für t völlig die stelle des th. einnehme. Diese hochd. gleichung des z (ts) mit th ist um so merkwürdiger, da sich theils in keinem denkmahl meines wißens wirklicher wechsel zwischen z und th. offenbart (keine spur eines alth. thiman, thein f. ziman, zein) theils in der hochd. mundart die reine spirans h. sehr be- liebt und nie mit der spirans s vertauscht wird. Diese vertanschung waltet gerade in den slavischen und let- tischen sprachen, worin so viele ursprüngliche kehl- laute assibiliert erscheinen, vgl. cor, cordis, herza mit dem litth skirdis (sprich schirdis) böhm. srdce; canis, hund mit dem litth. ßu; centum, hundert mit dem litth. ßimta; porcus mit parßas; aber das weichere litth. z' (sprich sh, oder dsh) antwortet dem gr. kh. lat. h. als: z'iema (kheima, hiems) z'eme (humus, vgl. humilis und khthamalos, khamalos) z'mogus (homo pl. z'mones, homines; altpr. smunents, homo) z'asis (khen, anser); z'engti, z'engimas ist das deutsche gangan, gang. Man vgl. indessen das angels. sceort, engl. short f. ceort und selbst alth. scurz f. churz (oben s. 175.) so wie die zischende aussprache der fries. engl. und schwed. anlaute c, k, ch. --
Aus dem verhältnis der consonanten geht also ge- nügender beweis einer urverwandtschaft der vergliche- nen sprachen hervor. Sollte sich, auf es gestützt, nicht zugleich berührungen der vocale nachspüren laßen? die analogie zwischen hochd. und gothischem vocalstande nicht zu dem schluße leiten, daß auch latein. vocale mit goth. zusammenhängen müßen? Unsicherer und ab- gebrochener wird dieser zus. hang schon deßhalb seyn. weil wir in deutschen dialecten derselben consonanten- stufe so schwankenden und manigfaltigen vocalen begeg- nen. Gleichwohl gibt es noch solche unverkennbare ähnlichkeiten:
1) manche vocale, obschon nicht selbst übereinstimmend, folgen derselben richtung, z. b. in den lat. wörtern genus, tenuis gleichen e genau dem deutschen u im goth. kuni, thuni (?) und alth. chunni, dunni.
2) bemerkenswerth schien mir immer die analogie der vocale in pater, mater, frater vergl. mit vatar, muo- tar, pruodar; pater hat kurzes a, mater, frater haben langes. Ebenso steht in allen deutschen sprachen dem
I. vergleichung fremder buchſtaben.
für t völlig die ſtelle des th. einnehme. Dieſe hochd. gleichung des z (tſ) mit th iſt um ſo merkwürdiger, da ſich theils in keinem denkmahl meines wißens wirklicher wechſel zwiſchen z und th. offenbart (keine ſpur eines alth. thiman, thein f. ziman, zein) theils in der hochd. mundart die reine ſpirans h. ſehr be- liebt und nie mit der ſpirans ſ vertauſcht wird. Dieſe vertanſchung waltet gerade in den ſlaviſchen und let- tiſchen ſprachen, worin ſo viele urſprüngliche kehl- laute aſſibiliert erſcheinen, vgl. cor, cordis, hërza mit dem litth ſkirdis (ſprich ſchirdis) böhm. ſrdce; canis, hund mit dem litth. ſzů; centum, hundert mit dem litth. ſzimta; porcus mit parſzas; aber das weichere litth. z’ (ſprich ſh, oder dſh) antwortet dem gr. χ. lat. h. als: z’iema (χεῖμα, hiems) z’eme (humus, vgl. humilis und χθαμαλὸς, χαμαλὸς) z’mogus (homo pl. z’mones, homines; altpr. ſmunents, homo) z’aſis (χὴν, anſer); z’engti, z’engimas iſt das deutſche gangan, gang. Man vgl. indeſſen das angelſ. ſcëort, engl. ſhort f. cëort und ſelbſt alth. ſcurz f. churz (oben ſ. 175.) ſo wie die ziſchende ausſprache der frieſ. engl. und ſchwed. anlaute c, k, ch. —
Aus dem verhältnis der conſonanten geht alſo ge- nügender beweis einer urverwandtſchaft der vergliche- nen ſprachen hervor. Sollte ſich, auf es geſtützt, nicht zugleich berührungen der vocale nachſpüren laßen? die analogie zwiſchen hochd. und gothiſchem vocalſtande nicht zu dem ſchluße leiten, daß auch latein. vocale mit goth. zuſammenhängen müßen? Unſicherer und ab- gebrochener wird dieſer zuſ. hang ſchon deßhalb ſeyn. weil wir in deutſchen dialecten derſelben conſonanten- ſtufe ſo ſchwankenden und manigfaltigen vocalen begeg- nen. Gleichwohl gibt es noch ſolche unverkennbare ähnlichkeiten:
1) manche vocale, obſchon nicht ſelbſt übereinſtimmend, folgen derſelben richtung, z. b. in den lat. wörtern genus, tenuis gleichen e genau dem deutſchen u im goth. kuni, þuni (?) und alth. chunni, dunni.
