Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. angelsächsische consonanten. gutturales.
das aus dem alth. j ebenfalls vor e und i entwickelte
g. -- b) inlautend kann g das j vertreten, wenn
die liq. r. voransteht (z. b. hergan, nergan, vergan
st. herjan, nerjan, verjan) *) oder sonst wenn noch
ein i dazwischen geschoben wird. Das geschieht
namentlich gern in dem praes. schwacher conj. z. b.
eardige (habito) theovige (servio) statt eardje oder
eardie. Und da eardige für eardije steht, so ent-
springt hier genau besehn das j unorganisch, indem
seine basis i daneben bleibt, vergleichbar dem s. 188.
beigebrachten alth. eigir (eijir) st. egir (ejir) und
nicht unanalog dem unorganischen alth. iuw, ouw,
angels. eov, statt iw, aw, iv. Diese verwandtschaft
zwischen j und v wird sich hernach noch weiter
bewähren. Organisch wären (wie gavi, nivis, ajis)
nur die formen nerge (servo) eardje, wogegen nerige,
eardige (wie gauwi, niuwis, eigis) überladen schei-
nen. Seltner geht aus dem praes. die form -ig
auch in den inf. über eardigan, theovigan, oder gar:
eardigean, theovigean (st. des beßeren eardjan); in
letzterm fall wird das ableitungs i dreimahl ausge-
drückt. Man muß übrigens dieses g = j und -ig
= ij von der wahren med. g in beorgan, belgan und
namentlich in den von adj. auf -eig geleiteten ver-
bis unterscheiden, z. b. syngjan (peccare) vergjan
(lassescere) sargjan (dolere) bysgjan (occupare) von
den adj. synneig (culpabilis, alts. sundeig) vereig (las-
sus, alts. wuoreig) sareig (dolorosus, alth. serag und
im verb. seragen) etc. um so mehr als hier zuweilen
die endung -eig hervortaucht, z. b. vereigean (= verg-
jan) steht, welches mit jenem eardigean zufällige
ähnlichkeit erhält; wollte man den unterschied zwi-
schen eig und ig hier nicht mehr anwenden; so son-
dert sich doch die conjugationsendung in beiden wör-
tern ganz abweichend: vereig-je, vereig-e (lassesco)
eard-ige (habito) -- g) in- und auslautend ent-
springt g aus dem vocal i in folgenden wörtern:
äg (ovum) gen. äges **) big (praep.) drig (aridus)
*) Herjan (vastare) unterschieden von herjan, hergjan (beßer
wohl haergjan? laudare) mittelh. jenes hern, dieses h[e]-
ren; -- verjan (defendere) unterschieden von verjan, verg-
jan (lassescere) alth. jenes werjan, dieses wuoragen.
**) Nicht aeg, aeges, denn das goth. ai (ovum) gab angels. [ - 1 Zeichen fehlt]
as, ai, aj, a[g], woraus (wie aus dag, däg) äg wurde. Zu-
I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales.
das aus dem alth. j ebenfalls vor ë und i entwickelte
g. — β) inlautend kann g das j vertreten, wenn
die liq. r. voranſteht (z. b. hergan, nergan, vergan
ſt. herjan, nerjan, verjan) *) oder ſonſt wenn noch
ein i dazwiſchen geſchoben wird. Das geſchieht
namentlich gern in dem praeſ. ſchwacher conj. z. b.
ëardige (habito) þëóvige (ſervio) ſtatt ëardje oder
ëardie. Und da ëardige für ëardije ſteht, ſo ent-
ſpringt hier genau beſehn das j unorganiſch, indem
ſeine baſis i daneben bleibt, vergleichbar dem ſ. 188.
