich werden.
(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der leisesten bewegung der lippen hervorgeht, gleichsam zwischen vocal und consonant schwebend und eben aus dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das sich aus dem i entwickelt, analog. Selbst das schriftzei- chen, wie vorhin bei dem y gesagt worden, ist förm- lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt sich aber von der gestalt des goth. u, die man ein umgestürztes u (n) nennen kann. Byzantiner schwanken hier in dem ausdruck der eigennamen goth. stamms, bald setzen sie b, bald ou, einige schreiben bandeloi; bandalarios, ba- lameros, andere und die meisten ouandaloi, ouakis, ouisan- dos, ouilas, ouitigis, oulphilas etc. Beiderlei schreibart läßt sich rechtfertigen; b entspricht schon in altgr. wur- zeln häufig dem lat. v, in lateinischen wechseln b und v (Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das schwan- ken zwischen b und ou), bekanntlich haben die Spanier bis auf die neueste zeit jenes für dieses geschrieben. Die schreibung ou erklärt den ursprung des doppelten u oder v, man setzte uu oder w, um den unterschied von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund- arten eine erhöhte lippenaussprache beilegten (das hochd. v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen. Einige schrieben uv und selbst vu, die dem gr. ou gleich- falls sehr nahe kamen und die auflösung jener byzanti- nischen ou, wo man das folgende goth. u *) und selbst i zuweilen unterdrückte (oulphilas wäre ououlphilas gewe- sen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe nie, wie der Norde, das v vor dem u wegstößt, das i
*) Thorisin bei Procop. 2, 34. vgl. mit Audouin steht für Thorisouin, d. h. tharisvins.
I. gothiſche conſonanten. labiales.
mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die analogie des dh (ð) und gh, unterſchieden von th (þ) und ch, welche der Gothe nicht unterſcheidet oder gar nicht kennt. ph ſchiene das goth. f in wörtern wie vulfs, fimf etc. ſo wie in allen anlauten und es iſt kei- nem umlaut unterworfen, ſo wenig als p. Vorläufig habe ich noch nicht gewagt von dieſer zerlegung des f in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch zu machen; vollſtändige einſicht in die vielfach ver- wickelten labiallaute wird erſt nach dem ſchluße der ganzen buchſtabenlehre in einer vergleichenden tabelle möglich werden.
(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der leiſeſten bewegung der lippen hervorgeht, gleichſam zwiſchen vocal und conſonant ſchwebend und eben aus dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das ſich aus dem ï entwickelt, analog. Selbſt das ſchriftzei- chen, wie vorhin bei dem y geſagt worden, iſt förm- lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt ſich aber von der geſtalt des goth. u, die man ein umgeſtürztes u (n) nennen kann. Byzantiner ſchwanken hier in dem ausdruck der eigennamen goth. ſtamms, bald ſetzen ſie β, bald οὐ, einige ſchreiben βανδήλοι; βανδαλαριος, βα- λάμηρος, andere und die meiſten οὐανδαλοι, οὐακις, οὐισαν- δος, οὐιλας, οὐιτιγις, οὐλφιλας etc. Beiderlei ſchreibart läßt ſich rechtfertigen; β entſpricht ſchon in altgr. wur- zeln häufig dem lat. v, in lateiniſchen wechſeln b und v (Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das ſchwan- ken zwiſchen β und ου), bekanntlich haben die Spanier bis auf die neueſte zeit jenes für dieſes geſchrieben. Die ſchreibung οὐ erklärt den urſprung des doppelten u oder v, man ſetzte uu oder w, um den unterſchied von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund- arten eine erhöhte lippenausſprache beilegten (das hochd. v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen. Einige ſchrieben uv und ſelbſt vu, die dem gr. οὐ gleich- falls ſehr nahe kamen und die auflöſung jener byzanti- niſchen οὐ, wo man das folgende goth. u *) und ſelbſt i zuweilen unterdrückte (οὐλφιλας wäre οὐουλφιλας gewe- ſen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe nie, wie der Norde, das v vor dem u wegſtößt, das i
*) Θορισιν bei Procop. 2, 34. vgl. mit Αὐδουΐν ſteht für Θορισουΐν, d. h. þariſvins.
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[57/0083]
I. gothiſche conſonanten. labiales.
mittelh. v beleuchtet werden, und gewinnt durch die
analogie des dh (ð) und gh, unterſchieden von th (þ)
und ch, welche der Gothe nicht unterſcheidet oder gar
nicht kennt. ph ſchiene das goth. f in wörtern wie
vulfs, fimf etc. ſo wie in allen anlauten und es iſt kei-
nem umlaut unterworfen, ſo wenig als p. Vorläufig
habe ich noch nicht gewagt von dieſer zerlegung des f
in zwei arten für die äußerliche bezeichnung gebrauch
zu machen; vollſtändige einſicht in die vielfach ver-
wickelten labiallaute wird erſt nach dem ſchluße der
ganzen buchſtabenlehre in einer vergleichenden tabelle
möglich werden.
(V) der laut des bloßen wehens, wie er aus der
leiſeſten bewegung der lippen hervorgeht, gleichſam
zwiſchen vocal und conſonant ſchwebend und eben aus
dem u übertretend in den lippenlaut, daher dem j, das
ſich aus dem ï entwickelt, analog. Selbſt das ſchriftzei-
chen, wie vorhin bei dem y geſagt worden, iſt förm-
lich eins mit dem gr. v und lat. v. entfernt ſich aber
von der geſtalt des goth. u, die man ein umgeſtürztes u
(n) nennen kann. Byzantiner ſchwanken hier in dem
ausdruck der eigennamen goth. ſtamms, bald ſetzen ſie
β, bald οὐ, einige ſchreiben βανδήλοι; βανδαλαριος, βα-
λάμηρος, andere und die meiſten οὐανδαλοι, οὐακις, οὐισαν-
δος, οὐιλας, οὐιτιγις, οὐλφιλας etc. Beiderlei ſchreibart
läßt ſich rechtfertigen; β entſpricht ſchon in altgr. wur-
zeln häufig dem lat. v, in lateiniſchen wechſeln b und v
(Schneider p. 226-228. zumahl p. 368. über das ſchwan-
ken zwiſchen β und ου), bekanntlich haben die Spanier
bis auf die neueſte zeit jenes für dieſes geſchrieben.
Die ſchreibung οὐ erklärt den urſprung des doppelten
u oder v, man ſetzte uu oder w, um den unterſchied
von dem vocal u oder dem v, welchem einzelne mund-
arten eine erhöhte lippenausſprache beilegten (das hochd.
v wurde zu bh und endlich f), merklich zu machen.
Einige ſchrieben uv und ſelbſt vu, die dem gr. οὐ gleich-
falls ſehr nahe kamen und die auflöſung jener byzanti-
niſchen οὐ, wo man das folgende goth. u *) und ſelbſt i
zuweilen unterdrückte (οὐλφιλας wäre οὐουλφιλας gewe-
ſen) in lat. einfache u verdient tadel, weil der Gothe
nie, wie der Norde, das v vor dem u wegſtößt, das i
*) Θορισιν bei Procop. 2, 34. vgl. mit Αὐδουΐν ſteht für Θορισουΐν,
d. h. þariſvins.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/83>, abgerufen am 26.11.2024.
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