Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.I. mittelhochdeutsche buchstaben. schlußbem. langer; wage:genade; herbergen:werden (Flore 3b29c 27a) selbe:velde (M. S. 2, 81b). Solcher reime freizusprechen sind Gotfr. Hartm. Conr. (legen:bege- ben Iw. 12c in bewegen zu beßern, pflegen:ge- geben fr. 4[ - 1 Zeichen fehlt]a macht die autorschaft Conrads an diesem gedicht noch verdächtiger s. Lachm. ausw. X.) und andere rein reimende dichter ihrer zeit. Man muß nur von frühern anomalen reimen spätere regelfeste reime unterscheiden, die auf buchstabenanomalie be- ruhen. Beiderlei art ist oft in denselben wörtern ganz anders auszulegen. Auch Wernher hätte oeheim:stein gebunden, wie er wirklich heime:reine (Mar. 120.) bindet; bei ihm ist es reimanomalie, das hein:stein der späteren (vgl. oben s. 38[5]. 386.) aber wirkliche sprachanomalie geworden; dort würde es unrichtig seyn hein und hier unrichtig heim zu schreiben, ne- ben dem fruheren künic:frümic scheint kein späteres frünic zu erweisen, weil n nur auslautend für m gilt. Jene reime zwischen b. d. g. mögen nun auch zu der mittelh. auswerfbarkeit der inlautenden b. d. g. (s. 396. 410. 426.) bei folgendem t hauptsächlich beigetragen *) haben; analoge verkürzungen vor n (s. 426) sind nicht durchgesetzt worden. Und gerade ältere dichter, wie Wolfr. die sich des anomalen reims bedienen können (pfliget:gibet), meiden die syncope (pfleit:geit), außer wo sie, wie in keit, chit (Mar. 14. sogar chiut, ? chuit, chweit) länger hergebracht war. Überhaupt sind der- gleichen syncopen alle nur für einzelne wörter herge- bracht, und nicht auf analoge zu erstrecken; b wird lediglich in gibt (geit) ausgestoßen, nicht in wibt, noch weniger lebt, hebt, grebt; g in pfligt und ligt (pfleit, leit) nicht in sigt, wigt, negt, slegt; d in qui- det, gesmidet, schadet, meidet, kleidet (keit, gesmit, schat, meit, kleit) nicht in ledet, redet etc. Verlänge- rung des wurzelvocals scheint nicht nothwendige folge (s. 410.). Mit der syncope des g ist seine auflösung in j und i (oben s. 426.) nicht einerlei, doch ver- wandt; auch hier stehen den formen treit, leit etc. andere unauflösbare regt, bewegt etc. zur seite. Aus der verwandtschaft zwischen g und d muß aber die auffallende kürzung von redet, redete in reit, reite (Parc. 140b Nib. 210. 2919.) erläutert werden; Conr. *) Der grund waren sie nicht, da auch ten. und asp. weg-
fallen, wie t und 3 (s. 409. 415.). I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem. langer; wâge:genâde; herbërgen:wërden (Flore 3b29c 27a) ſëlbe:vëlde (M. S. 2, 81b). Solcher reime freizuſprechen ſind Gotfr. Hartm. Conr. (legen:begë- ben Iw. 12c in bewegen zu beßern, pflëgen:ge- gëben fr. 4[ – 1 Zeichen fehlt]a macht die autorſchaft Conrads an dieſem gedicht noch verdächtiger ſ. Lachm. ausw. X.) und andere rein reimende dichter ihrer zeit. Man muß nur von frühern anomalen reimen ſpätere regelfeſte reime unterſcheiden, die auf buchſtabenanomalie be- ruhen. Beiderlei art iſt oft in denſelben wörtern ganz anders auszulegen. Auch Wernher hätte œheim:ſtein gebunden, wie er wirklich heime:reine (Mar. 120.) bindet; bei ihm iſt es reimanomalie, das hein:ſtein der ſpäteren (vgl. oben ſ. 38[5]. 386.) aber wirkliche ſprachanomalie geworden; dort würde es unrichtig ſeyn hein und hier unrichtig heim zu ſchreiben, ne- ben dem fruheren künic:frümic ſcheint kein ſpäteres frünic zu erweiſen, weil n nur auslautend für m gilt. Jene reime zwiſchen b. d. g. mögen nun auch zu der mittelh. auswerfbarkeit der inlautenden b. d. g. (ſ. 396. 410. 