22c 26c 28a 31b 48c 49a 70a 79b; kraft:nacht Herb. 52a. Ist dieses ft : cht wie das mittelh. ft : ht (s. 443.) anzu- sehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen, folglich stichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15b 52b steht braudlocht:ontocht, gracht (fossa):gedracht; bei Herb. 94b graft (fossa):kraft und selbst bei Bruns 89. delhafte: achte, gandersh. 153a nicht:schrift, 169a kreften:vechten.
Mittelniederländische buchstaben.
Mittelniederländische mundart nenne ich die wäh- rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland blühende; sie verdient zwar den namen einer nieder- deutschen so gut als die sächs. und westphälische. womit sie auch in den meisten grundzügen übereinstimmt, wird aber in der grammatik vortheilhaft gesondert 1) weil sie reinlichere und reichlichere quellen besitzt, (von 1270 an bis 1350 erscheint das wichtigste;) vieles liegt ungedruckt, eine übersicht in Hoffmanns bonner bruchst. Otfrieds XV-XX. 2) weil sie einzelne berührungen theils mit dem hochd. theils mit dem friesischen zeigt und sich dadurch von dem westphäl und zumahl niedersächs. ab- scheidet. Auf diese verschiedenheiten werde ich es in der buchstabenlehre vorzüglich absehen. Die ausgaben Maerlants und Melis Stokes sind zwar sorgfältig nach den hss., aber ohnc ausreichende grammatische sprach- critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch hier die beachtung der reime. Längeres studium wird manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als bloße ansicht aufstelle.
Mittelniederländische vocale.
Die untersuchung wird dadurch erleichtert und be- stätigt, daß die meisten hss. wenn auch schwankend den laugen (gedehnten) vocal doppelt schreiben: ee, ii, oo, uu, wofür ich der übereinstimmung mit den vori- gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich- nung, e, ei, o, au gebrauche, für a gilt ae.
(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund- arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant (dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver- schiedene theils einschränkung theils erweiterung. 1) die sprache duldet kein a vor lt. ld, also kein -alt -ald, sondern löst diese in -out, oud auf, vgl. wout (silva) out (vetus) houden (tenere) sout (sal). Diese regel ist prac-
I. mittelniederländiſche vocale.
22c 26c 28a 31b 48c 49a 70a 79b; kraft:nacht Herb. 52a. Iſt dieſes ft : cht wie das mittelh. ft : ht (ſ. 443.) anzu- ſehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen, folglich ſtichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15b 52b ſteht brûdlocht:ontocht, gracht (foſſa):gedracht; bei Herb. 94b graft (foſſa):kraft und ſelbſt bei Bruns 89. dêlhafte: achte, gandersh. 153a nicht:ſchrift, 169a kreften:vëchten.
Mittelniederländiſche buchſtaben.
Mittelniederländiſche mundart nenne ich die wäh- rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland blühende; ſie verdient zwar den namen einer nieder- deutſchen ſo gut als die ſächſ. und weſtphäliſche. womit ſie auch in den meiſten grundzügen übereinſtimmt, wird aber in der grammatik vortheilhaft geſondert 1) weil ſie reinlichere und reichlichere quellen beſitzt, (von 1270 an bis 1350 erſcheint das wichtigſte;) vieles liegt ungedruckt, eine überſicht in Hoffmanns bonner bruchſt. Otfrieds XV-XX. 2) weil ſie einzelne berührungen theils mit dem hochd. theils mit dem frieſiſchen zeigt und ſich dadurch von dem weſtphäl und zumahl niederſächſ. ab- ſcheidet. Auf dieſe verſchiedenheiten werde ich es in der buchſtabenlehre vorzüglich abſehen. Die ausgaben Maerlants und Melis Stokes ſind zwar ſorgfältig nach den hſſ., aber ohnc ausreichende grammatiſche ſprach- critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch hier die beachtung der reime. Längeres ſtudium wird manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als bloße anſicht aufſtelle.
Mittelniederländiſche vocale.
Die unterſuchung wird dadurch erleichtert und be- ſtätigt, daß die meiſten hſſ. wenn auch ſchwankend den laugen (gedehnten) vocal doppelt ſchreiben: ee, ii, oo, uu, wofür ich der übereinſtimmung mit den vori- gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich- nung, ê, î, ô, û gebrauche, für â gilt ae.
