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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. mittelhochdeutsche vocale.
oft-lich. selten-leich Hartm., Stricker und Rudolf, doch
diese fünfe überall -leiche -leichen *). Das adv. heißt
bei allen leiche, auch bei Conrad; außerdem gilt bei
einigen noch ein adv. des dat. pl. auf -en und dieses
lautet bei Conrad auf -lichen, bei Hartm. auf -leichen
und -lichen. Die meisten andern gebrauchen es gar
nicht (nämlich im reim). Das einfache adj. geleich
lautet bei allen so, nie gelich; aber selbst den tiefton
und bald den vocal letzter silbe büßen die gangbaren
pron. welich, solich, welch, solch ein. -- f) die adj. bil-
dung -reich, -reicher, -reichen behält bei allen langes ei, wo-
gegen den meisten die subst. endung -rich und nicht
reich heißt. vgl. heinrich, dieterich, esterich, wuete
rich; Wolfr. aber scheint auch hier den langen vocal
zu hegen:heimereich und Maria 217. wuotreiche:grim-
mecleiche. -- g) selten erscheint die superlativendung
-ist tieftonig im reim, vgl. minneist:list (klage 130b
Bit. 86a) friste:vorderiste, fristen:jungisten (Maria 77.
129.) erist:frist (Barl. 294.) letzteres stumpfer reim,
klingend aber steht schonist:lonist (M. S. 1, 53a. b);
gleichselten -ost, vgl. vorderost:trost (Nib. 6117. 8165.
Bit.. 113a). -- h) das subst. manot (mensis) reimt noch
stumpf Maria 119. Georg 37a Wilh. 3, 331a cass. Wi-
gam. 13a etc. -- i) die subst. endung -oere pflegt
tieftonig und im reim durchgängig klingend zu
seyn; in den Nib. hebt die verkürzung in ein tonlo-
ses -er daneben an, vgl. kocher 3916. 3922. kamerer
4069. soumer 6353. tenlender 8276. st. kochaere -- ten-
lendaere. -- k) das -man in nie-man, ie-man brau-
chen verschiedne dichter tieftonig, andern wird es
zum unbetonten -men. Als stumpfer reim dient es
nur selten. vgl. nieman: dan (Iw. giss. 3218.) : gewan
(Flore 5b) stan:(Nib. 4551.). -- 1) bisweilen hängt noch
an dem tiefton die erscheinung alter vocale in den
flexionen, worüber erst die abhandlung dieser selbst das
eigentliche licht geben wird. Das häufigste beispiel
gewährt die endung -on, -ot in der schwachen conj.
*) Diese kürzung des ei in i bei solchen, denen man ein bai-
risches ei für i zutrauen möchte, namentlich beim Stricker,
zeigt wiederum die grundlosigkeit der s. 349. verworfnen
anficht. Denn kürzung des ei in i wäre im hochd. bei-
spiellos; daß das i wirklich stattfand beweisen reime wie
billich:mich; iegelich:sich (Karl 32a 51b etc.). Das
adv. auch bei Stricker -leiche (nicht-leiche).
A a
I. mittelhochdeutſche vocale.
oft-lich. ſelten-lîch Hartm., Stricker und Rudolf, doch
dieſe fünfe überall -lîche -lîchen *). Das adv. heißt
bei allen lîche, auch bei Conrad; außerdem gilt bei
einigen noch ein adv. des dat. pl. auf -en und dieſes
lautet bei Conrad auf -lìchen, bei Hartm. auf -lîchen
und -lìchen. Die meiſten andern gebrauchen es gar
nicht (nämlich im reim). Das einfache adj. gelîch
lautet bei allen ſo, nie gelich; aber ſelbſt den tiefton
und bald den vocal letzter ſilbe büßen die gangbaren
pron. wêlich, ſôlich, wëlch, ſolch ein. — f) die adj. bil-
dung -rîch, -rîcher, -rîchen behält bei allen langes î, wo-
gegen den meiſten die ſubſt. endung -rìch und nicht
rîch heißt. vgl. heinrìch, dieterìch, eſterich, wuete
rìch; Wolfr. aber ſcheint auch hier den langen vocal
zu hegen:heimerîch und Maria 217. wuotrîche:grim-
meclîche. — g) ſelten erſcheint die ſuperlativendung
-iſt tieftonig im reim, vgl. minnîſt:liſt (klage 130b
Bit. 86a) friſte:vorderìſte, friſten:jungìſten (Maria 77.
129.) êrìſt:friſt (Barl. 294.) letzteres ſtumpfer reim,
klingend aber ſteht ſchôniſt:lôniſt (M. S. 1, 53a. b);
gleichſelten -ôſt, vgl. vorderôſt:trôſt (Nib. 6117. 8165.
