Herb. 37a; spern:nern, wern En. 84c 87c; werken: merken En. 12c 43a 71c Herb. 1b 12c 87b:sterken En. 43b 88a livl. chron. 52a; vechte:geslechte Herb. 51d; krechten (viribus):vechten, gandersh. 169a lesten:kesten Bruns 53. Wenn nun in diesen belegen keine bloße reimnoth, sondern wirkliche vermengung der e, e und i waltet, welcher laut siegte alsdann? sprach man die e wie e aus oder die e wie e? Im mittelh. s. 334. vermu- thete ich beides; hier scheint mir der e laut allgemei- ner zu gelten, weil offenbare e sich mit dem noch i geschriebenen e verbinden (senden:winden etc.) im niederländ. sogar selbst zu i werden (ingel f. engel, scinken f. schenken). In den obigen beispielen würde man also enseve, negele, rede etc. schreiben können, welches ich zu weiterer prüfung aufstelle. Vorläufig be- halte ich die unterscheidung e und e nach ihrem ur- sprung bei.
(I) wie eben ausgeführt, beschränkter, als im mit- telh.; ja es fragt sich: ob nicht durchall e dafür zu setzen ist? Auf die hochd. schreiber, welche ihr i ein- schwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim menne (amor) godenne (dea) senne (sensus) mit kenne (nosco) verbindet, wird man auch senne, menne, godenne schreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog ist die verdrängung des u durch o. Wenigstens wüste ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewissen fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. sybille, camille nur auf wille, stille, nie auf phelle, geselle, heHe etc. reimt. Er scheint folglich i vor ll mehr zu hegen, als vor nn. -- Zuweilen nähert sich das ursprüng- liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten i, ü, ö wechseln, vgl. kinde:sünde (gandersh. 151a) müschen:twischen, plücken:schicken (Mor. 50a. b.).
(O) gleich dem e ausgedehnter, als im mittelh. und in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b. worven (mittelh. wurben) dornein (spineus) goldin (au- reus). Beweisend sind reime wie son:gewon Herb. 111d; dor (porta): vor En. 19b; hold:scold En. 16c 17a wolde:scolde (culpam) En. 1a etc.; bogen (arcubus): vlogen (volabant) En. 89b; mochte (valuit): dochte (vi- debatur) En. 3a 34b 35c 48c 78c Herb. 17d; dochte:on- tochte (dedecoris) En. 33a; mochte:dochte (profuit) En. 2[1]a; mochte:tochte (traxit) Herb. 33b 46b; mochten: vlochten (fugere) En. 89c; gorde (cinxit):borde En. 13c
I. mittelniederdeutſche vocale.
Herb. 37a; ſpërn:nern, wern En. 84c 87c; wërken: merken En. 12c 43a 71c Herb. 1b 12c 87b:ſterken En. 43b 88a livl. chron. 52a; vëchte:geſlechte Herb. 51d; krechten (viribus):vëchten, gandersh. 169a leſten:këſten Bruns 53. Wenn nun in dieſen belegen keine bloße reimnoth, ſondern wirkliche vermengung der e, ë und i waltet, welcher laut ſiegte alsdann? ſprach man die ë wie e aus oder die e wie ë? Im mittelh. ſ. 334. vermu- thete ich beides; hier ſcheint mir der ë laut allgemei- ner zu gelten, weil offenbare e ſich mit dem noch i geſchriebenen ë verbinden (ſenden:winden etc.) im niederländ. ſogar ſelbſt zu i werden (ingel f. engel, ſcinken f. ſchenken). In den obigen beiſpielen würde man alſo enſëve, nëgele, rëde etc. ſchreiben können, welches ich zu weiterer prüfung aufſtelle. Vorläufig be- halte ich die unterſcheidung e und ë nach ihrem ur- ſprung bei.
(I) wie eben ausgeführt, beſchränkter, als im mit- telh.; ja es fragt ſich: ob nicht durchall ë dafür zu ſetzen iſt? Auf die hochd. ſchreiber, welche ihr i ein- ſchwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim mënne (amor) godënne (dea) ſënne (ſenſus) mit kënne (noſco) verbindet, wird man auch ſënne, mënne, godënne ſchreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog iſt die verdrängung des u durch o. Wenigſtens wüſte ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewiſſen fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. ſybille, camille nur auf wille, ſtille, nie auf phëlle, geſelle, heHe etc. reimt. Er ſcheint folglich i vor ll mehr zu hegen, als vor nn. — Zuweilen nähert ſich das urſprüng- liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten i, ü, ö wechſeln, vgl. kinde:ſünde (gandersh. 151a) müſchen:twiſchen, plücken:ſchicken (Mor. 50a. b.).
