Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. mittelhochdeutsche consonanten. gutturales.
rihte (Flore 42c 48b Iw. 26b) erschrihte : rihte (kolocz
395. 399.) getruht:genuht (mus. 1, 66. Wo zwei solcher
ht zus. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder
Wilh. 2, 177a denn namentlich Wolfr. scheint des fal-
schen ht (für cht sowohl als ct) gänzlich frei zu seyn.
Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein
organ. ht dabei ist) könnte man auch die schreibung cht
für beide wörter (z. b. gestracht:gemacht) gelten laßen;
doch ziehe ich ht vor. -- ht für gt ist sehr selten, aber
bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144c) und Walth.
pfliht:niht (M. S. 1, 102a) vielleicht ungenauer reim,
und ligt, pfligt zu lesen, denn anderemahl findet sich
auch giht:streit (Parc. 121c): weit (Flore 23a); geit und
neit f. giht, niht schienen gewagt. --

gutturalgemination. (CCH. CK.) cch haben die äl-
teren hss. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.)
ecche (s. gall. Nib.) etc. noch seltner kch, rokch (Parc.
111b) und da der laut nichts anders ist, als gem. des
inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec-
chen (excitare) trechen (trahere) trecchen (contrahi) so
scheint diese schreibung angemeßen. Vorzüglicher aber
das übliche ck (z. b. im s. gall. Parc.) theils weil dafür
auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut)
die ten. geblieben seyn könnte; vielleicht galt provin-
ziell die aussprache cch. in der regel ganz die des neuh.
ck, wozu kommt, daß sich vor t und im auslant ck
vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes,
blic,) welches sich so beßer erklärt. Ich schreibe durch-
gehends ck; tadel verdient 1) die schreibung eines einf.
k (z. b. eke a. Tit. 2. und im giess. Iw. brüke, rüke etc.
merkwürdig gerade in wörtern, denen organisch gg
statt ck gebührte). 2) die sehr verbreitete schreibung
ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue-
tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu
wachet (vigilat) stimmt *). Hier die wichtigsten beisp.
des ck: sacke (sacco) nacke (collo) smacke (olfactu)
klacke (fragore) snacke (meisterg. 12b) bracke (canis) bei
einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106b)

*) Manche hss. setzen ch. in sechserlei fällen: 1) für ch
(schein. biechen. dach) 2) für ch = h (sach, vidit) 3) für
k (chan. valche. blich) 4) für ck (diche) 5) für k = g
(lach, pflach) 6) für gg (rüche. eche). Die vier letzten
fälle sind tadelhaft oder bedenklich, die beiden ersten
richtig.

I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales.
rihte (Flore 42c 48b Iw. 26b) erſchrihte : rihte (kolocz
395. 399.) getruht:genuht (muſ. 1, 66. Wo zwei ſolcher
ht zuſ. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder
Wilh. 2, 177a denn namentlich Wolfr. ſcheint des fal-
ſchen ht (für cht ſowohl als ct) gänzlich frei zu ſeyn.
Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein
organ. ht dabei iſt) könnte man auch die ſchreibung cht
für beide wörter (z. b. geſtracht:gemacht) gelten laßen;
doch ziehe ich ht vor. — ht für gt iſt ſehr ſelten, aber
bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144c) und Walth.
pfliht:niht (M. S. 1, 102a) vielleicht ungenauer reim,
und ligt, pfligt zu leſen, denn anderemahl findet ſich
auch giht:ſtrît (Parc. 121c): wît (Flore 23a); gît und
nît f. giht, niht ſchienen gewagt. —

gutturalgemination. (CCH. CK.) cch haben die äl-
teren hſſ. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.)
ecche (ſ. gall. Nib.) etc. noch ſeltner kch, rokch (Parc.
111b) und da der laut nichts anders iſt, als gem. des
inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec-
chen (excitare) trëchen (trahere) trecchen (contrahi) ſo
ſcheint dieſe ſchreibung angemeßen. Vorzüglicher aber
das übliche ck (z. b. im ſ. gall. Parc.) theils weil dafür
auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut)
die ten. geblieben ſeyn könnte; vielleicht galt provin-
ziell die ausſprache cch. in der regel ganz die des neuh.
ck, wozu kommt, daß ſich vor t und im auslant ck
vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes,
blic,) welches ſich ſo beßer erklärt. Ich ſchreibe durch-
gehends ck; tadel verdient 1) die ſchreibung eines einf.
k (z. b. eke a. Tit. 2. und im gieſſ. Iw. brüke, rüke etc.
merkwürdig gerade in wörtern, denen organiſch gg
ſtatt ck gebührte). 2) die ſehr verbreitete ſchreibung
ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue-
tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu
wachet (vigilat) ſtimmt *). Hier die wichtigſten beiſp.
des ck: ſacke (ſacco) nacke (collo) ſmacke (olfactu)
klacke (fragore) ſnacke (meiſterg. 12b) bracke (canis) bei
einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106b)

