nord. dative mer, ther, ser schon im goth. mis. thus, sis heißen, dem alth. mir, dir, wir, ir, parallel. Die kürzung des ei in i trifft sich auch in dem verhältniß zwischen qveins und qvino. Auffallender ist das alth. lußil neben dem goth. leitils, wiewohl thus, jus und us- ueben dir, ir, ir- (und ur-) aufschluß gewähren, Von lat. wörtern liegen: veinum, leinum, veisere, veicus zunächst; die verkürzung des ei in i ergäbe sich in-licus vergl. mit -leiks, das auch im neuh. -lich lautet; ra- pio (in der compos. -ripio) ließe sich zu greipan halten.
(IU) iu, reingothischer diphthong, der sich mit kei- nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. u, für wel- ches sich Ulph. des consonanten v bedient, abgelegen, Zugleich der einzige mit vorschlagendem i, da der Gothe kein ia, noch weniger ie, io kennt. Zwischen iu und ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterscheide man sorg- sam *), denn Ulph. schreibt niemahls stjurs, nju etc. wie er hafjan etc. schreibt, ju ist mit dem nachdruck auf u auszusprechen (etwa ju, beinahe gu), iu hinge- gen beinahe i-u, doch nicht zweisilbig, sondern iu. Dies gewicht auf i erweist sich wiederum (wie vorhin bei au) aus der verslüchtigung des leichteren u in den spiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu, gen. trivis; kniu, dat. kniva; thius (famulus), thivos (famuli), thive (famulorum), thivi (famula); snivan (ire) st. sniuan; qvius (vivus), qvivaize (vivorum), aber ga- quiunan (reviviscere). Muß das folgende i, eines auf es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, so bleibt iu (wie oben au blieb), oder kehrt zurück, z. b. thivi macht den gen. thiujos und die (anzunehmende, aber nicht zu belegende) starke form nivis (novus) die schwache niuja (sprich niu-ja zweisilbig). Da der diphthong überall iu (niemahls iu) hat, so kann der ac- cent auf dem i gespart werden. Es sind nur wenige wörter; kniu (genu). niu (nonne). triu (arbor). liubs (carus). thiubs (fur). biudan (offerre). aviliudon (eukha- ristein). biuds (mensa). thiuda (gens). liudan (crescere). hiufan (oder hniuban? plorare). liugan (nubere). liu- gan (mentiri). biuhts (mos). hiuhma (multitudo). liuhath (lux). niuhsjan (visitare). tiuhan (ducere). thliuhan (fugere). niuja (novus). siujan (suere). siuks (aegrotus). hliuma
*) Fälschlich schreiben Zahn und Reinwald jup, jumjo st. iup, iumjo
I. gothiſche vocale.
nord. dative mêr, þêr, ſèr ſchon im goth. mis. þus, ſis heißen, dem alth. mir, dir, wir, ir, parallel. Die kürzung des ei in i trifft ſich auch in dem verhältniß zwiſchen qveins und qvinô. Auffallender iſt das alth. luƷil neben dem goth. leitils, wiewohl þus, jus und us- ueben dir, ir, ir- (und ur-) aufſchluß gewähren, Von lat. wörtern liegen: vînum, lînum, vîſere, vîcus zunächſt; die verkürzung des î in i ergäbe ſich in-licus vergl. mit -leiks, das auch im neuh. -lich lautet; ra- pio (in der compoſ. -ripio) ließe ſich zu greipan halten.
(IU) ïu, reingothiſcher diphthong, der ſich mit kei- nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. υ, für wel- ches ſich Ulph. des conſonanten v bedient, abgelegen, Zugleich der einzige mit vorſchlagendem i, da der Gothe kein ïa, noch weniger ïê, ïô kennt. Zwiſchen ïu und ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterſcheide man ſorg- ſam *), denn Ulph. ſchreibt niemahls ſtjurs, nju etc. wie er hafjan etc. ſchreibt, ju iſt mit dem nachdruck auf u auszuſprechen (etwa jú, beinahe gu), iu hinge- gen beinahe i-u, doch nicht zweiſilbig, ſondern íu. Dies gewicht auf i erweiſt ſich wiederum (wie vorhin bei áu) aus der verſlüchtigung des leichteren u in den ſpiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu, gen. trivis; kniu, dat. kniva; þius (famulus), þivôs (famuli), þivê (famulorum), þivi (famula); ſnivan (ire) ſt. ſniuan; qvius (vivus), qviváize (vivorum), aber ga- quiunan (reviviſcere). Muß das folgende i, eines auf es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, ſo bleibt iu (wie oben áu blieb), oder kehrt zurück, z. b. þivi macht den gen. þiujôs und die (anzunehmende, aber nicht zu belegende) ſtarke form nivis (novus) die ſchwache niuja (ſprich niu-ja zweiſilbig). Da der diphthong überall íu (niemahls iú) hat, ſo kann der ac- cent auf dem i geſpart werden. Es ſind nur wenige wörter; kniu (genu). niu (nonne). triu (arbor). liubs (carus). þiubs (fur). biudan (offerre). aviliudôn (εὐχα- ριστειν). biuds (menſa). þiuda (gens). liudan (creſcere). hiufan (oder hniuban? plorare). liugan (nubere). liu- gan (mentiri). biuhts (mos). hiuhma (multitudo). liuhaþ (lux). niuhſjan (viſitare). tiuhan (ducere). þliuhan (fugere). niuja (novus). ſiujan (ſuere). ſiuks (aegrotus). hliuma
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[50/0076]
I. gothiſche vocale.
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kürzung des ei in i trifft ſich auch in dem verhältniß
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Von lat. wörtern liegen: vînum, lînum, vîſere, vîcus
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vergl. mit -leiks, das auch im neuh. -lich lautet; ra-
pio (in der compoſ. -ripio) ließe ſich zu greipan halten.
(IU) ïu, reingothiſcher diphthong, der ſich mit kei-
nem gr. laute begegnet, folglich vom gr. υ, für wel-
ches ſich Ulph. des conſonanten v bedient, abgelegen,
Zugleich der einzige mit vorſchlagendem i, da der Gothe
kein ïa, noch weniger ïê, ïô kennt. Zwiſchen ïu und
ju (z. b. in ju, jam; jus, vos) unterſcheide man ſorg-
ſam *), denn Ulph. ſchreibt niemahls ſtjurs, nju etc.
wie er hafjan etc. ſchreibt, ju iſt mit dem nachdruck
auf u auszuſprechen (etwa jú, beinahe gu), iu hinge-
gen beinahe i-u, doch nicht zweiſilbig, ſondern íu.
Dies gewicht auf i erweiſt ſich wiederum (wie vorhin
bei áu) aus der verſlüchtigung des leichteren u in den
ſpiranten v und zwar vor jedem folgenden vocal: triu,
gen. trivis; kniu, dat. kniva; þius (famulus), þivôs
(famuli), þivê (famulorum), þivi (famula); ſnivan (ire)
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quiunan (reviviſcere). Muß das folgende i, eines auf
es folgenden neuen vocals halber, in j. übergehen, ſo
bleibt iu (wie oben áu blieb), oder kehrt zurück, z. b.
þivi macht den gen. þiujôs und die (anzunehmende,
aber nicht zu belegende) ſtarke form nivis (novus) die
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(lux). niuhſjan (viſitare). tiuhan (ducere). þliuhan (fugere).
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*) Fälſchlich ſchreiben Zahn und Reinwald jup, jumjô ſt.
ïup, ïumjô
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/76>, abgerufen am 24.11.2024.
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