Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
I. angelsächsische vocale.
Angelsächsische buchstaben.

Der ansehnliche vorrath von denkmählern, deren
bedeutendste auch im druck bekannt gemacht worden
sind, hat noch keine critische und sichere festsetzung
des angels. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine
nähere untersuchung der spielarten des dialects nach ort
und zeit gegründet werden muß. Hic[k]es vorstellung
von einer dänisch - sächsischen und normännischen pe-
riode kann, wenigstens in der weise, wie er sie durch-
führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere einsichten
würden aber von genauem studium der hss. selbst, das
nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe
mich hauptsächlich an die ältesten quellen, nämlich an
die poetischen gehalten und mittelst der analogie der
übrigen deutschen sprachen gestrebt, die angels. buchsta-
benlehre sorgfältiger aufzufaßen, als bisher geschehen war.

Angelsächsische vocale.

Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich
die hss. selbst in der regel gar keinen gedehnten vocal,
welches die untersuchung außerordentlich erschwert. In-
dessen finden sich beachtungswerthe spuren einer solchen
bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird
statt des gedehnten lauts die gemination geschrieben,
vgl. Boeth. 150b vaa, 157b 169b 173a etc. good; andere
belege schlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad,
aar, faag, gaast, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad;
briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood;
tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils
der acutus (wie in nord. hss. und drucken) theils der
circumflex. So findet sich im Boeth. 193b is, 190a a;
häufiger ist der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige
hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet seyn,
darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm-
lichen wörtern, so daß, einmahl die regel der dehnung
festgesetzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege
von wichtigkeit sind. Hier beispiele: a, va, ma, ar, gar,
man; ed, ece, egor, recas; tir, min, tid; or, god, ahof,
fon; fus, scur, buan, bu etc. Vermuthlich ist keine alte
hs. ganz ohne solche vocalzeichen; der herausgober des
Beovulf scheint sie nicht geachtet zu haben, ich treffe
im druck kein einziges beispiel an. Den circumflex
setzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls schwan-
kend, z. b. a, ath, hal, gan, ta, ban, lac; bec, ge[s], fet;

I. angelſächſiſche vocale.
Angelſächſiſche buchſtaben.

Der anſehnliche vorrath von denkmählern, deren
bedeutendſte auch im druck bekannt gemacht worden
ſind, hat noch keine critiſche und ſichere feſtſetzung
des angelſ. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine
nähere unterſuchung der ſpielarten des dialects nach ort
und zeit gegründet werden muß. Hic[k]es vorſtellung
von einer däniſch - ſächſiſchen und normänniſchen pe-
riode kann, wenigſtens in der weiſe, wie er ſie durch-
führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere einſichten
würden aber von genauem ſtudium der hſſ. ſelbſt, das
nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe
mich hauptſächlich an die älteſten quellen, nämlich an
die poëtiſchen gehalten und mittelſt der analogie der
übrigen deutſchen ſprachen geſtrebt, die angelſ. buchſta-
benlehre ſorgfältiger aufzufaßen, als bisher geſchehen war.

Angelſächſiſche vocale.

Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich
die hſſ. ſelbſt in der regel gar keinen gedehnten vocal,
welches die unterſuchung außerordentlich erſchwert. In-
deſſen finden ſich beachtungswerthe ſpuren einer ſolchen
bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird
ſtatt des gedehnten lauts die gemination geſchrieben,
vgl. Boeth. 150b vaa, 157b 169b 173a etc. good; andere
belege ſchlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad,
aar, faag, gaaſt, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad;
briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood;
tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils
der acutus (wie in nord. hſſ. und drucken) theils der
circumflex. So findet ſich im Boeth. 193b íſ, 190a á;
häufiger iſt der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige
hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet ſeyn,
darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm-
lichen wörtern, ſo daß, einmahl die regel der dehnung
feſtgeſetzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege
von wichtigkeit ſind. Hier beiſpiele: á, vá, má, ár, gár,
mán; éd, éce, égor, récaſ; tír, mín, tíd; ór, gód, ahóf,
fón; fús, ſcúr, búan, bú etc. Vermuthlich iſt keine alte
hſ. ganz ohne ſolche vocalzeichen; der herausgober des
Beovulf ſcheint ſie nicht geachtet zu haben, ich treffe
im druck kein einziges beiſpiel an. Den circumflex
ſetzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls ſchwan-
kend, z. b. â, âþ, hâl, gân, tâ, bân, lâc; bêc, gê[ſ], fêt;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0248" n="222"/>
        <fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che vocale.</hi></fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#i">Angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che buch&#x017F;taben.</hi> </head><lb/>
          <p>Der an&#x017F;ehnliche vorrath von denkmählern, deren<lb/>
bedeutend&#x017F;te auch im druck bekannt gemacht worden<lb/>
&#x017F;ind, hat noch keine criti&#x017F;che und &#x017F;ichere fe&#x017F;t&#x017F;etzung<lb/>
des angel&#x017F;. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine<lb/>
nähere unter&#x017F;uchung der &#x017F;pielarten des dialects nach ort<lb/>
und zeit gegründet werden muß. Hic<supplied>k</supplied>es vor&#x017F;tellung<lb/>
von einer däni&#x017F;ch - &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen und normänni&#x017F;chen pe-<lb/>
riode kann, wenig&#x017F;tens in der wei&#x017F;e, wie er &#x017F;ie durch-<lb/>
führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere ein&#x017F;ichten<lb/>
würden aber von genauem &#x017F;tudium der h&#x017F;&#x017F;. &#x017F;elb&#x017F;t, das<lb/>
nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe<lb/>
mich haupt&#x017F;ächlich an die älte&#x017F;ten quellen, nämlich an<lb/>
die poëti&#x017F;chen gehalten und mittel&#x017F;t der analogie der<lb/>
übrigen deut&#x017F;chen &#x017F;prachen ge&#x017F;trebt, die angel&#x017F;. buch&#x017F;ta-<lb/>
benlehre &#x017F;orgfältiger aufzufaßen, als bisher ge&#x017F;chehen war.</p><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#i">Angel&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che vocale.</hi> </head><lb/>
            <p>Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich<lb/>
die h&#x017F;&#x017F;. &#x017F;elb&#x017F;t in der regel gar keinen gedehnten vocal,<lb/>
welches die unter&#x017F;uchung außerordentlich er&#x017F;chwert. In-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en finden &#x017F;ich beachtungswerthe &#x017F;puren einer &#x017F;olchen<lb/>
bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird<lb/>
&#x017F;tatt des gedehnten lauts die gemination ge&#x017F;chrieben,<lb/>
vgl. Boeth. 150<hi rendition="#sup">b</hi> vaa, 157<hi rendition="#sup">b</hi> 169<hi rendition="#sup">b</hi> 173<hi rendition="#sup">a</hi> etc. good; andere<lb/>
belege &#x017F;chlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad,<lb/>
aar, faag, gaa&#x017F;t, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad;<lb/>
briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood;<lb/>
tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils<lb/>
der acutus (wie in nord. h&#x017F;&#x017F;. und drucken) theils der<lb/>
circumflex. So findet &#x017F;ich im Boeth. 193<hi rendition="#sup">b</hi> í&#x017F;, 190<hi rendition="#sup">a</hi> á;<lb/>
häufiger i&#x017F;t der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige<lb/>
hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet &#x017F;eyn,<lb/>
darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm-<lb/>
lichen wörtern, &#x017F;o daß, einmahl die regel der dehnung<lb/>
fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege<lb/>
von wichtigkeit &#x017F;ind. Hier bei&#x017F;piele: á, vá, má, ár, gár,<lb/>
mán; éd, éce, égor, réca&#x017F;; tír, mín, tíd; ór, gód, ahóf,<lb/>
fón; fús, &#x017F;cúr, búan, bú etc. Vermuthlich i&#x017F;t keine alte<lb/>
h&#x017F;. ganz ohne &#x017F;olche vocalzeichen; der herausgober des<lb/>
Beovulf &#x017F;cheint &#x017F;ie nicht geachtet zu haben, ich treffe<lb/>
im druck kein einziges bei&#x017F;piel an. Den circumflex<lb/>
&#x017F;etzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls &#x017F;chwan-<lb/>
kend, z. b. â, âþ, hâl, gân, tâ, bân, lâc; bêc, gê<supplied>&#x017F;</supplied>, fêt;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0248] I. angelſächſiſche vocale. Angelſächſiſche buchſtaben. Der anſehnliche vorrath von denkmählern, deren bedeutendſte auch im druck bekannt gemacht worden ſind, hat noch keine critiſche und ſichere feſtſetzung des angelſ. alphabets herbeigeführt, worauf doch eine nähere unterſuchung der ſpielarten des dialects nach ort und zeit gegründet werden muß. Hickes vorſtellung von einer däniſch - ſächſiſchen und normänniſchen pe- riode kann, wenigſtens in der weiſe, wie er ſie durch- führt, nicht gebilligt werden. Gründlichere einſichten würden aber von genauem ſtudium der hſſ. ſelbſt, das nur in England vorzunehmen wäre, abhängen; ich habe mich hauptſächlich an die älteſten quellen, nämlich an die poëtiſchen gehalten und mittelſt der analogie der übrigen deutſchen ſprachen geſtrebt, die angelſ. buchſta- benlehre ſorgfältiger aufzufaßen, als bisher geſchehen war. Angelſächſiſche vocale. Leider bezeichnen die ausgaben und vermuthlich die hſſ. ſelbſt in der regel gar keinen gedehnten vocal, welches die unterſuchung außerordentlich erſchwert. In- deſſen finden ſich beachtungswerthe ſpuren einer ſolchen bezeichnung und zwar doppelter art: 1) zuweilen wird ſtatt des gedehnten lauts die gemination geſchrieben, vgl. Boeth. 150b vaa, 157b 169b 173a etc. good; andere belege ſchlage man bei Lye nach, unter aa, aac, aad, aar, faag, gaaſt, gaad, laad, maal, maan, raa, vaa, vaad; briig, riip, tiid; hood, oo, moor, roop, voo, vood; tuun etc. 2) zuweilen das dehnzeichen und zwar theils der acutus (wie in nord. hſſ. und drucken) theils der circumflex. So findet ſich im Boeth. 193b íſ, 190a á; häufiger iſt der gebrauch in der Paraphr., es mögen einige hundert wörter im ganzen gedicht bezeichnet ſeyn, darunter für alle fünf vocale, doch häufig in den näm- lichen wörtern, ſo daß, einmahl die regel der dehnung feſtgeſetzt, nur in wenigen einzelnen fällen die helege von wichtigkeit ſind. Hier beiſpiele: á, vá, má, ár, gár, mán; éd, éce, égor, récaſ; tír, mín, tíd; ór, gód, ahóf, fón; fús, ſcúr, búan, bú etc. Vermuthlich iſt keine alte hſ. ganz ohne ſolche vocalzeichen; der herausgober des Beovulf ſcheint ſie nicht geachtet zu haben, ich treffe im druck kein einziges beiſpiel an. Den circumflex ſetzt Lambard in der archäonom. aber ebenfalls ſchwan- kend, z. b. â, âþ, hâl, gân, tâ, bân, lâc; bêc, gêſ, fêt;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/248
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/248>, abgerufen am 18.12.2024.