2) bemerkenswerth ſchien mir immer die analogie der vocale in pater, mater, frater vergl. mit vatar, muo- tar, pruodar; pater hat kurzes a, mater, frater haben langes. Ebenſo ſteht in allen deutſchen ſprachen dem
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I. vergleichung fremder buchſtaben.
für t völlig die ſtelle des th. einnehme. Dieſe hochd.
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da ſich theils in keinem denkmahl meines wißens
wirklicher wechſel zwiſchen z und th. offenbart (keine
ſpur eines alth. thiman, thein f. ziman, zein) theils
in der hochd. mundart die reine ſpirans h. ſehr be-
liebt und nie mit der ſpirans ſ vertauſcht wird. Dieſe
vertanſchung waltet gerade in den ſlaviſchen und let-
tiſchen ſprachen, worin ſo viele urſprüngliche kehl-
laute aſſibiliert erſcheinen, vgl. cor, cordis, hërza mit
dem litth ſkirdis (ſprich ſchirdis) böhm. ſrdce; canis,
hund mit dem litth. ſzů; centum, hundert mit dem
litth. ſzimta; porcus mit parſzas; aber das weichere
litth. z’ (ſprich ſh, oder dſh) antwortet dem gr. χ.
lat. h. als: z’iema (χεῖμα, hiems) z’eme (humus, vgl.
humilis und χθαμαλὸς, χαμαλὸς) z’mogus (homo pl.
z’mones, homines; altpr. ſmunents, homo) z’aſis (χὴν,
anſer); z’engti, z’engimas iſt das deutſche gangan,
gang. Man vgl. indeſſen das angelſ. ſcëort, engl. ſhort
f. cëort und ſelbſt alth. ſcurz f. churz (oben ſ. 175.)
ſo wie die ziſchende ausſprache der frieſ. engl. und
ſchwed. anlaute c, k, ch. —
Aus dem verhältnis der conſonanten geht alſo ge-
nügender beweis einer urverwandtſchaft der vergliche-
nen ſprachen hervor. Sollte ſich, auf es geſtützt, nicht
zugleich berührungen der vocale nachſpüren laßen? die
analogie zwiſchen hochd. und gothiſchem vocalſtande
nicht zu dem ſchluße leiten, daß auch latein. vocale
mit goth. zuſammenhängen müßen? Unſicherer und ab-
gebrochener wird dieſer zuſ. hang ſchon deßhalb ſeyn.
weil wir in deutſchen dialecten derſelben conſonanten-
ſtufe ſo ſchwankenden und manigfaltigen vocalen begeg-
nen. Gleichwohl gibt es noch ſolche unverkennbare
ähnlichkeiten:
1) manche vocale, obſchon nicht ſelbſt übereinſtimmend,
folgen derſelben richtung, z. b. in den lat. wörtern
genus, tenuis gleichen e genau dem deutſchen u im
goth. kuni, þuni (?) und alth. chunni, dunni.
2) bemerkenswerth ſchien mir immer die analogie der
vocale in pater, mater, frater vergl. mit vatar, muo-
tar, pruodar; pater hat kurzes a, mater, frater haben
langes. Ebenſo ſteht in allen deutſchen ſprachen dem
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/618>, abgerufen am 22.11.2024.
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