(O) gleich dem ë ausgedehnter, als im mittelh. und in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b. worven (mittelh. wurben) dornîn (ſpineus) goldìn (au- reus). Beweiſend ſind reime wie ſon:gewon Herb. 111d; dor (porta): vor En. 19b; hold:ſcold En. 16c 17a wolde:ſcolde (culpam) En. 1a etc.; bogen (arcubus): vlogen (volabant) En. 89b; mochte (valuit): dochte (vi- debatur) En. 3a 34b 35c 48c 78c Herb. 17d; dochte:on- tochte (dedecoris) En. 33a; mochte:dochte (profuit) En. 2[1]a; mochte:tochte (traxit) Herb. 33b 46b; mochten: vlochten (fugere) En. 89c; gorde (cinxit):borde En. 13c
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0483"n="457"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">mittelniederdeutſche vocale.</hi></fw><lb/>
Herb. 37<hirendition="#sup">a</hi>; ſpërn:nern, wern En. 84<hirendition="#sup">c</hi> 87<hirendition="#sup">c</hi>; wërken:<lb/>
merken En. 12<hirendition="#sup">c</hi> 43<hirendition="#sup">a</hi> 71<hirendition="#sup">c</hi> Herb. 1<hirendition="#sup">b</hi> 12<hirendition="#sup">c</hi> 87<hirendition="#sup">b</hi>:ſterken En.<lb/>
43<hirendition="#sup">b</hi> 88<hirendition="#sup">a</hi> livl. chron. 52<hirendition="#sup">a</hi>; vëchte:geſlechte Herb. 51<hirendition="#sup">d</hi>;<lb/>
krechten (viribus):vëchten, gandersh. 169<hirendition="#sup">a</hi> leſten:këſten<lb/>
Bruns 53. Wenn nun in dieſen belegen keine bloße<lb/>
reimnoth, ſondern wirkliche vermengung der e, ë und<lb/>
i waltet, welcher laut ſiegte alsdann? ſprach man die ë<lb/>
wie e aus oder die e wie ë? Im mittelh. ſ. 334. vermu-<lb/>
thete ich beides; hier ſcheint mir der ë laut allgemei-<lb/>
ner zu gelten, weil offenbare e ſich mit dem noch i<lb/>
geſchriebenen ë verbinden (ſenden:winden etc.) im<lb/>
niederländ. ſogar ſelbſt zu i werden (ingel f. engel,<lb/>ſcinken f. ſchenken). In den obigen beiſpielen würde<lb/>
man alſo enſëve, nëgele, rëde etc. ſchreiben können,<lb/>
welches ich zu weiterer prüfung aufſtelle. Vorläufig be-<lb/>
halte ich die unterſcheidung e und ë nach ihrem ur-<lb/>ſprung bei.</p><lb/><p>(I) wie eben ausgeführt, beſchränkter, als im mit-<lb/>
telh.; ja es fragt ſich: ob nicht durchall ë dafür zu<lb/>ſetzen iſt? Auf die hochd. ſchreiber, welche ihr i ein-<lb/>ſchwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim mënne<lb/>
(amor) godënne (dea) ſënne (ſenſus) mit kënne (noſco)<lb/>
verbindet, wird man auch ſënne, mënne, godënne<lb/>ſchreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog<lb/>
iſt die verdrängung des u durch o. Wenigſtens wüſte<lb/>
ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewiſſen<lb/>
fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. ſybille,<lb/>
camille nur auf wille, ſtille, nie auf phëlle, geſelle,<lb/>
heHe etc. reimt. Er ſcheint folglich i vor ll mehr zu<lb/>
hegen, als vor nn. — Zuweilen nähert ſich das urſprüng-<lb/>
liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten<lb/>
i, ü, ö wechſeln, vgl. kinde:ſünde (gandersh. 151<hirendition="#sup">a</hi>)<lb/>
müſchen:twiſchen, plücken:ſchicken (Mor. 50<hirendition="#sup">a. b.</hi>).</p><lb/><p>(O) gleich dem ë ausgedehnter, als im mittelh. und<lb/>
in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b.<lb/>
worven (mittelh. wurben) dornîn (ſpineus) goldìn (au-<lb/>
reus). Beweiſend ſind reime wie ſon:gewon Herb.<lb/>
111<hirendition="#sup">d</hi>; dor (porta): vor En. 19<hirendition="#sup">b</hi>; hold:ſcold En. 16<hirendition="#sup">c</hi> 17<hirendition="#sup">a</hi><lb/>
wolde:ſcolde (culpam) En. 1<hirendition="#sup">a</hi> etc.; bogen (arcubus):<lb/>
vlogen (volabant) En. 89<hirendition="#sup">b</hi>; mochte (valuit): dochte (vi-<lb/>
debatur) En. 3<hirendition="#sup">a</hi> 34<hirendition="#sup">b</hi> 35<hirendition="#sup">c</hi> 48<hirendition="#sup">c</hi> 78<hirendition="#sup">c</hi> Herb. 17<hirendition="#sup">d</hi>; dochte:on-<lb/>
tochte (dedecoris) En. 33<hirendition="#sup">a</hi>; mochte:dochte (profuit)<lb/>
En. 2<supplied>1</supplied><hirendition="#sup">a</hi>; mochte:tochte (traxit) Herb. 33<hirendition="#sup">b</hi> 46<hirendition="#sup">b</hi>; mochten:<lb/>
vlochten (fugere) En. 89<hirendition="#sup">c</hi>; gorde (cinxit):borde En. 13<hirendition="#sup">c</hi><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[457/0483]
