Ohne dehnzeichen sollte geschrieben werden vaar, neer, boo, woen; man hat aber die unschickliche schreibung vaar, neer, goon, boo, woen angenommen, als läge auf dem zweiten vocal ein ton oder anderer laut, als auf dem ersten, da doch vaar etc. zn betonen wäre und überhaupt nicht zwischen beiden aa, ee etc., sondern erst nach ihnen der cons. wegfällt *). Verlangt dieser wegfall bezeichnung, so darf es keine andere seyn, als der apostroph: vaa'r, nee'r, boo' (va'r, ne'r, bo') woe'n. Zugleich lehren woen, bien, daß a, e, o in den übrigen fällen nicht erst durch die elision des d veranlaßt wird, es war schon in vader, nader, bode vorhanden, ob- gleich man vader, neder, bode zu schreiben pflegt. -- Umgekehrt drängt sich d nach l. n. r. ein, wenn die silbe er folgt, namentlich also im comparativus, pl. auf er, und in ableitungen, z. b. minder (minor) merder (ma- jor) helder (clarior) kleinder (minor) schonder (pulchrior) zekerder (certior) hoenderen (gallinae) benderen (ossa) dalder (thalerus) inwonder (incola) bestelder f. besteller etc.; einige dieser formen schwanken und man zieht wohl heute die weglaßung des d vor. Organische ursache hatte dieses d nur in den comp., wo ld, nd, rd die ge- mination ll, nn, rr (heller, minner, merre f. merer) ersetzte; hernach wurde es auf scheinbar ähnliche fälle erstreckt. -- Das verhältnis des s und z oben s. 496. an- gegeben, einige wörter haben auch anlautendes s. vor vocalen, namentlich sissen (sibilare) suizen (stridere) sul- len (labi, unterschieden von zullen, debere). Statt gans (totus) gilt gants, gansch (s. 496.) neben dans, glans etc. inlautend danssen, glanssen; statt des mittelnie- derl. ssc nunmehr sch; im anlaut schwankend sidderen und tsidderen (s. 497.). Sonderbar assem (spiritus) neben adem. --
(K. G. J. CH. H.) gutturales.
Diese lautreihe hat sich verglichen mit den voraus- gehenden mehr verändert, hauptsächlich dadurch daß gh völlig und damit ch großentheils abgestorben ist. Es heißt dag (dies) pl. dagen st. des mittelniederl. dach, daghen. Das s. 501. aufgestellte erste ch hört ohne zweifel auf und lautet allerwärts g; dadurch ist das an-
*) Dagegen lese ich irgendwo schaaauw (und nicht schaauw) f. schaduw (umbra); beßer schaa'uw, scha'uw; hier bleibt der tonlose flexionsvocal.
I. neuniederländiſche conſonanten. ling. gutt.
Ohne dehnzeichen ſollte geſchrieben werden vaar, neer, boo, woen; man hat aber die unſchickliche ſchreibung vaâr, neêr, goôn, boô, woên angenommen, als läge auf dem zweiten vocal ein ton oder anderer laut, als auf dem erſten, da doch váar etc. zn betonen wäre und überhaupt nicht zwiſchen beiden aa, ee etc., ſondern erſt nach ihnen der conſ. wegfällt *). Verlangt dieſer wegfall bezeichnung, ſo darf es keine andere ſeyn, als der apoſtroph: vaa’r, nee’r, boo’ (vâ’r, nê’r, bô’) woe’n. Zugleich lehren woen, bien, daß â, ê, ô in den übrigen fällen nicht erſt durch die eliſion des d veranlaßt wird, es war ſchon in vâder, nâder, bôde vorhanden, ob- gleich man vader, neder, bode zu ſchreiben pflegt. — Umgekehrt drängt ſich d nach l. n. r. ein, wenn die ſilbe er folgt, namentlich alſo im comparativus, pl. auf er, und in ableitungen, z. b. minder (minor) mêrder (ma- jor) helder (clarior) kleinder (minor) ſchônder (pulchrior) zêkerder (certior) hoenderen (gallinae) bênderen (oſſa) dâlder (thalerus) inwônder (incola) beſtelder f. beſteller etc.; einige dieſer formen ſchwanken und man zieht wohl heute die weglaßung des d vor. Organiſche urſache hatte dieſes d nur in den comp., wo ld, nd, rd die ge- mination ll, nn, rr (heller, minner, merre f. mêrer) erſetzte; hernach wurde es auf ſcheinbar ähnliche fälle erſtreckt. — Das verhältnis des ſ und z oben ſ. 496. an- gegeben, einige wörter haben auch anlautendes ſ. vor vocalen, namentlich ſiſſen (ſibilare) ſuizen (ſtridere) ſul- len (labi, unterſchieden von zullen, debere). Statt gans (totus) gilt gants, ganſch (ſ. 496.) neben dans, glans etc. inlautend danſſen, glanſſen; ſtatt des mittelnie- derl. ſſc nunmehr ſch; im anlaut ſchwankend ſidderen und tſidderen (ſ. 497.). Sonderbar âſſem (ſpiritus) neben âdem. —
(K. G. J. CH. H.) gutturales.