beigebrachten alth. eigir (eijir) ſt. egir (ejir) und
nicht unanalog dem unorganiſchen alth. iuw, ouw,
angelſ. ëóv, ſtatt iw, aw, iv. Dieſe verwandtſchaft
zwiſchen j und v wird ſich hernach noch weiter
bewähren. Organiſch wären (wie gavi, nivis, ajis)
nur die formen nerge (ſervo) ëardje, wogegen nerige,
ëardige (wie gauwi, niuwis, eigis) überladen ſchei-
nen. Seltner geht aus dem praeſ. die form -ig
auch in den inf. über ëardigan, þëóvigan, oder gar:
ëardigëan, þëóvigëan (ſt. des beßeren ëardjan); in
letzterm fall wird das ableitungs i dreimahl ausge-
drückt. Man muß übrigens dieſes g = j und -ig
= ij von der wahren med. g in bëorgan, bëlgan und
namentlich in den von adj. auf -îg geleiteten ver-
bis unterſcheiden, z. b. ſyngjan (peccare) vêrgjan
(laſſeſcere) ſârgjan (dolere) byſgjan (occupare) von
den adj. ſynnîg (culpabilis, altſ. ſundîg) vêrîg (laſ-
ſus, altſ. wuorîg) ſârîg (doloroſus, alth. ſêrag und
im verb. ſêragên) etc. um ſo mehr als hier zuweilen
die endung -îg hervortaucht, z. b. vêrîgëan (= vêrg-
jan) ſteht, welches mit jenem ëardigëan zufällige
ähnlichkeit erhält; wollte man den unterſchied zwi-
ſchen îg und ig hier nicht mehr anwenden; ſo ſon-
dert ſich doch die conjugationsendung in beiden wör-
tern ganz abweichend: vêrîg-je, vêrîg-e (laſſeſco)
ëard-ige (habito) — γ) in- und auslautend ent-
ſpringt g aus dem vocal i in folgenden wörtern:
äg (ovum) gen. äges **) big (praep.) drig (aridus)
*) Herjan (vaſtare) unterſchieden von hêrjan, hêrgjan (beßer
wohl hærgjan? laudare) mittelh. jenes hern, dieſes h[è]-
ren; — verjan (defendere) unterſchieden von vêrjan, vêrg-
jan (laſſeſcere) alth. jenes werjan, dieſes wuoragên.
**) Nicht æg, æges, denn das goth. ái (ovum) gab angelſ. [ – 1 Zeichen fehlt]
as, ai, aj, a[g], woraus (wie aus dag, däg) äg wurde. Zu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0286" n="260"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che con&#x017F;onanten. gutturales.</hi></fw><lb/>
das aus dem alth. j ebenfalls vor ë und i entwickelte<lb/>
g. &#x2014; <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi>) inlautend kann g das j vertreten, wenn<lb/>
die liq. r. voran&#x017F;teht (z. b. hergan, nergan, vergan<lb/>
&#x017F;t. herjan, nerjan, verjan) <note place="foot" n="*)">Herjan (va&#x017F;tare) unter&#x017F;chieden von hêrjan, hêrgjan (beßer<lb/>
wohl hærgjan? laudare) mittelh. jenes hern, die&#x017F;es h<supplied>è</supplied>-<lb/>
ren; &#x2014; verjan (defendere) unter&#x017F;chieden von vêrjan, vêrg-<lb/>
jan (la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;cere) alth. jenes werjan, die&#x017F;es wuoragên.</note> oder &#x017F;on&#x017F;t wenn noch<lb/>
ein i dazwi&#x017F;chen ge&#x017F;choben wird. Das ge&#x017F;chieht<lb/>
namentlich gern in dem prae&#x017F;. &#x017F;chwacher conj. z. b.<lb/>
ëardige (habito) þëóvige (&#x017F;ervio) &#x017F;tatt ëardje oder<lb/>
ëardie. Und da ëardige für ëardije &#x017F;teht, &#x017F;o ent-<lb/>
&#x017F;pringt hier genau be&#x017F;ehn das j unorgani&#x017F;ch, indem<lb/>
&#x017F;eine ba&#x017F;is i daneben bleibt, vergleichbar dem &#x017F;. 188.<lb/>
beigebrachten alth. eigir (eijir) &#x017F;t. egir (ejir) und<lb/>
nicht unanalog dem unorgani&#x017F;chen alth. iuw, ouw,<lb/>
angel&#x017F;. ëóv, &#x017F;tatt iw, aw, iv. Die&#x017F;e verwandt&#x017F;chaft<lb/>
zwi&#x017F;chen j und v wird &#x017F;ich hernach noch weiter<lb/>
bewähren. Organi&#x017F;ch wären (wie gavi, nivis, ajis)<lb/>
nur die formen nerge (&#x017F;ervo) ëardje, wogegen nerige,<lb/>
ëardige (wie gauwi, niuwis, eigis) überladen &#x017F;chei-<lb/>
nen. Seltner geht aus dem prae&#x017F;. die form -ig<lb/>
auch in den inf. über ëardigan, þëóvigan, oder gar:<lb/>
ëardigëan, þëóvigëan (&#x017F;t. des beßeren ëardjan); in<lb/>
letzterm fall wird das ableitungs i dreimahl ausge-<lb/>
drückt. Man muß übrigens die&#x017F;es g = j und -ig<lb/>
= ij von der wahren med. g in bëorgan, bëlgan und<lb/>
