kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus- gedrückt: für solche namen und wörter beobachtete man jene heutige (falsche) silbentheilung pa-reis, ma-rei-a, dehnte also, der regel 1. b. gemäß, die vocalischen sil- benauslaute. Den beweis liefern die reime überall. Gleichwohl hat auch dieses gesetz für fremde wörter mannigfache nähere bestimmungen und ausnahmen, die anderswo erörtert werden müßen *) namentlich verwan- deln sich einzelne eigennamen dadurch gleichsam in deutsche, daß sie deutsche flexion und in ihrer wurzel deutschen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann Artus bekannten seneschal kaei auf sei, bei reimt, heißt er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie, leie etc. (vgl. unten die schlußanmerkung über betonung).
(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr längst entschieden ein; ausnahme macht zuweilen die starke conj. in II. III. sg. praes. ind. vornämlich wenn dem a die verbindung ng, lt folgt, als hanget, haltet spaltet etc. nicht henget, heltet, speltet (s. die conjug.) Wenn sich aber magede, magedein st. megede findet, so muß man die alth. form magadei, magatein erwä- gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der spätere umlaut aus der dritten silbe gewirkt wurde oder aus der zwei- ten, insofern das a derselben allmählig in i übergegan- gen seyn konnte (vgl. oben s. 76. 77. über megin, emil, scemil, gegin st. magan, amal, gagan) oder wäre alsimi- lation im spiel? Nur den zweiten dieser drei fälle ver- statten die häufigen mittelh. plurale wegene, setele, he- vene, schemele (alth. wagana, satala, havana, scamala) etc.
(E) sowohl e als e; daß der unterschied beider fort- während in der aussprache merklich war, lehren die reime, da sie e und e nicht verbinden. Man unter- schiede also z. b. regen (movere) legen (ponere) egen (occare) slegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus) wegen (movere) gegen (contra) von regen (pluvia) de- gen (vir fortis) wegen (viis) wegen (pendere) pflegen (solere) gelegen (jacens) segen (benedictio) etc. oder: ber (feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare) er (aret) wer (defensio) swer (juret) von: ber (ferat) ber (ursus) ger (desiderium) er (ille) der. wer. her (huc) sper
*) Hoffentlich wird Lachmann vorläufig mir mitgetheilte be- lehrungen hierüber in einer mittelh, metrik einmahl ge- meinnützig machen.
I. mittelhochdeutſche vocale.
kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus- gedrückt: für ſolche namen und wörter beobachtete man jene heutige (falſche) ſilbentheilung pâ-rîs, mâ-rî-â, dehnte alſo, der regel 1. b. gemäß, die vocaliſchen ſil- benauslaute. Den beweis liefern die reime überall. Gleichwohl hat auch dieſes geſetz für fremde wörter mannigfache nähere beſtimmungen und ausnahmen, die anderswo erörtert werden müßen *) namentlich verwan- deln ſich einzelne eigennamen dadurch gleichſam in deutſche, daß ſie deutſche flexion und in ihrer wurzel deutſchen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann Artus bekannten ſeneſchal kâî auf ſî, bî reimt, heißt er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie, leie etc. (vgl. unten die ſchlußanmerkung über betonung).
(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr längſt entſchieden ein; ausnahme macht zuweilen die ſtarke conj. in II. III. ſg. praeſ. ind. vornämlich wenn dem a die verbindung ng, lt folgt, als hanget, haltet ſpaltet etc. nicht henget, heltet, ſpeltet (ſ. die conjug.) Wenn ſich aber magede, magedîn ſt. megede findet, ſo muß man die alth. form magadî, magatîn erwä- gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der ſpätere umlaut aus der dritten ſilbe gewirkt wurde oder aus der zwei- ten, inſofern das a derſelben allmählig in i übergegan- gen ſeyn konnte (vgl. oben ſ. 76. 77. über megin, emil, ſcemil, gegin ſt. magan, amal, gagan) oder wäre alſimi- lation im ſpiel? Nur den zweiten dieſer drei fälle ver- ſtatten die häufigen mittelh. plurale wegene, ſetele, he- vene, ſchemele (alth. waganâ, ſatalâ, havanâ, ſcamalâ) etc.
