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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederländische vocale.
1, 113. ome (patrnelis:rome) 178. oem:droem; Rein.
318. hoerden:woerden. 333. worden:horden. Die re-
gel ließe sich nach dem maßstab der übrigen mundar-
ten leicht ausfinden, z. b. dem angelsächs., man schreibe
o für ea (mittelh. o, ou) also dot (mortuus) bot (obtu-
lit) rot (ruber) brot (panis) cos (elegit) los (liber) lof
(folium) stof (pulvis) rof (rapina) hoft (caput) verdoft
(insaniens) bom (arbor) lon (merces) -- aber oe für o
(mittelh. uo) also voet (pes) goet (bonum) bloet (san-
guis) groeten (salutare) voeden (alere) bloeme (flos) coene
(audax) vloer (pavimentum) swoer (juravit) etc. Hier-
nach ist obiges coes unrichtig und auch die von Clignet
(teut. LXVI.) beigebrachten hoenen, loenen, woenen
sind es ohne zweifel (schwerlich reimen sie irgendwo
auf coenen audacem, groenen viridem). Indessen ist
vielleicht der hochd. unterschied zwischen o und ou zu
berücksichtigen, insofern die ou ebenfalls oe seyn könn-
ten, folglich die formen oem, oep, oef, oec, oech, z. b.
boem, goeme (cura) hoepe (acervus) loef, roef, stoef,
hoeft, hoech (altus Rein. 290. 320.) vloech (volavit)
loech (mentiebatur) loec (clausit) oec (etiam); obgleich
ich ebenfalls in ihnen o vorziehen würde, weil es beßer
ist. daß die mittelh. o und ou in o zus. fallen, als die
mittelh. ou und uo in oe, und weil die anomale schrei-
bung auch bei den formen on, or, ot, od vorkommt,
wo sie vollends nicht zu vertheidigen ist. Auf das oe
werde ich unten zurückkommen, zum o bemerke ich
1) es gebührt den auslauten ho, vlo (fugit) stro (stra-
men) vro (laetus) also und den darauf reimenden frem-
den wörtern domino, pharao, fransio (Rein. 288. Maerl.
1, 81. 120.); man unterscheide davon die auslaute auf
oe. 2) ob sich o in o kürze? ist s. 471. verhandelt wor-
den; nimmt man in einigen fällen oe statt o als richtig
und auch bei ihm kürzung in o als möglich an, so
würden sich reime wie vote:grote rechtfertigen. Al-
lein ich zweifle, weil alsdann nahliegende reime wie
gronen, conen:honen, lonen häufiger vorkommen
müsten, auch spricht die fast allgemeine schreibung für
die beibeheltung des oe in groenen, goeden (etc. -- 3)
vor rt, rd gilt überall o statt o, als wort (verbum) vort
(ulterius) mort (homicidium) bort (margo) pl. worden
etc. wie die reime auf ghehort, verdort, horden, scor-
den (rumpebant) lehren, in welchen ein nothwendiges
o stattfindet. Statt der verbindung rm, rn ist mit ein-
geschobnem e -rem, -ren üblich, z. b. storem, koren,

I. mittelniederländiſche vocale.
1, 113. ome (patrnelis:rome) 178. oem:droem; Rein.
318. hoerden:woerden. 333. wôrden:hôrden. Die re-
gel ließe ſich nach dem maßſtab der übrigen mundar-
ten leicht ausfinden, z. b. dem angelſächſ., man ſchreibe
ô für eá (mittelh. ô, ou) alſo dôt (mortuus) bôt (obtu-
lit) rôt (ruber) brôt (panis) côs (elegit) lôs (liber) lôf
(folium) ſtôf (pulvis) rôf (rapina) hôft (caput) verdôft
(inſaniens) bôm (arbor) lôn (merces) — aber oe für ô
(mittelh. uo) alſo voet (pes) goet (bonum) bloet (ſan-
guis) groeten (ſalutare) voeden (alere) bloeme (flos) coene
(audax) vloer (pavimentum) ſwoer (juravit) etc. Hier-
nach iſt obiges coes unrichtig und auch die von Clignet
(teut. LXVI.) beigebrachten hoenen, loenen, woenen
ſind es ohne zweifel (ſchwerlich reimen ſie irgendwo
auf coenen audacem, groenen viridem). Indeſſen iſt
vielleicht der hochd. unterſchied zwiſchen ô und ou zu
berückſichtigen, inſofern die ou ebenfalls oe ſeyn könn-
ten, folglich die formen oem, oep, oef, oec, oech, z. b.
boem, goeme (cura) hoepe (acervus) loef, roef, ſtoef,
hoeft, hoech (altus Rein. 290. 320.) vloech (volavit)
loech (mentiebatur) loec (clauſit) oec (etiam); obgleich
ich ebenfalls in ihnen ô vorziehen würde, weil es beßer
iſt. daß die mittelh. ô und ou in ô zuſ. fallen, als die
mittelh. ou und uo in oe, und weil die anomale ſchrei-
bung auch bei den formen ôn, ôr, ôt, ôd vorkommt,
wo ſie vollends nicht zu vertheidigen iſt. Auf das oe
werde ich unten zurückkommen, zum ô bemerke ich
1) es gebührt den auslauten hô, vlô (fugit) ſtrô (ſtra-
men) vrô (laetus) alſô und den darauf reimenden frem-
den wörtern dominô, pharaô, franſiô (Rein. 288. Maerl.
