Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.II. poss. aus dem persönl. geschlecht. pronomen. ner der übrigen spr.) allmählig ein unorg. possessivumgebildet, jedoch nur für den sg. fem. und pl. aller ge- schl., nicht für den sg. masc. und neutr., eben weil die form des gen. sg. masc. neutr. im geschl. pers. pron. erloschen war. 1) da im hochd. gen. sg. fem. und gen. pl. comm. gleich- lauten, stimmt auch das daher entspringende poss. überein und heißt auf neuh. eirer, eire, eires, ganz re- gelrecht und vollständig, wie jedes adj. beides stark und schw. declinierend. Schwierig ist bloß die erste erscheinung dieses poss. auszumitteln. Im 14. jahrh. stand es fest; denn hs4. dieser zeit schwärzen es an unzäh- ligen stellen der älteren gedichte statt des org. gen. ir ein. So viel ich weiß nöthigt kein mittelh. reim, irgendwo irs, irme, irn, iriu, irre, irß anzuerken- nen; die übrigen casus würden die flexion als stum- mes e apocopieren, so daß ein possessives ir (= neuh. eire) mit dem org. gen. it zus. fallen müste. Gründe aus dem silbenmaß reden aber nicht für irs, irn, irß [ires, iren, ireß sind nach s. 745. verwerflich *)] weil der gen. ir gleiche wirkung thut; für irme, irre [irem, irer wieder verwerflich] iriu könnten sie sprechen, da wo zwei silben statt einer gefordert würden, mir ist keine überführende stelle wißentlich [Wig. 4042. 7440. dichtete Wirnt eher ir als irre; 10473. eher ir als irme und will man iriu Amur 1005. irme M. S. 2, 224a mei- sterg. 19b vertheidigen?] Bei einem der spätern dichter, der vielleicht selbst schon nach 1300 lebte, M. S. 2, 178a wird irs gerade mit dem anomalen gen. man (s. 686.) construiert; hier ist schwerlich: ir man, leicht aber: ir mannes zu lesen. Das poss. darf also reinmittelh. werken des 13. jahrh. abgesprochen werden, nicht dem 13. jahrh., weil es alte hss. zwischen 1200 -- 1300 mehr oder we- niger wirklich zeigen, (vgl. Nib 5414. 6148. 8163. 8747.) welches ich niederd. einfluß beilege, der ein- zelnen copisten anhängt. So setzt die alte wohl noch vor 1200 gefertigte heidelb. hs. des Iw. das poss. häu- fig an die stelle hartmannischer ir, aber die niederd. neigung dieser hs. ist auch an andern formen nicht zu verkennen. Und hierzu stimmt völlig die entschie- denheit des mittelniederl. poss. haer. Nur läßt sich *) M. S. 1, 1922 leidet das metrum sehr wohl; an ir dan[ - 1 Zeichen fehlt]
(statt des neuh. eiren) wie die bald folgende zeile: hat ver- wunt lehrt. II. poſſ. aus dem perſönl. geſchlecht. pronomen. ner der übrigen ſpr.) allmählig ein unorg. poſſeſſivumgebildet, jedoch nur für den ſg. fem. und pl. aller ge- ſchl., nicht für den ſg. maſc. und neutr., eben weil die form des gen. ſg. maſc. neutr. im geſchl. perſ. pron. erloſchen war. 1) da im hochd. gen. ſg. fem. und gen. pl. comm. gleich- lauten, ſtimmt auch das daher entſpringende poſſ. überein und heißt auf neuh. îrer, îre, îres, ganz re- gelrecht und vollſtändig, wie jedes adj. beides ſtark und ſchw. declinierend. Schwierig iſt bloß die erſte erſcheinung dieſes poſſ. auszumitteln. Im 14. jahrh. ſtand es feſt; denn hſ4. dieſer zeit ſchwärzen es an unzäh- ligen ſtellen der älteren gedichte ſtatt des org. gen. ir ein. So viel ich weiß nöthigt kein mittelh. reim, irgendwo irs, irme, irn, iriu, irre, irƷ anzuerken- nen; die übrigen caſus würden die flexion als ſtum- mes e apocopieren, ſo daß ein poſſeſſives ir (= neuh. îre) mit dem org. gen. it zuſ. fallen müſte. Gründe aus dem ſilbenmaß reden aber nicht für irs, irn, irƷ [ires, iren, ireƷ ſind nach ſ. 745. verwerflich *)] weil der gen. ir gleiche wirkung thut; für irme, irre [irem, irer wieder verwerflich] iriu könnten ſie ſprechen, da wo zwei ſilben ſtatt einer gefordert würden, mir iſt keine überführende ſtelle wißentlich [Wig. 4042. 