(E) ſowohl e als ë; daß der unterſchied beider fort- während in der ausſprache merklich war, lehren die reime, da ſie e und ë nicht verbinden. Man unter- ſchiede alſo z. b. regen (movere) legen (ponere) egen (occare) ſlegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus) wegen (movere) gegen (contra) von rëgen (pluvia) dë- gen (vir fortis) wëgen (viis) wëgen (pendere) pflëgen (ſolere) gelëgen (jacens) ſëgen (benedictio) etc. oder: ber (feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare) er (aret) wer (defenſio) ſwer (juret) von: bër (ferat) bër (urſus) gër (deſiderium) ër (ille) dër. wër. hër (huc) ſpër
*) Hoffentlich wird Lachmann vorläufig mir mitgetheilte be- lehrungen hierüber in einer mittelh, metrik einmahl ge- meinnützig machen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0358"n="332"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">mittelhochdeutſche vocale.</hi></fw><lb/>
kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus-<lb/>
gedrückt: für ſolche namen und wörter beobachtete man<lb/>
jene heutige (falſche) ſilbentheilung pâ-rîs, mâ-rî-â,<lb/>
dehnte alſo, der regel 1. b. gemäß, die vocaliſchen ſil-<lb/>
benauslaute. Den beweis liefern die reime überall.<lb/>
Gleichwohl hat auch dieſes geſetz für fremde wörter<lb/>
mannigfache nähere beſtimmungen und ausnahmen, die<lb/>
anderswo erörtert werden müßen <noteplace="foot"n="*)">Hoffentlich wird Lachmann vorläufig mir mitgetheilte be-<lb/>
lehrungen hierüber in einer mittelh, metrik einmahl ge-<lb/>
meinnützig machen.</note> namentlich verwan-<lb/>
deln ſich einzelne eigennamen dadurch gleichſam in<lb/>
deutſche, daß ſie deutſche flexion und in ihrer wurzel<lb/>
deutſchen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann<lb/>
Artus bekannten ſeneſchal kâî auf ſî, bî reimt, heißt<lb/>
er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie,<lb/>
leie etc. (vgl. unten die ſchlußanmerkung über betonung).</p><lb/><p>(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr<lb/>
längſt entſchieden ein; ausnahme macht zuweilen die<lb/>ſtarke conj. in II. III. ſg. praeſ. ind. vornämlich wenn<lb/>
dem a die verbindung <hirendition="#i">ng, lt</hi> folgt, als hanget, haltet<lb/>ſpaltet etc. nicht henget, heltet, ſpeltet (ſ. die conjug.)<lb/>
Wenn ſich aber magede, magedîn ſt. megede findet,<lb/>ſo muß man die alth. form magadî, magatîn erwä-<lb/>
gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der ſpätere umlaut<lb/>
aus der dritten ſilbe gewirkt wurde oder aus der zwei-<lb/>
ten, inſofern das a derſelben allmählig in i übergegan-<lb/>
gen ſeyn konnte (vgl. oben ſ. 76. 77. über megin, emil,<lb/>ſcemil, gegin ſt. magan, amal, gagan) oder wäre alſimi-<lb/>
lation im ſpiel? Nur den zweiten dieſer drei fälle ver-<lb/>ſtatten die häufigen mittelh. plurale wegene, ſetele, he-<lb/>
vene, ſchemele (alth. waganâ, ſatalâ, havanâ, ſcamalâ) etc.</p><lb/><p>(E) ſowohl e als ë; daß der unterſchied beider fort-<lb/>
während in der ausſprache merklich war, lehren die<lb/>
reime, da ſie e und ë nicht verbinden. Man unter-<lb/>ſchiede alſo z. b. regen (movere) legen (ponere) egen<lb/>
(occare) ſlegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus)<lb/>
wegen (movere) gegen (contra) von rëgen (pluvia) dë-<lb/>
gen (vir fortis) wëgen (viis) wëgen (pendere) pflëgen<lb/>
(ſolere) gelëgen (jacens) ſëgen (benedictio) etc. oder: ber<lb/>
(feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare)<lb/>
er (aret) wer (defenſio) ſwer (juret) von: bër (ferat) bër<lb/>
(urſus) gër (deſiderium) ër (ille) dër. wër. hër (huc) ſpër<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[332/0358]