Dieſe lautreihe hat ſich verglichen mit den voraus- gehenden mehr verändert, hauptſächlich dadurch daß gh völlig und damit ch großentheils abgeſtorben iſt. Es heißt dâg (dies) pl. dâgen ſt. des mittelniederl. dach, daghen. Das ſ. 501. aufgeſtellte erſte ch hört ohne zweifel auf und lautet allerwärts g; dadurch iſt das an-
*) Dagegen leſe ich irgendwo ſchaaûw (und nicht ſchaâuw) f. ſchaduw (umbra); beßer ſchaa’uw, ſchâ’uw; hier bleibt der tonloſe flexionsvocal.
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vaâr, neêr, goôn, boô, woên angenommen, als läge auf
dem zweiten vocal ein ton oder anderer laut, als auf
dem erſten, da doch váar etc. zn betonen wäre und
überhaupt nicht zwiſchen beiden aa, ee etc., ſondern
erſt nach ihnen der conſ. wegfällt *). Verlangt dieſer
wegfall bezeichnung, ſo darf es keine andere ſeyn, als
der apoſtroph: vaa’r, nee’r, boo’ (vâ’r, nê’r, bô’) woe’n.
Zugleich lehren woen, bien, daß â, ê, ô in den übrigen
fällen nicht erſt durch die eliſion des d veranlaßt wird,
es war ſchon in vâder, nâder, bôde vorhanden, ob-
gleich man vader, neder, bode zu ſchreiben pflegt. —
Umgekehrt drängt ſich d nach l. n. r. ein, wenn die
ſilbe er folgt, namentlich alſo im comparativus, pl. auf
er, und in ableitungen, z. b. minder (minor) mêrder (ma-
jor) helder (clarior) kleinder (minor) ſchônder (pulchrior)
zêkerder (certior) hoenderen (gallinae) bênderen (oſſa)
dâlder (thalerus) inwônder (incola) beſtelder f. beſteller etc.;
einige dieſer formen ſchwanken und man zieht wohl
heute die weglaßung des d vor. Organiſche urſache
hatte dieſes d nur in den comp., wo ld, nd, rd die ge-
mination ll, nn, rr (heller, minner, merre f. mêrer)
erſetzte; hernach wurde es auf ſcheinbar ähnliche fälle
erſtreckt. — Das verhältnis des ſ und z oben ſ. 496. an-
gegeben, einige wörter haben auch anlautendes ſ. vor
vocalen, namentlich ſiſſen (ſibilare) ſuizen (ſtridere) ſul-
len (labi, unterſchieden von zullen, debere). Statt
gans (totus) gilt gants, ganſch (ſ. 496.) neben dans,
glans etc. inlautend danſſen, glanſſen; ſtatt des mittelnie-
derl. ſſc nunmehr ſch; im anlaut ſchwankend ſidderen
und tſidderen (ſ. 497.). Sonderbar âſſem (ſpiritus) neben
âdem. —
(K. G. J. CH. H.) gutturales.
Dieſe lautreihe hat ſich verglichen mit den voraus-
gehenden mehr verändert, hauptſächlich dadurch daß
gh völlig und damit ch großentheils abgeſtorben iſt.
Es heißt dâg (dies) pl. dâgen ſt. des mittelniederl. dach,
daghen. Das ſ. 501. aufgeſtellte erſte ch hört ohne
zweifel auf und lautet allerwärts g; dadurch iſt das an-
*) Dagegen leſe ich irgendwo ſchaaûw (und nicht ſchaâuw) f.
ſchaduw (umbra); beßer ſchaa’uw, ſchâ’uw; hier bleibt
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/564>, abgerufen am 22.11.2024.
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