Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. neuniederländische consonanten. liquid. lab.
honig (neben honing); stan hat im praet. stond, nicht
stoed. Das prosthetische n in narst findet, doch mehr
nach gemeiner volkssprache, andere seines gleichen, z. b.
narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den
arm erklärt, vgl. Bilderdijk gesl. der naamw. p. 208. --
Umsetzungen des r: borst (pectus) vorst (gelu) born ne-
ben bren (fons) dorschen (triturare) derde (tertius) nod-
druft (necessitas) wrochte (operabar) etc. Wechsel des r
und s: bes, ber, bezie (bacca); mes, mer (parus) vgl.
mit merula, obwohl mir die formen ber, mer, als wirk-
lich vorhandene niederl. bedenklich sind, so wie andere
zus. stellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. -- Der verbin-
dung mp. ist die sprache geneigt, vgl. klomp, plomp,
stomp, ramp (miseria) rimpel (ruga) dompelen (mergere)
mompelen murmurare) etc. ja sie bringt sie hervor, wenn
auf m. auslautende subst. durch -je verkleinert werden,
als bloempje (flosculus) wormpje (vermiculus) prampje
(navicula) ruimpje (spatiolum) etc. Gerade wie mpje er-
gibt sich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte
form -ltje, -ntje, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi-
dula) stentje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can-
tiuncula) zoentje (osculum) wagentje (curriculus) etc.,
zum begriff der diminution sind p und t unwesentlich,
wie auch aus schapje (ovicula) duifje (columba) u. a.,
wo das bloße j steht, erhellt. Die form -tje scheint
mir also unorganisch überwiegend, wenn sie auf andere
fälle, z. b. beietje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu-
lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bomtje
st. bloempje, bompje vorkommt. --

(P. B. F. V. W.) labiales.

In dieser lautreihe finde ich wenig anzumerken, was
nicht schon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe
nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p
und f; bei letzterm erscheinen wohl inconsequenzen.
Daß fam (fama) fali (palliolum, mittelh. feile) fest (festum)
geschrieben werde, begreift sich, nicht so, warum flauw
(debilis) frai (venustus)? da man doch vlieten (fluere)
vriezen (algere) und selbst vlam (flamma) setzt. -- Die
anlautenden wr gibt das wörterbuch; die inlautenden
ouw, auw, ieuw, euw, auw vgl. bei den vocalen, beide
erstere schwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend
beßer nieu, leu, flau. vrou? oder nieuw, leuw, flauw,
vrouw? gelte, ist bestreitbar; die neuste schreibung be-
günstigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus-
laute weduw, vidua; zenuw, nervus). -- Von den gemin,

I. neuniederländiſche conſonanten. liquid. lab.
hônig (neben hôning); ſtân hat im praet. ſtond, nicht
ſtoed. Das prosthetiſche n in nârſt findet, doch mehr
nach gemeiner volksſprache, andere ſeines gleichen, z. b.
narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den
arm erklärt, vgl. Bilderdijk geſl. der naamw. p. 208. —
Umſetzungen des r: borſt (pectus) vorſt (gelu) born ne-
ben bren (fons) dorſchen (triturare) derde (tertius) nôd-
druft (neceſſitas) wrochte (operabar) etc. Wechſel des r
und ſ: bês, bêr, bêzie (bacca); mês, mêr (parus) vgl.
mit mĕrula, obwohl mir die formen bêr, mêr, als wirk-
lich vorhandene niederl. bedenklich ſind, ſo wie andere
zuſ. ſtellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. — Der verbin-
dung mp. iſt die ſprache geneigt, vgl. klomp, plomp,
ſtomp, ramp (miſeria) rimpel (ruga) dompelen (mergere)
mompelen murmurare) etc. ja ſie bringt ſie hervor, wenn
auf m. auslautende ſubſt. durch -je verkleinert werden,
als bloempje (floſculus) wormpje (vermiculus) prâmpje
(navicula) ruimpje (ſpatiolum) etc. Gerade wie mpje er-
gibt ſich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte
form -ltje, -ntje, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi-
dula) ſtẻntje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can-
tiuncula) zoentje (oſculum) wagentje (curriculus) etc.,
zum begriff der diminution ſind p und t unweſentlich,
wie auch aus ſchâpje (ovicula) duifje (columba) u. a.,
wo das bloße j ſteht, erhellt. Die form -tje ſcheint
mir alſo unorganiſch überwiegend, wenn ſie auf andere
fälle, z. b. bîetje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu-
lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bômtje
ſt. bloempje, bômpje vorkommt. —

(P. B. F. V. W.) labiales.

