konings zeide, 'k heb, dit 's, d'arde oder auch de arde; die holländische poesie bedient sich der synalöphe un- gleich häufiger, als die heutige hochd. schwed. oder dänische.
Neuenglische buchstaben.
Die ursachen, welche einer einfachen orthographie aller heutigen sprachen verderblich werden, nämlich schwanken zwischen der alten schreibung und der neuen aussprache, walten hier auf alle weise; so groß gewor- den ist die verwirrung, daß man die wahre aussprache fast nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag. Über die sucht, von der wir zuweilen Hochdeutsche und Niederländer befallen sehen, ein gleichförmiges laut- system aufzufinden und mit verletzung aller historischen rücksicht roh ins volk einzuführen, sind daher Englän- der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher bedienen sich zwar zur näheren bestimmung verschiede- ner lautverhältnisse einer accentuation, welche aber dem gewöhnlichen leser und schreiber ganz unbekannt blei- ben kann. Diese accente weichen von der sonstigen verwendung derselben zeichen ab; mir bedeutete acu- tus den ersten, gravis den zweiten ton; englische gram- matiker setzen in gleichtonigen silben den acutus um kurzen, den gravis um langen laut eines vocals auszu- drücken, z. b. thing, hand, mild, name, sprich: thinng, hännd, meild, naem; in diphth. brauchen sie beide mehr zu willkürlicher unterscheidung. -- Statt die menge von regeln und ausnahmen über aussprache der engl. buchstaben einzeln abzuhandeln und auf meine vorstellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll- ständige bemerkungen über das wichtigste genügen, wo- bei ich ohnehin auf die deutschen oder sächs. bestand- theile der sprache eingeschränkt bleibe.
Neuenglische vocale.
Auch die neuengl. poesie kennt nur stumpfe, keine klingende reime; wörter, deren vocal einfache conso- nanz und flexions-e folgt, haben letzteres stumm, er- steren lang. Das heißt: die organ. länge und tonlose flexion (came, venerunt; mine, meus, angels. caemon, mein) steht mit der org. kürze und stummen flexion (name, nomen; angels. nama) gänzlich gleich. Ich werde
I. neuengliſche vocale.
kônings zîde, ’k heb, dit ’s, d’ârde oder auch de ârde; die holländiſche poeſie bedient ſich der ſynalöphe un- gleich häufiger, als die heutige hochd. ſchwed. oder däniſche.
Neuengliſche buchſtaben.
Die urſachen, welche einer einfachen orthographie aller heutigen ſprachen verderblich werden, nämlich ſchwanken zwiſchen der alten ſchreibung und der neuen ausſprache, walten hier auf alle weiſe; ſo groß gewor- den iſt die verwirrung, daß man die wahre ausſprache faſt nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag. Über die ſucht, von der wir zuweilen Hochdeutſche und Niederländer befallen ſehen, ein gleichförmiges laut- ſyſtem aufzufinden und mit verletzung aller hiſtoriſchen rückſicht roh ins volk einzuführen, ſind daher Englän- der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher bedienen ſich zwar zur näheren beſtimmung verſchiede- ner lautverhältniſſe einer accentuation, welche aber dem gewöhnlichen leſer und ſchreiber ganz unbekannt blei- ben kann. Dieſe accente weichen von der ſonſtigen verwendung derſelben zeichen ab; mir bedeutete acu- tus den erſten, gravis den zweiten ton; engliſche gram- matiker ſetzen in gleichtonigen ſilben den acutus um kurzen, den gravis um langen laut eines vocals auszu- drücken, z. b. thíng, hánd, mìld, nàme, ſprich: thinng, hännd, meild, næm; in diphth. brauchen ſie beide mehr zu willkürlicher unterſcheidung. — Statt die menge von regeln und ausnahmen über ausſprache der engl. buchſtaben einzeln abzuhandeln und auf meine vorſtellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll- ſtändige bemerkungen über das wichtigſte genügen, wo- bei ich ohnehin auf die deutſchen oder ſächſ. beſtand- theile der ſprache eingeſchränkt bleibe.
Neuengliſche vocale.
