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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelniederdeutsche buchstaben.
daß in niederd. dichtern des 13. jahrh. die zurückfüh-
rung auf ein angeblich niederd. original schwieriger oder
vollends unthunlich wäre. Solche sind namentlich Her-
bort von fritzlar, der im ersten zehntel des 13. jahrh.
einen troj. krieg (c. pal. 368.) dichtete und schon seinem
wohnorte nach (in hessen, zwischen westphalen und
thüringen) manche niederd. sprachform erwarten läßt;
dann der gefühlvolle minnesänger Heinr. v. morunge
(in engern, unweit göttingen?) späterhin Wizlau (aus
rügen in pommern) und einige andere. Thüringische,
meisnische dichter des 13. und beginuenden 14. jahrh.
werden nicht ganz ohne ausbeute für die mittelniederd.
mundart laßen; es sind ihrer weder viele noch bedeu-
tende (Heinr. von meisen, der die glosse zum gebet des
Herrn dichtete, fällt mit dem meisnaere oder mit Frauen-
lob zusammen?). Mehr aufschlüße dürfte aber das lied
von den haimonskindern und malagis (c. pal. 340.) ver-
muthlich in rheinisch- westphäl. dialect abgefaßt, ge-
währen. Bediene ich mich in der nachfolgenden aus-
einandersetzung der mitteln. laute veldeckischer reime,
so geben sie keinen vollen beweis, sondern nur wahr-
scheinlichkeit (noch mehr gilt das von reimen aus ro-
ther, karl); reime aus Herb. und andern genau reimen-
den dichtern des 13. jahrh. beweisen aber wirklich und
ihre einstimmung bestätigt.

Mittelniederdeutsche vocale.

(A) wie das mittelh. kurze a *) und in e umlautend.
Unorg. entwickelt es sich als rückuml. in den schw.
praet. larde, karäe von leren, keren, nie in dem ana-
logen fall von meren, seren, eren, Aus Rother ist karde
unerweislich, wiewohl es die hs. außer reim 9a 25b 26a etc.
und im reim 26b karde:horden hat, so daß allerwärts
kerde stehn dürfte. Auch En. 24b 36b karde außer reim,
dagegen keret, eret, leret, kerte:erte im reim 17c 18a
41a 58c etc.; Herb. reimt 38b verkart:bart, 1b 60a ge-
kart:gelart, 3c karde:swarde, 44c:harde 59b karde:
basthadre (spurii) 9d undare (oben s. 340.): widerkare
(reditus) und gandersh. 164a harde:karde Bruns 57
karden:sparden. Unter den mittelh. dichtern ver-

*) Daß in der pfälz. hs. des Herb. häufig au statt a vor g
(nicht statt a) stehet, z. b. klauge, waugen, zauge f.
klage, wagen, zage, bürde ich dem abschreiber auf, nicht
dem vf.

I. mittelniederdeutſche buchſtaben.
daß in niederd. dichtern des 13. jahrh. die zurückfüh-
rung auf ein angeblich niederd. original ſchwieriger oder
vollends unthunlich wäre. Solche ſind namentlich Her-
bort von fritzlar, der im erſten zehntel des 13. jahrh.
einen troj. krieg (c. pal. 368.) dichtete und ſchon ſeinem
wohnorte nach (in heſſen, zwiſchen weſtphalen und
thüringen) manche niederd. ſprachform erwarten läßt;
dann der gefühlvolle minneſänger Heinr. v. morunge
(in engern, unweit göttingen?) ſpäterhin Wizlau (aus
rügen in pommern) und einige andere. Thüringiſche,
meiſniſche dichter des 13. und beginuenden 14. jahrh.
werden nicht ganz ohne ausbeute für die mittelniederd.
mundart laßen; es ſind ihrer weder viele noch bedeu-
tende (Heinr. von mîſen, der die gloſſe zum gebet des
Herrn dichtete, fällt mit dem mîſnære oder mit Frauen-
lob zuſammen?). Mehr aufſchlüße dürfte aber das lied
von den haimonskindern und malagis (c. pal. 340.) ver-
muthlich in rheiniſch- weſtphäl. dialect abgefaßt, ge-
währen. Bediene ich mich in der nachfolgenden aus-
einanderſetzung der mitteln. laute veldeckiſcher reime,
ſo geben ſie keinen vollen beweis, ſondern nur wahr-
ſcheinlichkeit (noch mehr gilt das von reimen aus ro-
ther, karl); reime aus Herb. und andern genau reimen-
den dichtern des 13. jahrh. beweiſen aber wirklich und
ihre einſtimmung beſtätigt.

