gel ein, daß nach voc. brev. u. liq. das folgende stumme e stets wegfällt, als hil (celo) nem (sumat) han (gallus) ber (ursus) statt hile, neme, hane, ber[e], alth. hilu, neme, hano, bero, imu, furi, aba. Diese apocopen lehren, wie sich erst die vocale a, o. u. i in das e schwächen und dieses zuletzt wegfällt. An- dere beispiele gibt die vergleichung des goth. blindana (coecum) blindata (coecum) mit dem alth. blindan, blindaß das alth. thara (eo) mit dem mittelh. dar (zuweilen dar) und die ganze sprachgeschichte un- zählige.
b) der auslautenden consonanten. Die berühmtesten beispiele sind der abstoß der kennzeichen des nom. s oder r, des infinitivischen -n, des t von der tertia pl., die verwandlung des alth. thar (ibi) in das mit- telh. da etc. meistentheils exoterischer natur. Doch finden sich auch esoterische, als das obgedachte zweic f. zwei, so im nord. va f. vag etc.
c) der ganzen letzten silbe, wohin wieder das abge- stoßene kennzeichen des nom. masc. und neutr. der adjective, guot f. guoter und guotaß. --
Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die zwischen zwei aufeinanderfolgenden wörtern stattfinden- den. Hiervon läßt sich begreiflicherweise noch weniger im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren spra- chen, wo uns fast keine gedichte zum maßstab dienen, da doch gerade das feinere ohr der poesie auszustoßen pflegt, was die prosa noch leidet. Die hauptsächlichsten arten sind:
1) wegwerfung zwischen zusammengesetzten wörtern *), und zwar gewöhnlich des auslauts von der ersten (vorne stehenden) wurzel, also ganz der apocope analog. So- wohl der vocal fällt aus z. b. geren (honorare) f. ge-
*) Man unterscheide zusammensetzung von der endung und namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde wurzel der eigentlichen wurzel (meistentheils hinten) angefügt wird und mit ihr verwächst. Zusammensetzung aber tritt ein, wenn sich vornen eine andere wurzel au- schließt. Hier sind in der regel beide wurzeln klar, bei der bildung verdunkelt sich die verwachsene zweite. Nur ausnahmsweise gehen zusammensetzungen in scheinbare bildungen über.
I. von den buchſtaben insgemein.
gel ein, daß nach voc. brev. u. liq. das folgende ſtumme e ſtets wegfällt, als hil (celo) nëm (ſumat) han (gallus) bër (urſus) ſtatt hile, nëme, hane, bër[e], alth. hilu, nëme, hano, bëro, imu, furi, aba. Dieſe apocopen lehren, wie ſich erſt die vocale a, o. u. i in das e ſchwächen und dieſes zuletzt wegfällt. An- dere beiſpiele gibt die vergleichung des goth. blindana (coecum) blindata (coecum) mit dem alth. blindan, blindaƷ das alth. thâra (eô) mit dem mittelh. dar (zuweilen dâr) und die ganze ſprachgeſchichte un- zählige.
b) der auslautenden conſonanten. Die berühmteſten beiſpiele ſind der abſtoß der kennzeichen des nom. s oder r, des infinitiviſchen -n, des t von der tertia pl., die verwandlung des alth. thâr (ibi) in das mit- telh. dâ etc. meiſtentheils exoteriſcher natur. Doch finden ſich auch eſoteriſche, als das obgedachte zwîc f. zwî, ſo im nord. vâ f. vag etc.
c) der ganzen letzten ſilbe, wohin wieder das abge- ſtoßene kennzeichen des nom. maſc. und neutr. der adjective, guot f. guotêr und guotaƷ. —
Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden- den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra- chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen, da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten arten ſind:
1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern *), und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So- wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge-
*) Man unterſcheide zuſammenſetzung von der endung und namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde wurzel der eigentlichen wurzel (meiſtentheils hinten) angefügt wird und mit ihr verwächſt. Zuſammenſetzung aber tritt ein, wenn ſich vornen eine andere wurzel au- ſchließt. Hier ſind in der regel beide wurzeln klar, bei der bildung verdunkelt ſich die verwachſene zweite. Nur ausnahmsweiſe gehen zuſammenſetzungen in ſcheinbare bildungen über.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><list><item><pbfacs="#f0056"n="30"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">von den buchſtaben insgemein.</hi></fw><lb/>
gel ein, daß nach voc. brev. u. liq. das folgende<lb/>ſtumme <hirendition="#i">e</hi>ſtets wegfällt, als hil (celo) nëm (ſumat)<lb/>
han (gallus) bër (urſus) ſtatt hile, nëme, hane, bër<supplied>e</supplied>,<lb/>
alth. hilu, nëme, hano, bëro, imu, furi, aba. Dieſe<lb/>