7440. dichtete Wirnt eher ir als irre; 10473. eher ir als irme und will man iriu Amur 1005. irme M. S. 2, 224a mei- ſterg. 19b vertheidigen?] Bei einem der ſpätern dichter, der vielleicht ſelbſt ſchon nach 1300 lebte, M. S. 2, 178a wird irs gerade mit dem anomalen gen. man (ſ. 686.) conſtruiert; hier iſt ſchwerlich: ir man, leicht aber: ir mannes zu leſen. Das poſſ. darf alſo reinmittelh. werken des 13. jahrh. abgeſprochen werden, nicht dem 13. jahrh., weil es alte hſſ. zwiſchen 1200 — 1300 mehr oder we- niger wirklich zeigen, (vgl. Nib 5414. 6148. 8163. 8747.) welches ich niederd. einfluß beilege, der ein- zelnen copiſten anhängt. So ſetzt die alte wohl noch vor 1200 gefertigte heidelb. hſ. des Iw. das poſſ. häu- fig an die ſtelle hartmanniſcher ir, aber die niederd. neigung dieſer hſ. iſt auch an andern formen nicht zu verkennen. Und hierzu ſtimmt völlig die entſchie- denheit des mittelniederl. poſſ. haer. Nur läßt ſich *) M. S. 1, 1922 leidet das metrum ſehr wohl; ân ir dan[ – 1 Zeichen fehlt]
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II. poſſ. aus dem perſönl. geſchlecht. pronomen.
ner der übrigen ſpr.) allmählig ein unorg. poſſeſſivum
gebildet, jedoch nur für den ſg. fem. und pl. aller ge-
ſchl., nicht für den ſg. maſc. und neutr., eben weil
die form des gen. ſg. maſc. neutr. im geſchl. perſ. pron.
erloſchen war.
1) da im hochd. gen. ſg. fem. und gen. pl. comm. gleich-
lauten, ſtimmt auch das daher entſpringende poſſ.
überein und heißt auf neuh. îrer, îre, îres, ganz re-
gelrecht und vollſtändig, wie jedes adj. beides ſtark
und ſchw. declinierend. Schwierig iſt bloß die erſte
erſcheinung dieſes poſſ. auszumitteln. Im 14. jahrh. ſtand
es feſt; denn hſ4. dieſer zeit ſchwärzen es an unzäh-
ligen ſtellen der älteren gedichte ſtatt des org. gen.
ir ein. So viel ich weiß nöthigt kein mittelh. reim,
irgendwo irs, irme, irn, iriu, irre, irƷ anzuerken-
nen; die übrigen caſus würden die flexion als ſtum-
mes e apocopieren, ſo daß ein poſſeſſives ir (= neuh.
îre) mit dem org. gen. it zuſ. fallen müſte. Gründe
aus dem ſilbenmaß reden aber nicht für irs, irn, irƷ
[ires, iren, ireƷ ſind nach ſ. 745. verwerflich *)] weil
der gen. ir gleiche wirkung thut; für irme, irre [irem,
irer wieder verwerflich] iriu könnten ſie ſprechen, da
wo zwei ſilben ſtatt einer gefordert würden, mir iſt
keine überführende ſtelle wißentlich [Wig. 4042. 7440.
dichtete Wirnt eher ir als irre; 10473. eher ir als irme
und will man iriu Amur 1005. irme M. S. 2, 224a mei-
ſterg. 19b vertheidigen?] Bei einem der ſpätern dichter,
der vielleicht ſelbſt ſchon nach 1300 lebte, M. S. 2, 178a
wird irs gerade mit dem anomalen gen. man (ſ. 686.)
conſtruiert; hier iſt ſchwerlich: ir man, leicht aber: ir
mannes zu leſen. Das poſſ. darf alſo reinmittelh. werken
des 13. jahrh. abgeſprochen werden, nicht dem 13. jahrh.,
weil es alte hſſ. zwiſchen 1200 — 1300 mehr oder we-
niger wirklich zeigen, (vgl. Nib 5414. 6148. 8163.
8747.) welches ich niederd. einfluß beilege, der ein-
zelnen copiſten anhängt. So ſetzt die alte wohl noch
vor 1200 gefertigte heidelb. hſ. des Iw. das poſſ. häu-
fig an die ſtelle hartmanniſcher ir, aber die niederd.
neigung dieſer hſ. iſt auch an andern formen nicht
zu verkennen. Und hierzu ſtimmt völlig die entſchie-
denheit des mittelniederl. poſſ. haer. Nur läßt ſich
*) M. S. 1, 1922 leidet das metrum ſehr wohl; ân ir dan_
(ſtatt des neuh. îren) wie die bald folgende zeile: hât ver-
wunt lehrt.
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