Auch die neuengl. poeſie kennt nur ſtumpfe, keine klingende reime; wörter, deren vocal einfache conſo- nanz und flexions-e folgt, haben letzteres ſtumm, er- ſteren lang. Das heißt: die organ. länge und tonloſe flexion (came, venerunt; mìne, meus, angelſ. cæmon, mîn) ſteht mit der org. kürze und ſtummen flexion (name, nomen; angelſ. nama) gänzlich gleich. Ich werde
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0566"n="540"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">neuengliſche vocale.</hi></fw><lb/>
kônings zîde, ’k heb, dit ’s, d’ârde oder auch de ârde;<lb/>
die holländiſche poeſie bedient ſich der ſynalöphe un-<lb/>
gleich häufiger, als die heutige hochd. ſchwed. oder<lb/>
däniſche.</p></div></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#i">Neuengliſche buchſtaben.</hi></head><lb/><p>Die urſachen, welche einer einfachen orthographie<lb/>
aller heutigen ſprachen verderblich werden, nämlich<lb/>ſchwanken zwiſchen der alten ſchreibung und der neuen<lb/>
ausſprache, walten hier auf alle weiſe; ſo groß gewor-<lb/>
den iſt die verwirrung, daß man die wahre ausſprache<lb/>
faſt nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag.<lb/>
Über die ſucht, von der wir zuweilen Hochdeutſche<lb/>
und Niederländer befallen ſehen, ein gleichförmiges laut-<lb/>ſyſtem aufzufinden und mit verletzung aller hiſtoriſchen<lb/>
rückſicht roh ins volk einzuführen, ſind daher Englän-<lb/>
der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher<lb/>
bedienen ſich zwar zur näheren beſtimmung verſchiede-<lb/>
ner lautverhältniſſe einer accentuation, welche aber dem<lb/>
gewöhnlichen leſer und ſchreiber ganz unbekannt blei-<lb/>
ben kann. Dieſe accente weichen von der ſonſtigen<lb/>
verwendung derſelben zeichen ab; mir bedeutete acu-<lb/>
tus den erſten, gravis den zweiten <hirendition="#i">ton;</hi> engliſche gram-<lb/>
matiker ſetzen in gleichtonigen ſilben den acutus um<lb/>
kurzen, den gravis um langen <hirendition="#i">laut</hi> eines vocals auszu-<lb/>
drücken, z. b. thíng, hánd, mìld, nàme, ſprich: thinng,<lb/>
hännd, meild, næm; in diphth. brauchen ſie beide<lb/>
mehr zu willkürlicher unterſcheidung. — Statt die<lb/>
menge von regeln und ausnahmen über ausſprache der<lb/>
engl. buchſtaben einzeln abzuhandeln und auf meine<lb/>
vorſtellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll-<lb/>ſtändige bemerkungen über das wichtigſte genügen, wo-<lb/>
bei ich ohnehin auf die deutſchen oder ſächſ. beſtand-<lb/>
theile der ſprache eingeſchränkt bleibe.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#i">Neuengliſche vocale.</hi></head><lb/><p>Auch die neuengl. poeſie kennt nur ſtumpfe, keine<lb/>
klingende reime; wörter, deren vocal einfache conſo-<lb/>
nanz und flexions-e folgt, haben letzteres ſtumm, er-<lb/>ſteren lang. Das heißt: die organ. länge und tonloſe<lb/>
flexion (came, venerunt; mìne, meus, angelſ. cæmon,<lb/>
mîn) ſteht mit der org. kürze und ſtummen flexion<lb/>
(name, nomen; angelſ. nama) gänzlich gleich. Ich werde<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[540/0566]
I. neuengliſche vocale.
kônings zîde, ’k heb, dit ’s, d’ârde oder auch de ârde;
die holländiſche poeſie bedient ſich der ſynalöphe un-
gleich häufiger, als die heutige hochd. ſchwed. oder
däniſche.
Neuengliſche buchſtaben.
Die urſachen, welche einer einfachen orthographie
aller heutigen ſprachen verderblich werden, nämlich
ſchwanken zwiſchen der alten ſchreibung und der neuen
ausſprache, walten hier auf alle weiſe; ſo groß gewor-
den iſt die verwirrung, daß man die wahre ausſprache
faſt nur ungelehrt durch das gehör zu lernen vermag.
Über die ſucht, von der wir zuweilen Hochdeutſche
und Niederländer befallen ſehen, ein gleichförmiges laut-
ſyſtem aufzufinden und mit verletzung aller hiſtoriſchen
rückſicht roh ins volk einzuführen, ſind daher Englän-
der lange hinaus. Die grammatiken und wörterbücher
bedienen ſich zwar zur näheren beſtimmung verſchiede-
ner lautverhältniſſe einer accentuation, welche aber dem
gewöhnlichen leſer und ſchreiber ganz unbekannt blei-
ben kann. Dieſe accente weichen von der ſonſtigen
verwendung derſelben zeichen ab; mir bedeutete acu-
tus den erſten, gravis den zweiten ton; engliſche gram-
matiker ſetzen in gleichtonigen ſilben den acutus um
kurzen, den gravis um langen laut eines vocals auszu-
drücken, z. b. thíng, hánd, mìld, nàme, ſprich: thinng,
hännd, meild, næm; in diphth. brauchen ſie beide
mehr zu willkürlicher unterſcheidung. — Statt die
menge von regeln und ausnahmen über ausſprache der
engl. buchſtaben einzeln abzuhandeln und auf meine
vorſtellungsart zu beziehen, mögen hier einige unvoll-
ſtändige bemerkungen über das wichtigſte genügen, wo-
bei ich ohnehin auf die deutſchen oder ſächſ. beſtand-
theile der ſprache eingeſchränkt bleibe.
Neuengliſche vocale.
Auch die neuengl. poeſie kennt nur ſtumpfe, keine
klingende reime; wörter, deren vocal einfache conſo-
nanz und flexions-e folgt, haben letzteres ſtumm, er-
ſteren lang. Das heißt: die organ. länge und tonloſe
flexion (came, venerunt; mìne, meus, angelſ. cæmon,
mîn) ſteht mit der org. kürze und ſtummen flexion
(name, nomen; angelſ. nama) gänzlich gleich. Ich werde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/566>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.