apocopen lehren, wie ſich erſt die vocale a, o. u. i<lb/>
in das e ſchwächen und dieſes zuletzt wegfällt. An-<lb/>
dere beiſpiele gibt die vergleichung des goth. blindana<lb/>
(coecum) blindata (coecum) mit dem alth. blindan,<lb/>
blindaƷ das alth. thâra (eô) mit dem mittelh. dar<lb/>
(zuweilen dâr) und die ganze ſprachgeſchichte un-<lb/>
zählige.</item><lb/><item>b) der auslautenden conſonanten. Die berühmteſten<lb/>
beiſpiele ſind der abſtoß der kennzeichen des nom. <hirendition="#i">s</hi><lb/>
oder <hirendition="#i">r</hi>, des infinitiviſchen <hirendition="#i">-n</hi>, des <hirendition="#i">t</hi> von der tertia<lb/>
pl., die verwandlung des alth. thâr (ibi) in das mit-<lb/>
telh. dâ etc. meiſtentheils exoteriſcher natur. Doch<lb/>
finden ſich auch eſoteriſche, als das obgedachte zwîc<lb/>
f. zwî, ſo im nord. vâ f. vag etc.</item><lb/><item>c) der ganzen letzten ſilbe, wohin wieder das abge-<lb/>ſtoßene kennzeichen des nom. maſc. und neutr. der<lb/>
adjective, guot f. guotêr und guotaƷ. —</item></list><lb/><p>Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die<lb/>
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden-<lb/>
den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger<lb/>
im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra-<lb/>
chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen,<lb/>
da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen<lb/>
pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten<lb/>
arten ſind:</p><lb/><p>1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern <noteplace="foot"n="*)">Man unterſcheide zuſammenſetzung von der endung und<lb/>
namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde<lb/>
wurzel der eigentlichen wurzel (meiſtentheils hinten)<lb/>
angefügt wird und mit ihr verwächſt. Zuſammenſetzung<lb/>
aber tritt ein, wenn ſich vornen eine andere wurzel au-<lb/>ſchließt. Hier ſind in der regel beide wurzeln klar, bei<lb/>
der bildung verdunkelt ſich die verwachſene zweite. Nur<lb/>
ausnahmsweiſe gehen zuſammenſetzungen in ſcheinbare<lb/>
bildungen über.</note>,<lb/>
und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne<lb/>ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So-<lb/>
wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[30/0056]
I. von den buchſtaben insgemein.
gel ein, daß nach voc. brev. u. liq. das folgende
ſtumme e ſtets wegfällt, als hil (celo) nëm (ſumat)
han (gallus) bër (urſus) ſtatt hile, nëme, hane, bëre,
alth. hilu, nëme, hano, bëro, imu, furi, aba. Dieſe
apocopen lehren, wie ſich erſt die vocale a, o. u. i
in das e ſchwächen und dieſes zuletzt wegfällt. An-
dere beiſpiele gibt die vergleichung des goth. blindana
(coecum) blindata (coecum) mit dem alth. blindan,
blindaƷ das alth. thâra (eô) mit dem mittelh. dar
(zuweilen dâr) und die ganze ſprachgeſchichte un-
zählige.
b) der auslautenden conſonanten. Die berühmteſten
beiſpiele ſind der abſtoß der kennzeichen des nom. s
oder r, des infinitiviſchen -n, des t von der tertia
pl., die verwandlung des alth. thâr (ibi) in das mit-
telh. dâ etc. meiſtentheils exoteriſcher natur. Doch
finden ſich auch eſoteriſche, als das obgedachte zwîc
f. zwî, ſo im nord. vâ f. vag etc.
c) der ganzen letzten ſilbe, wohin wieder das abge-
ſtoßene kennzeichen des nom. maſc. und neutr. der
adjective, guot f. guotêr und guotaƷ. —
Der zweite hauptfall aller wegwerfungen betrifft die
zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden wörtern ſtattfinden-
den. Hiervon läßt ſich begreiflicherweiſe noch weniger
im allgemeinen handeln, zumahl bei den älteren ſpra-
chen, wo uns faſt keine gedichte zum maßſtab dienen,
da doch gerade das feinere ohr der poëſie auszuſtoßen
pflegt, was die proſa noch leidet. Die hauptſächlichſten
arten ſind:
1) wegwerfung zwiſchen zuſammengeſetzten wörtern *),
und zwar gewöhnlich des auslauts von der erſten (vorne
ſtehenden) wurzel, alſo ganz der apocope analog. So-
wohl der vocal fällt aus z. b. gêren (honorare) f. ge-
*) Man unterſcheide zuſammenſetzung von der endung und
namentlich von der bildungsendung, wo eine fremde
wurzel der eigentlichen wurzel (meiſtentheils hinten)
angefügt wird und mit ihr verwächſt. Zuſammenſetzung
aber tritt ein, wenn ſich vornen eine andere wurzel au-
ſchließt. Hier ſind in der regel beide wurzeln klar, bei
der bildung verdunkelt ſich die verwachſene zweite. Nur
ausnahmsweiſe gehen zuſammenſetzungen in ſcheinbare
bildungen über.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/56>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.