Mittelniederdeutſche vocale.

(A) wie das mittelh. kurze a *) und in e umlautend.
Unorg. entwickelt es ſich als rückuml. in den ſchw.
praet. larde, karäe von lêren, kêren, nie in dem ana-
logen fall von mêren, ſêren, êren, Aus Rother iſt karde
unerweiſlich, wiewohl es die hſ. außer reim 9a 25b 26a etc.
und im reim 26b karde:hôrden hat, ſo daß allerwärts
kêrde ſtehn dürfte. Auch En. 24b 36b karde außer reim,
dagegen kêret, êret, lêret, kêrte:êrte im reim 17c 18a
41a 58c etc.; Herb. reimt 38b verkart:bart, 1b 60a ge-
kart:gelart, 3c karde:ſwarde, 44c:harde 59b karde:
baſthadre (ſpurii) 9d undâre (oben ſ. 340.): widerkâre
(reditus) und gandersh. 164a harde:karde Bruns 57
karden:ſparden. Unter den mittelh. dichtern ver-

*) Daß in der pfälz. hſ. des Herb. häufig au ſtatt a vor g
(nicht ſtatt â) ſtehet, z. b. klauge, waugen, zauge f.
klage, wagen, zage, bürde ich dem abſchreiber auf, nicht
dem vf.
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[455/0481] I. mittelniederdeutſche buchſtaben. daß in niederd. dichtern des 13. jahrh. die zurückfüh- rung auf ein angeblich niederd. original ſchwieriger oder vollends unthunlich wäre. Solche ſind namentlich Her- bort von fritzlar, der im erſten zehntel des 13. jahrh. einen troj. krieg (c. pal. 368.) dichtete und ſchon ſeinem wohnorte nach (in heſſen, zwiſchen weſtphalen und thüringen) manche niederd. ſprachform erwarten läßt; dann der gefühlvolle minneſänger Heinr. v. morunge (in engern, unweit göttingen?) ſpäterhin Wizlau (aus rügen in pommern) und einige andere. Thüringiſche, meiſniſche dichter des 13. und beginuenden 14. jahrh. werden nicht ganz ohne ausbeute für die mittelniederd. mundart laßen; es ſind ihrer weder viele noch bedeu- tende (Heinr. von mîſen, der die gloſſe zum gebet des Herrn dichtete, fällt mit dem mîſnære oder mit Frauen- lob zuſammen?). Mehr aufſchlüße dürfte aber das lied von den haimonskindern und malagis (c. pal. 340.) ver- muthlich in rheiniſch- weſtphäl. dialect abgefaßt, ge- währen. Bediene ich mich in der nachfolgenden aus- einanderſetzung der mitteln. laute veldeckiſcher reime, ſo geben ſie keinen vollen beweis, ſondern nur wahr- ſcheinlichkeit (noch mehr gilt das von reimen aus ro- ther, karl); reime aus Herb. und andern genau reimen- den dichtern des 13. jahrh. beweiſen aber wirklich und ihre einſtimmung beſtätigt. Mittelniederdeutſche vocale. (A) wie das mittelh. kurze a *) und in e umlautend. Unorg. entwickelt es ſich als rückuml. in den ſchw. praet. larde, karäe von lêren, kêren, nie in dem ana- logen fall von mêren, ſêren, êren, Aus Rother iſt karde unerweiſlich, wiewohl es die hſ. außer reim 9a 25b 26a etc. und im reim 26b karde:hôrden hat, ſo daß allerwärts kêrde ſtehn dürfte. Auch En. 24b 36b karde außer reim, dagegen kêret, êret, lêret, kêrte:êrte im reim 17c 18a 41a 58c etc.; Herb. reimt 38b verkart:bart, 1b 60a ge- kart:gelart, 3c karde:ſwarde, 44c:harde 59b karde: baſthadre (ſpurii) 9d undâre (oben ſ. 340.): widerkâre (reditus) und gandersh. 164a harde:karde Bruns 57 karden:ſparden. Unter den mittelh. dichtern ver- *) Daß in der pfälz. hſ. des Herb. häufig au ſtatt a vor g (nicht ſtatt â) ſtehet, z. b. klauge, waugen, zauge f. klage, wagen, zage, bürde ich dem abſchreiber auf, nicht dem vf.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/481>, abgerufen am 22.11.2024.