*) Manche hſſ. ſetzen ch. in ſechſerlei fällen: 1) für ch
(ſchîn. biëchen. dach) 2) für ch = h (ſach, vidit) 3) für
k (chan. valche. blich) 4) für ck (diche) 5) für k = g
(lach, pflach) 6) für gg (rüche. eche). Die vier letzten
fälle ſind tadelhaft oder bedenklich, die beiden erſten
richtig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0466" n="440"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">mittelhochdeut&#x017F;che con&#x017F;onanten. gutturales.</hi></fw><lb/>
rihte (Flore 42<hi rendition="#sup">c</hi> 48<hi rendition="#sup">b</hi> Iw. 26<hi rendition="#sup">b</hi>) <hi rendition="#i">er&#x017F;chrihte</hi> : rihte (kolocz<lb/>
395. 399.) <hi rendition="#i">getruht</hi>:genuht (mu&#x017F;. 1, 66. Wo zwei &#x017F;olcher<lb/>
ht zu&#x017F;. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder<lb/>
Wilh. 2, 177<hi rendition="#sup">a</hi> denn namentlich Wolfr. &#x017F;cheint des fal-<lb/>
&#x017F;chen ht (für cht &#x017F;owohl als ct) gänzlich frei zu &#x017F;eyn.<lb/>
Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein<lb/>
organ. ht dabei i&#x017F;t) könnte man auch die &#x017F;chreibung cht<lb/>
für beide wörter (z. b. ge&#x017F;tracht:gemacht) gelten laßen;<lb/>
doch ziehe ich ht vor. &#x2014; <hi rendition="#i">ht</hi> für <hi rendition="#i">gt</hi> i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;elten, aber<lb/>
bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144<hi rendition="#sup">c</hi>) und Walth.<lb/>
pfliht:niht (M. S. 1, 102<hi rendition="#sup">a</hi>) vielleicht ungenauer reim,<lb/>
und ligt, pfligt zu le&#x017F;en, denn anderemahl findet &#x017F;ich<lb/>
auch giht:&#x017F;trît (Parc. 121<hi rendition="#sup">c</hi>): wît (Flore 23<hi rendition="#sup">a</hi>); gît und<lb/>
nît f. giht, niht &#x017F;chienen gewagt. &#x2014;</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">gutturalgemination.</hi> (CCH. CK.) cch haben die äl-<lb/>
teren h&#x017F;&#x017F;. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.)<lb/>
ecche (&#x017F;. gall. Nib.) etc. noch &#x017F;eltner kch, rokch (Parc.<lb/>
111<hi rendition="#sup">b</hi>) und da der laut nichts anders i&#x017F;t, als gem. des<lb/>
inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec-<lb/>
chen (excitare) trëchen (trahere) trecchen (contrahi) &#x017F;o<lb/>
&#x017F;cheint die&#x017F;e &#x017F;chreibung angemeßen. Vorzüglicher aber<lb/>
das übliche ck (z. b. im &#x017F;. gall. Parc.) theils weil dafür<lb/>
auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut)<lb/>
die ten. geblieben &#x017F;eyn könnte; vielleicht galt provin-<lb/>
ziell die aus&#x017F;prache cch. in der regel ganz die des neuh.<lb/>
ck, wozu kommt, daß &#x017F;ich vor t und im auslant ck<lb/>
vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes,<lb/>
blic,) welches &#x017F;ich &#x017F;o beßer erklärt. Ich &#x017F;chreibe durch-<lb/>
gehends ck; tadel verdient 1) die &#x017F;chreibung eines einf.<lb/>
k (z. b. eke a. Tit. 2. und im gie&#x017F;&#x017F;. Iw. brüke, rüke etc.<lb/>
merkwürdig gerade in wörtern, denen organi&#x017F;ch gg<lb/>
&#x017F;tatt ck gebührte). 2) die &#x017F;ehr verbreitete &#x017F;chreibung<lb/>
ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue-<lb/>
tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu<lb/>
