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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. von den buchſtaben insgemein.
tät und veränderlichkeit der accentuation in verbindung
ſtehenden wegwerfen *) einzelner laute in wurzel und
endung. Jedes abwerfen und ausſtoßen einzelner oder
mehrerer buchſtaben und die dadurch verurſachte zu-
ſammendrängung der übrigbleibenden benimmt der an-
ſchaulichkeit der wurzeln und endungen, mindert folg-
lich das ſinnliche leben der ſprache. Der wohllaut mag
dadurch gewinnen, eben ſo häufig büßt er ein; über-
haupt muß man das fortſchreiten in zuſammenziehungen
eigentlich nicht aus einer bewußt gewordenen neigung
zum wohllaute noch aus einer wohl zuweilen vorhan-
denen gleichgültigkeit gegen eindringende mislante er-
klären wollen, ſondern vielmehr aus der unhemmbaren
hinrichtung der ſprache nach dem geiſtigen begriff, den
kürzung, zuſammenziehung und zuſammenſetzung der
wurzeln allerdings erhöhen.

Im einzelnen wird nun die bedeutung dieſer erſchei-
nungen für die hiſtoriſche grammatik ſehr von dem um-
ſtande abhängen, in wie weit ſie ſich bei einer und der-
ſelben mundart und zu gleicher zeit ereignen oder erſt
aus der vergleichung verſchiedener mundarten und zei-
ten zu ſchließen ſind. In erſtern ſchwebt noch die

*) Wie nach dem wegwerfen könnte man hier nach dem
einſchalten fragen; doch es gibt nur ein ſcheinbares ein-
ſchalten, darum weil man der ſprache nichts zu geben ver-
mag, ſondern bloß zu nehmen. Ausbildungen der wur-
zel ſind entfaltungen ihrer keime und entſproßenen bil-
dungen läßt ſich wiederum ſo wenig einſchieben, als der
wurzel ſelbſt. An vocaleinſchaltung wird niemand den-
ken. Unter den conſonanten möchte man j. g. v. und h.
für ſolche halten, die zuweilen eingefügt würden, wie
in ſpiwan (ſpuere) eigir (ova) aha (aqua); aber es ſteht
zu zeigen, daß ſie ſich aus vorhergehenden vocalen ent-
wickeln oder wegfallende erſetzen, und nirgends müßig,
dem wohllaut zu gefallen da ſind, der anſcheinende zuſtand
der uneinſchaltung alſo oft eine zuſammenziehung verräth.
Mit gleichem rechte dürfte man ſonſt das n anführen, das
ſich in biene, birne (früher bìa, bira) entfaltet; dieſes
ſelbe n waltet aber auch in ein, mîn, dìu, ſìn, zwêne,
ſwìn etc. (lat. unus, [εἴς] meus, tuus, bini, ſues nicht
auf gleicher reihe). In dem franzöſ. mon, ton, ſon (ital.
u. ſpan. mio etc.) finde ich germaniſchen einfluß; doch
alles dies gehört in die wortbildungslehre. Ebenſo kann
erſt bei erörterung der zuſammenſetzung unterſucht wer-
den, ob der ſpirant ſ. eingeſchaltet werde. Was man für
wirklichen zuſatz anerkennen muß, wird ſich als unor-
ganiſch ausweiſen, z. b. das t. in -ſchaft ſtatt -ſcaf.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/51>, abgerufen am 30.01.2025.