I. mittelhochdeutſche vocale.
kurzer war, dadurch in die länge gezogen. Anders aus-
gedrückt: für ſolche namen und wörter beobachtete man
jene heutige (falſche) ſilbentheilung pâ-rîs, mâ-rî-â,
dehnte alſo, der regel 1. b. gemäß, die vocaliſchen ſil-
benauslaute. Den beweis liefern die reime überall.
Gleichwohl hat auch dieſes geſetz für fremde wörter
mannigfache nähere beſtimmungen und ausnahmen, die
anderswo erörtert werden müßen *) namentlich verwan-
deln ſich einzelne eigennamen dadurch gleichſam in
deutſche, daß ſie deutſche flexion und in ihrer wurzel
deutſchen diphth. annehmen; während z. b. Hartmann
Artus bekannten ſeneſchal kâî auf ſî, bî reimt, heißt
er bei Wolfram keie, gen. keien und reimt auf meie,
leie etc. (vgl. unten die ſchlußanmerkung über betonung).
(A) wie im alth., nur tritt der umlaut in e nunmehr
längſt entſchieden ein; ausnahme macht zuweilen die
ſtarke conj. in II. III. ſg. praeſ. ind. vornämlich wenn
dem a die verbindung ng, lt folgt, als hanget, haltet
ſpaltet etc. nicht henget, heltet, ſpeltet (ſ. die conjug.)
Wenn ſich aber magede, magedîn ſt. megede findet,
ſo muß man die alth. form magadî, magatîn erwä-
gen, wobei zweifelhaft bleibt, ob der ſpätere umlaut
aus der dritten ſilbe gewirkt wurde oder aus der zwei-
ten, inſofern das a derſelben allmählig in i übergegan-
gen ſeyn konnte (vgl. oben ſ. 76. 77. über megin, emil,
ſcemil, gegin ſt. magan, amal, gagan) oder wäre alſimi-
lation im ſpiel? Nur den zweiten dieſer drei fälle ver-
ſtatten die häufigen mittelh. plurale wegene, ſetele, he-
vene, ſchemele (alth. waganâ, ſatalâ, havanâ, ſcamalâ) etc.
(E) ſowohl e als ë; daß der unterſchied beider fort-
während in der ausſprache merklich war, lehren die
reime, da ſie e und ë nicht verbinden. Man unter-
ſchiede alſo z. b. regen (movere) legen (ponere) egen
(occare) ſlegen (ictibus) megen (valeant) wegene (currus)
wegen (movere) gegen (contra) von rëgen (pluvia) dë-
gen (vir fortis) wëgen (viis) wëgen (pendere) pflëgen
(ſolere) gelëgen (jacens) ſëgen (benedictio) etc. oder: ber
(feriat) ber (bacca) ber (ictus) her (exercitus) mer (mare)
er (aret) wer (defenſio) ſwer (juret) von: bër (ferat) bër
(urſus) gër (deſiderium) ër (ille) dër. wër. hër (huc) ſpër
*) Hoffentlich wird Lachmann vorläufig mir mitgetheilte be-
lehrungen hierüber in einer mittelh, metrik einmahl ge-
meinnützig machen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/358>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.