In dieſer lautreihe finde ich wenig anzumerken, was
nicht ſchon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe
nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p
und f; bei letzterm erſcheinen wohl inconſequenzen.
Daß fâm (fama) fâli (palliolum, mittelh. feile) fêſt (feſtum)
geſchrieben werde, begreift ſich, nicht ſo, warum flâuw
(debilis) frâi (venuſtus)? da man doch vlieten (fluere)
vriezen (algere) und ſelbſt vlam (flamma) ſetzt. — Die
anlautenden wr gibt das wörterbuch; die inlautenden
ouw, ûw, ieuw, êuw, âuw vgl. bei den vocalen, beide
erſtere ſchwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend
beßer nieu, lêu, flâu. vrou? oder nieuw, lêuw, flâuw,
vrouw? gelte, iſt beſtreitbar; die neuſte ſchreibung be-
günſtigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus-
laute wêduw, vidua; zênuw, nervus). — Von den gemin,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0562" n="536"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">neuniederländi&#x017F;che con&#x017F;onanten. liquid. lab.</hi></fw><lb/>
hônig (neben hôning); &#x017F;tân hat im praet. &#x017F;tond, nicht<lb/>
&#x017F;toed. Das prostheti&#x017F;che n in nâr&#x017F;t findet, doch mehr<lb/>
nach gemeiner volks&#x017F;prache, andere &#x017F;eines gleichen, z. b.<lb/>
narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den<lb/>
arm erklärt, vgl. Bilderdijk ge&#x017F;l. der naamw. p. 208. &#x2014;<lb/>
Um&#x017F;etzungen des r: bor&#x017F;t (pectus) vor&#x017F;t (gelu) born ne-<lb/>
ben bren (fons) dor&#x017F;chen (triturare) derde (tertius) nôd-<lb/>
druft (nece&#x017F;&#x017F;itas) wrochte (operabar) etc. Wech&#x017F;el des r<lb/>
und &#x017F;: bês, bêr, bêzie (bacca); mês, mêr (parus) vgl.<lb/>
mit me&#x0306;rula, obwohl mir die formen bêr, mêr, als wirk-<lb/>
lich vorhandene niederl. bedenklich &#x017F;ind, &#x017F;o wie andere<lb/>
zu&#x017F;. &#x017F;tellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. &#x2014; Der verbin-<lb/>
dung <hi rendition="#i">mp</hi>. i&#x017F;t die &#x017F;prache geneigt, vgl. klomp, plomp,<lb/>
&#x017F;tomp, ramp (mi&#x017F;eria) rimpel (ruga) dompelen (mergere)<lb/>
mompelen murmurare) etc. ja &#x017F;ie bringt &#x017F;ie hervor, wenn<lb/>
auf m. auslautende &#x017F;ub&#x017F;t. durch -je verkleinert werden,<lb/>
als bloempje (flo&#x017F;culus) wormpje (vermiculus) prâmpje<lb/>
(navicula) ruimpje (&#x017F;patiolum) etc. Gerade wie <hi rendition="#i">mpje</hi> er-<lb/>
gibt &#x017F;ich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte<lb/>
form <hi rendition="#i">-ltje, -ntje</hi>, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi-<lb/>
dula) &#x017F;te&#x0309;ntje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can-<lb/>
tiuncula) zoentje (o&#x017F;culum) wagentje (curriculus) etc.,<lb/>
zum begriff der diminution &#x017F;ind p und t unwe&#x017F;entlich,<lb/>
wie auch aus &#x017F;châpje (ovicula) duifje (columba) u. a.,<lb/>
wo das bloße j &#x017F;teht, erhellt. Die form -tje &#x017F;cheint<lb/>
mir al&#x017F;o unorgani&#x017F;ch überwiegend, wenn &#x017F;ie auf andere<lb/>
fälle, z. b. bîetje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu-<lb/>
lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bômtje<lb/>
&#x017F;t. bloempje, bômpje vorkommt. &#x2014;</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>(P. B. F. V. W.) <hi rendition="#i">labiales.</hi></head><lb/>
              <p>In die&#x017F;er lautreihe finde ich wenig anzumerken, was<lb/>
nicht &#x017F;chon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe<lb/>
nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p<lb/>