I. mittelniederdeutſche vocale.
Herb. 37a; ſpërn:nern, wern En. 84c 87c; wërken:
merken En. 12c 43a 71c Herb. 1b 12c 87b:ſterken En.
43b 88a livl. chron. 52a; vëchte:geſlechte Herb. 51d;
krechten (viribus):vëchten, gandersh. 169a leſten:këſten
Bruns 53. Wenn nun in dieſen belegen keine bloße
reimnoth, ſondern wirkliche vermengung der e, ë und
i waltet, welcher laut ſiegte alsdann? ſprach man die ë
wie e aus oder die e wie ë? Im mittelh. ſ. 334. vermu-
thete ich beides; hier ſcheint mir der ë laut allgemei-
ner zu gelten, weil offenbare e ſich mit dem noch i
geſchriebenen ë verbinden (ſenden:winden etc.) im
niederländ. ſogar ſelbſt zu i werden (ingel f. engel,
ſcinken f. ſchenken). In den obigen beiſpielen würde
man alſo enſëve, nëgele, rëde etc. ſchreiben können,
welches ich zu weiterer prüfung aufſtelle. Vorläufig be-
halte ich die unterſcheidung e und ë nach ihrem ur-
ſprung bei.
(I) wie eben ausgeführt, beſchränkter, als im mit-
telh.; ja es fragt ſich: ob nicht durchall ë dafür zu
ſetzen iſt? Auf die hochd. ſchreiber, welche ihr i ein-
ſchwärzen, wäre nichts zu geben; da der reim mënne
(amor) godënne (dea) ſënne (ſenſus) mit kënne (noſco)
verbindet, wird man auch ſënne, mënne, godënne
ſchreiben dürfen, wenn kein reim dazu nöthigt. Analog
iſt die verdrängung des u durch o. Wenigſtens wüſte
ich keine regel zu entwickeln, die das i und u gewiſſen
fällen vorbehielte, leugne aber nicht, daß Veld. ſybille,
camille nur auf wille, ſtille, nie auf phëlle, geſelle,
heHe etc. reimt. Er ſcheint folglich i vor ll mehr zu
hegen, als vor nn. — Zuweilen nähert ſich das urſprüng-
liche i dem ü, wie noch in heutigen volksmundarten
i, ü, ö wechſeln, vgl. kinde:ſünde (gandersh. 151a)
müſchen:twiſchen, plücken:ſchicken (Mor. 50a. b.).
(O) gleich dem ë ausgedehnter, als im mittelh. und
in wörtern üblich, wo letzteres noch u behauptet, z. b.
worven (mittelh. wurben) dornîn (ſpineus) goldìn (au-
reus). Beweiſend ſind reime wie ſon:gewon Herb.
111d; dor (porta): vor En. 19b; hold:ſcold En. 16c 17a
wolde:ſcolde (culpam) En. 1a etc.; bogen (arcubus):
vlogen (volabant) En. 89b; mochte (valuit): dochte (vi-
debatur) En. 3a 34b 35c 48c 78c Herb. 17d; dochte:on-
tochte (dedecoris) En. 33a; mochte:dochte (profuit)
En. 21a; mochte:tochte (traxit) Herb. 33b 46b; mochten:
vlochten (fugere) En. 89c; gorde (cinxit):borde En. 13c
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/483>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.