1, 81. 120.); man unterſcheide davon die auslaute auf
oe. 2) ob ſich ô in o kürze? iſt ſ. 471. verhandelt wor-
den; nimmt man in einigen fällen oe ſtatt ô als richtig
und auch bei ihm kürzung in o als möglich an, ſo
würden ſich reime wie vote:grote rechtfertigen. Al-
lein ich zweifle, weil alsdann nahliegende reime wie
gronen, conen:honen, lonen häufiger vorkommen
müſten, auch ſpricht die faſt allgemeine ſchreibung für
die beibeheltung des oe in groenen, goeden (etc. — 3)
vor rt, rd gilt überall ô ſtatt o, als wôrt (verbum) vôrt
(ulterius) môrt (homicidium) bôrt (margo) pl. wôrden
etc. wie die reime auf ghehôrt, verdôrt, hôrden, ſcôr-
den (rumpebant) lehren, in welchen ein nothwendiges
ô ſtattfindet. Statt der verbindung rm, rn iſt mit ein-
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[476/0502] I. mittelniederländiſche vocale. 1, 113. ome (patrnelis:rome) 178. oem:droem; Rein. 318. hoerden:woerden. 333. wôrden:hôrden. Die re- gel ließe ſich nach dem maßſtab der übrigen mundar- ten leicht ausfinden, z. b. dem angelſächſ., man ſchreibe ô für eá (mittelh. ô, ou) alſo dôt (mortuus) bôt (obtu- lit) rôt (ruber) brôt (panis) côs (elegit) lôs (liber) lôf (folium) ſtôf (pulvis) rôf (rapina) hôft (caput) verdôft (inſaniens) bôm (arbor) lôn (merces) — aber oe für ô (mittelh. uo) alſo voet (pes) goet (bonum) bloet (ſan- guis) groeten (ſalutare) voeden (alere) bloeme (flos) coene (audax) vloer (pavimentum) ſwoer (juravit) etc. Hier- nach iſt obiges coes unrichtig und auch die von Clignet (teut. LXVI.) beigebrachten hoenen, loenen, woenen ſind es ohne zweifel (ſchwerlich reimen ſie irgendwo auf coenen audacem, groenen viridem). Indeſſen iſt vielleicht der hochd. unterſchied zwiſchen ô und ou zu berückſichtigen, inſofern die ou ebenfalls oe ſeyn könn- ten, folglich die formen oem, oep, oef, oec, oech, z. b. boem, goeme (cura) hoepe (acervus) loef, roef, ſtoef, hoeft, hoech (altus Rein. 290. 320.) vloech (volavit) loech (mentiebatur) loec (clauſit) oec (etiam); obgleich ich ebenfalls in ihnen ô vorziehen würde, weil es beßer iſt. daß die mittelh. ô und ou in ô zuſ. fallen, als die mittelh. ou und uo in oe, und weil die anomale ſchrei- bung auch bei den formen ôn, ôr, ôt, ôd vorkommt, wo ſie vollends nicht zu vertheidigen iſt. Auf das oe werde ich unten zurückkommen, zum ô bemerke ich 1) es gebührt den auslauten hô, vlô (fugit) ſtrô (ſtra- men) vrô (laetus) alſô und den darauf reimenden frem- den wörtern dominô, pharaô, franſiô (Rein. 288. Maerl. 1, 81. 120.); man unterſcheide davon die auslaute auf oe. 2) ob ſich ô in o kürze? iſt ſ. 471. verhandelt wor- den; nimmt man in einigen fällen oe ſtatt ô als richtig und auch bei ihm kürzung in o als möglich an, ſo würden ſich reime wie vote:grote rechtfertigen. Al- lein ich zweifle, weil alsdann nahliegende reime wie gronen, conen:honen, lonen häufiger vorkommen müſten, auch ſpricht die faſt allgemeine ſchreibung für die beibeheltung des oe in groenen, goeden (etc. — 3) vor rt, rd gilt überall ô ſtatt o, als wôrt (verbum) vôrt (ulterius) môrt (homicidium) bôrt (margo) pl. wôrden etc. wie die reime auf ghehôrt, verdôrt, hôrden, ſcôr- den (rumpebant) lehren, in welchen ein nothwendiges ô ſtattfindet. Statt der verbindung rm, rn iſt mit ein- geſchobnem e -rem, -ren üblich, z. b. ſtorem, koren,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/502>, abgerufen am 28.07.2024.