(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund- arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant (dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver- ſchiedene theils einſchränkung theils erweiterung. 1) die ſprache duldet kein a vor lt. ld, alſo kein -alt -ald, ſondern löſt dieſe in -out, oud auf, vgl. wout (ſilva) out (vetus) houden (tenere) ſout (ſal). Dieſe regel iſt prac-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0492"n="466"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">mittelniederländiſche vocale.</hi></fw><lb/>
22<hirendition="#sup">c</hi> 26<hirendition="#sup">c</hi> 28<hirendition="#sup">a</hi> 31<hirendition="#sup">b</hi> 48<hirendition="#sup">c</hi> 49<hirendition="#sup">a</hi> 70<hirendition="#sup">a</hi> 79<hirendition="#sup">b</hi>; kraft:nacht Herb. 52<hirendition="#sup">a</hi>.<lb/>
Iſt dieſes ft : cht wie das mittelh. ft : ht (ſ. 443.) anzu-<lb/>ſehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen,<lb/>
folglich ſtichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15<hirendition="#sup">b</hi> 52<hirendition="#sup">b</hi>ſteht<lb/>
brûdlocht:ontocht, gracht (foſſa):gedracht; bei Herb.<lb/>
94<hirendition="#sup">b</hi> graft (foſſa):kraft und ſelbſt bei Bruns 89. dêlhafte:<lb/>
achte, gandersh. 153<hirendition="#sup">a</hi> nicht:ſchrift, 169<hirendition="#sup">a</hi> kreften:vëchten.</p></div></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#i">Mittelniederländiſche buchſtaben.</hi></head><lb/><p>Mittelniederländiſche mundart nenne ich die wäh-<lb/>
rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland<lb/>
blühende; ſie verdient zwar den namen einer nieder-<lb/>
deutſchen ſo gut als die ſächſ. und weſtphäliſche. womit<lb/>ſie auch in den meiſten grundzügen übereinſtimmt, wird<lb/>
aber in der grammatik vortheilhaft geſondert 1) weil ſie<lb/>
reinlichere und reichlichere quellen beſitzt, (von 1270 an<lb/>
bis 1350 erſcheint das wichtigſte;) vieles liegt ungedruckt,<lb/>
eine überſicht in Hoffmanns bonner bruchſt. Otfrieds<lb/>
XV-XX. 2) weil ſie einzelne berührungen theils mit<lb/>
dem hochd. theils mit dem frieſiſchen zeigt und ſich<lb/>
dadurch von dem weſtphäl und zumahl niederſächſ. ab-<lb/>ſcheidet. Auf dieſe verſchiedenheiten werde ich es in<lb/>
der buchſtabenlehre vorzüglich abſehen. Die ausgaben<lb/>
Maerlants und Melis Stokes ſind zwar ſorgfältig nach<lb/>
den hſſ., aber ohnc ausreichende grammatiſche ſprach-<lb/>
critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch<lb/>
hier die beachtung der reime. Längeres ſtudium wird<lb/>
manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als<lb/>
bloße anſicht aufſtelle.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#i">Mittelniederländiſche vocale.</hi></head><lb/><p>Die unterſuchung wird dadurch erleichtert und be-<lb/>ſtätigt, daß die meiſten hſſ. wenn auch ſchwankend den<lb/>
laugen (gedehnten) vocal doppelt ſchreiben: ee, ii,<lb/>
oo, uu, wofür ich der übereinſtimmung mit den vori-<lb/>
gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich-<lb/>
nung, ê, î, ô, û gebrauche, für â gilt ae.</p><lb/><p>(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund-<lb/>
arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant<lb/>
(dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver-<lb/>ſchiedene theils einſchränkung theils erweiterung. 1) die<lb/>ſprache duldet kein a vor <hirendition="#i">lt</hi>. <hirendition="#i">ld</hi>, alſo kein -alt -ald,<lb/>ſondern löſt dieſe in <hirendition="#i">-out, oud</hi> auf, vgl. wout (ſilva) out<lb/>
(vetus) houden (tenere) ſout (ſal). Dieſe regel iſt prac-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[466/0492]
I. mittelniederländiſche vocale.
22c 26c 28a 31b 48c 49a 70a 79b; kraft:nacht Herb. 52a.
Iſt dieſes ft : cht wie das mittelh. ft : ht (ſ. 443.) anzu-
ſehen oder verwandlung des ft in cht anzunehmen,
folglich ſtichte, dorchte, kracht, hacht? En. 15b 52b ſteht
brûdlocht:ontocht, gracht (foſſa):gedracht; bei Herb.
94b graft (foſſa):kraft und ſelbſt bei Bruns 89. dêlhafte:
achte, gandersh. 153a nicht:ſchrift, 169a kreften:vëchten.
Mittelniederländiſche buchſtaben.
Mittelniederländiſche mundart nenne ich die wäh-
rend des 13. 14. jahrh. in brabant, flandern und holland
blühende; ſie verdient zwar den namen einer nieder-
deutſchen ſo gut als die ſächſ. und weſtphäliſche. womit
ſie auch in den meiſten grundzügen übereinſtimmt, wird
aber in der grammatik vortheilhaft geſondert 1) weil ſie
reinlichere und reichlichere quellen beſitzt, (von 1270 an
bis 1350 erſcheint das wichtigſte;) vieles liegt ungedruckt,
eine überſicht in Hoffmanns bonner bruchſt. Otfrieds
XV-XX. 2) weil ſie einzelne berührungen theils mit
dem hochd. theils mit dem frieſiſchen zeigt und ſich
dadurch von dem weſtphäl und zumahl niederſächſ. ab-
ſcheidet. Auf dieſe verſchiedenheiten werde ich es in
der buchſtabenlehre vorzüglich abſehen. Die ausgaben
Maerlants und Melis Stokes ſind zwar ſorgfältig nach
den hſſ., aber ohnc ausreichende grammatiſche ſprach-
critik gefertigt worden; richtigere lesart gewährt auch
hier die beachtung der reime. Längeres ſtudium wird
manches von dem berichtigen, was ich vorläufig oft als
bloße anſicht aufſtelle.
Mittelniederländiſche vocale.
Die unterſuchung wird dadurch erleichtert und be-
ſtätigt, daß die meiſten hſſ. wenn auch ſchwankend den
laugen (gedehnten) vocal doppelt ſchreiben: ee, ii,
oo, uu, wofür ich der übereinſtimmung mit den vori-
gen mundarten wegen die gleichbedeutende bezeich-
nung, ê, î, ô, û gebrauche, für â gilt ae.
(A) in der regel dem kurzen a der übrigen mund-
arten gleich, als dach, daghes (dies) name (nomen) tant
(dens) lanc (longus) cracht (vis) etc. erfährt aber ver-
ſchiedene theils einſchränkung theils erweiterung. 1) die
ſprache duldet kein a vor lt. ld, alſo kein -alt -ald,
ſondern löſt dieſe in -out, oud auf, vgl. wout (ſilva) out
(vetus) houden (tenere) ſout (ſal). Dieſe regel iſt prac-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/492>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.