426.) bei folgendem t hauptſächlich beigetragen *) haben; analoge verkürzungen vor n (ſ. 426) ſind nicht durchgeſetzt worden. Und gerade ältere dichter, wie Wolfr. die ſich des anomalen reims bedienen können (pfliget:gibet), meiden die ſyncope (pflît:gît), außer wo ſie, wie in kît, chìt (Mar. 14. ſogar chiut, ? chuit, chwît) länger hergebracht war. Überhaupt ſind der- gleichen ſyncopen alle nur für einzelne wörter herge- bracht, und nicht auf analoge zu erſtrecken; b wird lediglich in gibt (gît) ausgeſtoßen, nicht in wibt, noch weniger lëbt, hebt, grebt; g in pfligt und ligt (pflît, lît) nicht in ſigt, wigt, negt, ſlegt; d in qui- det, geſmidet, ſchadet, mîdet, kleidet (kît, geſmit, ſchat, mît, kleit) nicht in ledet, redet etc. Verlänge- rung des wurzelvocals ſcheint nicht nothwendige folge (ſ. 410.). Mit der ſyncope des g iſt ſeine auflöſung in j und i (oben ſ. 426.) nicht einerlei, doch ver- wandt; auch hier ſtehen den formen treit, leit etc. andere unauflöſbare regt, bewegt etc. zur ſeite. Aus der verwandtſchaft zwiſchen g und d muß aber die auffallende kürzung von redet, redete in reit, reite (Parc. 140b Nib. 210. 2919.) erläutert werden; Conr. *) Der grund waren ſie nicht, da auch ten. und aſp. weg-
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I. mittelhochdeutſche buchſtaben. ſchlußbem.
langer; wâge:genâde; herbërgen:wërden (Flore 3b
29c 27a) ſëlbe:vëlde (M. S. 2, 81b). Solcher reime
freizuſprechen ſind Gotfr. Hartm. Conr. (legen:begë-
ben Iw. 12c in bewegen zu beßern, pflëgen:ge-
gëben fr. 4_a macht die autorſchaft Conrads an dieſem
gedicht noch verdächtiger ſ. Lachm. ausw. X.) und
andere rein reimende dichter ihrer zeit. Man muß
nur von frühern anomalen reimen ſpätere regelfeſte
reime unterſcheiden, die auf buchſtabenanomalie be-
ruhen. Beiderlei art iſt oft in denſelben wörtern ganz
anders auszulegen. Auch Wernher hätte œheim:ſtein
gebunden, wie er wirklich heime:reine (Mar. 120.)
bindet; bei ihm iſt es reimanomalie, das hein:ſtein
der ſpäteren (vgl. oben ſ. 385. 386.) aber wirkliche
ſprachanomalie geworden; dort würde es unrichtig
ſeyn hein und hier unrichtig heim zu ſchreiben, ne-
ben dem fruheren künic:frümic ſcheint kein ſpäteres
frünic zu erweiſen, weil n nur auslautend für m gilt.
Jene reime zwiſchen b. d. g. mögen nun auch zu der
mittelh. auswerfbarkeit der inlautenden b. d. g. (ſ. 396.
410. 426.) bei folgendem t hauptſächlich beigetragen *)
haben; analoge verkürzungen vor n (ſ. 426) ſind nicht
durchgeſetzt worden. Und gerade ältere dichter, wie
Wolfr. die ſich des anomalen reims bedienen können
(pfliget:gibet), meiden die ſyncope (pflît:gît), außer
wo ſie, wie in kît, chìt (Mar. 14. ſogar chiut, ? chuit,
chwît) länger hergebracht war. Überhaupt ſind der-
gleichen ſyncopen alle nur für einzelne wörter herge-
bracht, und nicht auf analoge zu erſtrecken; b wird
lediglich in gibt (gît) ausgeſtoßen, nicht in wibt,
noch weniger lëbt, hebt, grebt; g in pfligt und ligt
(pflît, lît) nicht in ſigt, wigt, negt, ſlegt; d in qui-
det, geſmidet, ſchadet, mîdet, kleidet (kît, geſmit,
ſchat, mît, kleit) nicht in ledet, redet etc. Verlänge-
rung des wurzelvocals ſcheint nicht nothwendige folge
(ſ. 410.). Mit der ſyncope des g iſt ſeine auflöſung
in j und i (oben ſ. 426.) nicht einerlei, doch ver-
wandt; auch hier ſtehen den formen treit, leit etc.
andere unauflöſbare regt, bewegt etc. zur ſeite. Aus
der verwandtſchaft zwiſchen g und d muß aber die
auffallende kürzung von redet, redete in reit, reite
(Parc. 140b Nib. 210. 2919.) erläutert werden; Conr.
*) Der grund waren ſie nicht, da auch ten. und aſp. weg-
fallen, wie t und 3 (ſ. 409. 415.).
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