wachet (vigilat) &#x017F;timmt <note place="foot" n="*)">Manche h&#x017F;&#x017F;. &#x017F;etzen ch. in &#x017F;ech&#x017F;erlei fällen: 1) für ch<lb/>
(&#x017F;chîn. biëchen. dach) 2) für ch = h (&#x017F;ach, vidit) 3) für<lb/>
k (chan. valche. blich) 4) für ck (diche) 5) für k = g<lb/>
(lach, pflach) 6) für gg (rüche. eche). Die vier letzten<lb/>
fälle &#x017F;ind tadelhaft oder bedenklich, die beiden er&#x017F;ten<lb/>
richtig.</note>. Hier die wichtig&#x017F;ten bei&#x017F;p.<lb/>
des ck: &#x017F;acke (&#x017F;acco) nacke (collo) &#x017F;macke (olfactu)<lb/>
klacke (fragore) &#x017F;nacke (mei&#x017F;terg. 12<hi rendition="#sup">b</hi>) bracke (canis) bei<lb/>
einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106<hi rendition="#sup">b</hi>)<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0466] I. mittelhochdeutſche conſonanten. gutturales. rihte (Flore 42c 48b Iw. 26b) erſchrihte : rihte (kolocz 395. 399.) getruht:genuht (muſ. 1, 66. Wo zwei ſolcher ht zuſ. reimen, beßere man in ct, z. b. Barl. 204. oder Wilh. 2, 177a denn namentlich Wolfr. ſcheint des fal- ſchen ht (für cht ſowohl als ct) gänzlich frei zu ſeyn. Wo aber beide unorg. ht aufeinander reimen (d. h. kein organ. ht dabei iſt) könnte man auch die ſchreibung cht für beide wörter (z. b. geſtracht:gemacht) gelten laßen; doch ziehe ich ht vor. — ht für gt iſt ſehr ſelten, aber bei Wolfr. vorhanden liht:niht (Parc. 144c) und Walth. pfliht:niht (M. S. 1, 102a) vielleicht ungenauer reim, und ligt, pfligt zu leſen, denn anderemahl findet ſich auch giht:ſtrît (Parc. 121c): wît (Flore 23a); gît und nît f. giht, niht ſchienen gewagt. — gutturalgemination. (CCH. CK.) cch haben die äl- teren hſſ. bisweilen, vgl. dicche (Maria 43. a. Tit. 11.) ecche (ſ. gall. Nib.) etc. noch ſeltner kch, rokch (Parc. 111b) und da der laut nichts anders iſt, als gem. des inlautenden ch (für goth. k) vgl. wachen (vigilare) wec- chen (excitare) trëchen (trahere) trecchen (contrahi) ſo ſcheint dieſe ſchreibung angemeßen. Vorzüglicher aber das übliche ck (z. b. im ſ. gall. Parc.) theils weil dafür auch kk vorkommt, theils in der gem. (wie im anlaut) die ten. geblieben ſeyn könnte; vielleicht galt provin- ziell die ausſprache cch. in der regel ganz die des neuh. ck, wozu kommt, daß ſich vor t und im auslant ck vereinfacht (wecken, wacte; decken, dacte; blickes, blic,) welches ſich ſo beßer erklärt. Ich ſchreibe durch- gehends ck; tadel verdient 1) die ſchreibung eines einf. k (z. b. eke a. Tit. 2. und im gieſſ. Iw. brüke, rüke etc. merkwürdig gerade in wörtern, denen organiſch gg ſtatt ck gebührte). 2) die ſehr verbreitete ſchreibung ch, welche der reim widerlegt, da z. b. blicket (intue- tur) nicht zu brichet (frangit) nacket (nudus) nicht zu wachet (vigilat) ſtimmt *). Hier die wichtigſten beiſp. des ck: ſacke (ſacco) nacke (collo) ſmacke (olfactu) klacke (fragore) ſnacke (meiſterg. 12b) bracke (canis) bei einigen auch tracke (draco f. trache, z. b. M. S. 2, 106b) *) Manche hſſ. ſetzen ch. in ſechſerlei fällen: 1) für ch (ſchîn. biëchen. dach) 2) für ch = h (ſach, vidit) 3) für k (chan. valche. blich) 4) für ck (diche) 5) für k = g (lach, pflach) 6) für gg (rüche. eche). Die vier letzten fälle ſind tadelhaft oder bedenklich, die beiden erſten richtig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/466
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/466>, abgerufen am 25.11.2024.