Bit‥ 113a). — h) das ſubſt. mânôt (menſis) reimt noch
ſtumpf Maria 119. Georg 37a Wilh. 3, 331a caſſ. Wi-
gam. 13a etc. — i) die ſubſt. endung -œre pflegt
tieftonig und im reim durchgängig klingend zu
ſeyn; in den Nib. hebt die verkürzung in ein tonlo-
ſes -er daneben an, vgl. kocher 3916. 3922. kamerer
4069. ſoumer 6353. tenlender 8276. ſt. kochære — ten-
lendære. — k) das -man in nie-man, ie-man brau-
chen verſchiedne dichter tieftonig, andern wird es
zum unbetonten -men. Als ſtumpfer reim dient es
nur ſelten. vgl. niemàn: dan (Iw. giſſ. 3218.) : gewan
(Flore 5b) ſtân:(Nib. 4551.). — 1) bisweilen hängt noch
an dem tiefton die erſcheinung alter vocale in den
flexionen, worüber erſt die abhandlung dieſer ſelbſt das
eigentliche licht geben wird. Das häufigſte beiſpiel
gewährt die endung -ôn, -ôt in der ſchwachen conj.
*) Dieſe kürzung des î in i bei ſolchen, denen man ein bai-
riſches ei für ì zutrauen möchte, namentlich beim Stricker,
zeigt wiederum die grundloſigkeit der ſ. 349. verworfnen
anficht. Denn kürzung des ei in i wäre im hochd. bei-
ſpiellos; daß das i wirklich ſtattfand beweiſen reime wie
billich:mich; iegelich:ſich (Karl 32a 51b etc.). Das
adv. auch bei Stricker -lîche (nicht-leiche).
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[369/0395] I. mittelhochdeutſche vocale. oft-lich. ſelten-lîch Hartm., Stricker und Rudolf, doch dieſe fünfe überall -lîche -lîchen *). Das adv. heißt bei allen lîche, auch bei Conrad; außerdem gilt bei einigen noch ein adv. des dat. pl. auf -en und dieſes lautet bei Conrad auf -lìchen, bei Hartm. auf -lîchen und -lìchen. Die meiſten andern gebrauchen es gar nicht (nämlich im reim). Das einfache adj. gelîch lautet bei allen ſo, nie gelich; aber ſelbſt den tiefton und bald den vocal letzter ſilbe büßen die gangbaren pron. wêlich, ſôlich, wëlch, ſolch ein. — f) die adj. bil- dung -rîch, -rîcher, -rîchen behält bei allen langes î, wo- gegen den meiſten die ſubſt. endung -rìch und nicht rîch heißt. vgl. heinrìch, dieterìch, eſterich, wuete rìch; Wolfr. aber ſcheint auch hier den langen vocal zu hegen:heimerîch und Maria 217. wuotrîche:grim- meclîche. — g) ſelten erſcheint die ſuperlativendung -iſt tieftonig im reim, vgl. minnîſt:liſt (klage 130b Bit. 86a) friſte:vorderìſte, friſten:jungìſten (Maria 77. 129.) êrìſt:friſt (Barl. 294.) letzteres ſtumpfer reim, klingend aber ſteht ſchôniſt:lôniſt (M. S. 1, 53a. b); gleichſelten -ôſt, vgl. vorderôſt:trôſt (Nib. 6117. 8165. Bit‥ 113a). — h) das ſubſt. mânôt (menſis) reimt noch ſtumpf Maria 119. Georg 37a Wilh. 3, 331a caſſ. Wi- gam. 13a etc. — i) die ſubſt. endung -œre pflegt tieftonig und im reim durchgängig klingend zu ſeyn; in den Nib. hebt die verkürzung in ein tonlo- ſes -er daneben an, vgl. kocher 3916. 3922. kamerer 4069. ſoumer 6353. tenlender 8276. ſt. kochære — ten- lendære. — k) das -man in nie-man, ie-man brau- chen verſchiedne dichter tieftonig, andern wird es zum unbetonten -men. Als ſtumpfer reim dient es nur ſelten. vgl. niemàn: dan (Iw. giſſ. 3218.) : gewan (Flore 5b) ſtân:(Nib. 4551.). — 1) bisweilen hängt noch an dem tiefton die erſcheinung alter vocale in den flexionen, worüber erſt die abhandlung dieſer ſelbſt das eigentliche licht geben wird. Das häufigſte beiſpiel gewährt die endung -ôn, -ôt in der ſchwachen conj. *) Dieſe kürzung des î in i bei ſolchen, denen man ein bai- riſches ei für ì zutrauen möchte, namentlich beim Stricker, zeigt wiederum die grundloſigkeit der ſ. 349. verworfnen anficht. Denn kürzung des ei in i wäre im hochd. bei- ſpiellos; daß das i wirklich ſtattfand beweiſen reime wie billich:mich; iegelich:ſich (Karl 32a 51b etc.). Das adv. auch bei Stricker -lîche (nicht-leiche). A a

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/395>, abgerufen am 25.11.2024.