und f; bei letzterm er&#x017F;cheinen wohl incon&#x017F;equenzen.<lb/>
Daß fâm (fama) fâli (palliolum, mittelh. feile) fê&#x017F;t (fe&#x017F;tum)<lb/>
ge&#x017F;chrieben werde, begreift &#x017F;ich, nicht &#x017F;o, warum flâuw<lb/>
(debilis) frâi (venu&#x017F;tus)? da man doch vlieten (fluere)<lb/>
vriezen (algere) und &#x017F;elb&#x017F;t vlam (flamma) &#x017F;etzt. &#x2014; Die<lb/>
anlautenden <hi rendition="#i">wr</hi> gibt das wörterbuch; die inlautenden<lb/>
ouw, ûw, ieuw, êuw, âuw vgl. bei den vocalen, beide<lb/>
er&#x017F;tere &#x017F;chwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend<lb/>
beßer nieu, lêu, flâu. vrou? oder nieuw, lêuw, flâuw,<lb/>
vrouw? gelte, i&#x017F;t be&#x017F;treitbar; die neu&#x017F;te &#x017F;chreibung be-<lb/>
gün&#x017F;tigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus-<lb/>
laute wêduw, vidua; zênuw, nervus). &#x2014; Von den gemin,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[536/0562] I. neuniederländiſche conſonanten. liquid. lab. hônig (neben hôning); ſtân hat im praet. ſtond, nicht ſtoed. Das prosthetiſche n in nârſt findet, doch mehr nach gemeiner volksſprache, andere ſeines gleichen, z. b. narm (brachium) welches Huyd. op St. 3, 105. aus: den arm erklärt, vgl. Bilderdijk geſl. der naamw. p. 208. — Umſetzungen des r: borſt (pectus) vorſt (gelu) born ne- ben bren (fons) dorſchen (triturare) derde (tertius) nôd- druft (neceſſitas) wrochte (operabar) etc. Wechſel des r und ſ: bês, bêr, bêzie (bacca); mês, mêr (parus) vgl. mit mĕrula, obwohl mir die formen bêr, mêr, als wirk- lich vorhandene niederl. bedenklich ſind, ſo wie andere zuſ. ſtellungen bei Bilderd. l. c. pag. 91. — Der verbin- dung mp. iſt die ſprache geneigt, vgl. klomp, plomp, ſtomp, ramp (miſeria) rimpel (ruga) dompelen (mergere) mompelen murmurare) etc. ja ſie bringt ſie hervor, wenn auf m. auslautende ſubſt. durch -je verkleinert werden, als bloempje (floſculus) wormpje (vermiculus) prâmpje (navicula) ruimpje (ſpatiolum) etc. Gerade wie mpje er- gibt ſich bei verkleinerung der auslaute l, n die beliebte form -ltje, -ntje, als vogeltje (avicula) muiltje (crepi- dula) ſtẻntje (lapillus) reintje (vulpecula) deuntje (can- tiuncula) zoentje (oſculum) wagentje (curriculus) etc., zum begriff der diminution ſind p und t unweſentlich, wie auch aus ſchâpje (ovicula) duifje (columba) u. a., wo das bloße j ſteht, erhellt. Die form -tje ſcheint mir alſo unorganiſch überwiegend, wenn ſie auf andere fälle, z. b. bîetje (apis) koetje (vaccula) ringetje (annu- lus) ansgedehnt wird und gar zuweilen bloemtje, bômtje ſt. bloempje, bômpje vorkommt. — (P. B. F. V. W.) labiales. In dieſer lautreihe finde ich wenig anzumerken, was nicht ſchon aus dem mittelniederl. folgt. Man prüfe nach den wörterbüchern die fremdheit der anlaute p und f; bei letzterm erſcheinen wohl inconſequenzen. Daß fâm (fama) fâli (palliolum, mittelh. feile) fêſt (feſtum) geſchrieben werde, begreift ſich, nicht ſo, warum flâuw (debilis) frâi (venuſtus)? da man doch vlieten (fluere) vriezen (algere) und ſelbſt vlam (flamma) ſetzt. — Die anlautenden wr gibt das wörterbuch; die inlautenden ouw, ûw, ieuw, êuw, âuw vgl. bei den vocalen, beide erſtere ſchwanken in einzelnen wörtern. Ob auslautend beßer nieu, lêu, flâu. vrou? oder nieuw, lêuw, flâuw, vrouw? gelte, iſt beſtreitbar; die neuſte ſchreibung be- günſtigt letzteres und wohl mit unrecht, (vgl. die aus- laute wêduw, vidua; zênuw, nervus). — Von den gemin,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/562
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/562>, abgerufen am 22.11.2024.