namentlich in den von adj. auf -îg geleiteten ver-<lb/>
bis unter&#x017F;cheiden, z. b. &#x017F;yngjan (peccare) vêrgjan<lb/>
(la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;cere) &#x017F;ârgjan (dolere) by&#x017F;gjan (occupare) von<lb/>
den adj. &#x017F;ynnîg (culpabilis, alt&#x017F;. &#x017F;undîg) vêrîg (la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;us, alt&#x017F;. wuorîg) &#x017F;ârîg (doloro&#x017F;us, alth. &#x017F;êrag und<lb/>
im verb. &#x017F;êragên) etc. um &#x017F;o mehr als hier zuweilen<lb/>
die endung -îg hervortaucht, z. b. vêrîgëan (= vêrg-<lb/>
jan) &#x017F;teht, welches mit jenem ëardigëan zufällige<lb/>
ähnlichkeit erhält; wollte man den unter&#x017F;chied zwi-<lb/>
&#x017F;chen îg und ig hier nicht mehr anwenden; &#x017F;o &#x017F;on-<lb/>
dert &#x017F;ich doch die conjugationsendung in beiden wör-<lb/>
tern ganz abweichend: vêrîg-je, vêrîg-e (la&#x017F;&#x017F;e&#x017F;co)<lb/>
ëard-ige (habito) &#x2014; <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) in- und auslautend ent-<lb/>
&#x017F;pringt g aus dem vocal i in folgenden wörtern:<lb/>
äg (ovum) gen. äges <note xml:id="note-0286" next="#note-0287" place="foot" n="**)">Nicht æg, æges, denn das goth. ái (ovum) gab angel&#x017F;. <gap unit="chars" quantity="1"/><lb/>
as, ai, aj, a<supplied>g</supplied>, woraus (wie aus dag, däg) äg wurde. Zu-</note> big (praep.) drig (aridus)<lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0286] I. angelſächſiſche conſonanten. gutturales. das aus dem alth. j ebenfalls vor ë und i entwickelte g. — β) inlautend kann g das j vertreten, wenn die liq. r. voranſteht (z. b. hergan, nergan, vergan ſt. herjan, nerjan, verjan) *) oder ſonſt wenn noch ein i dazwiſchen geſchoben wird. Das geſchieht namentlich gern in dem praeſ. ſchwacher conj. z. b. ëardige (habito) þëóvige (ſervio) ſtatt ëardje oder ëardie. Und da ëardige für ëardije ſteht, ſo ent- ſpringt hier genau beſehn das j unorganiſch, indem ſeine baſis i daneben bleibt, vergleichbar dem ſ. 188. beigebrachten alth. eigir (eijir) ſt. egir (ejir) und nicht unanalog dem unorganiſchen alth. iuw, ouw, angelſ. ëóv, ſtatt iw, aw, iv. Dieſe verwandtſchaft zwiſchen j und v wird ſich hernach noch weiter bewähren. Organiſch wären (wie gavi, nivis, ajis) nur die formen nerge (ſervo) ëardje, wogegen nerige, ëardige (wie gauwi, niuwis, eigis) überladen ſchei- nen. Seltner geht aus dem praeſ. die form -ig auch in den inf. über ëardigan, þëóvigan, oder gar: ëardigëan, þëóvigëan (ſt. des beßeren ëardjan); in letzterm fall wird das ableitungs i dreimahl ausge- drückt. Man muß übrigens dieſes g = j und -ig = ij von der wahren med. g in bëorgan, bëlgan und namentlich in den von adj. auf -îg geleiteten ver- bis unterſcheiden, z. b. ſyngjan (peccare) vêrgjan (laſſeſcere) ſârgjan (dolere) byſgjan (occupare) von den adj. ſynnîg (culpabilis, altſ. ſundîg) vêrîg (laſ- ſus, altſ. wuorîg) ſârîg (doloroſus, alth. ſêrag und im verb. ſêragên) etc. um ſo mehr als hier zuweilen die endung -îg hervortaucht, z. b. vêrîgëan (= vêrg- jan) ſteht, welches mit jenem ëardigëan zufällige ähnlichkeit erhält; wollte man den unterſchied zwi- ſchen îg und ig hier nicht mehr anwenden; ſo ſon- dert ſich doch die conjugationsendung in beiden wör- tern ganz abweichend: vêrîg-je, vêrîg-e (laſſeſco) ëard-ige (habito) — γ) in- und auslautend ent- ſpringt g aus dem vocal i in folgenden wörtern: äg (ovum) gen. äges **) big (praep.) drig (aridus) *) Herjan (vaſtare) unterſchieden von hêrjan, hêrgjan (beßer wohl hærgjan? laudare) mittelh. jenes hern, dieſes hè- ren; — verjan (defendere) unterſchieden von vêrjan, vêrg- jan (laſſeſcere) alth. jenes werjan, dieſes wuoragên. **) Nicht æg, æges, denn das goth. ái (ovum) gab angelſ. _ as, ai, aj, ag, woraus (wie aus dag, däg) äg wurde. Zu-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/286
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/286>, abgerufen am 25.11.2024.