(EE) das alts. e ist vieldeutiger, als das alth. und entspricht theils dem e, theils dem ei, theils dem ie (ia) im alth.; gerade so und aus dem selben grunde, wie und weshalb das alts. o theils dem o, theils dem ou, theils dem uo der alth. mundart zur seite steht.
1) e parallel dem alth. e, entsprungen aus ei. eo (lex) eweig (aeternus) snewes (nivis) hleo (sepulcrum) hreo (corpus mort.) seola (anima) era (dignitas) eron (hono- rare) lera (doctrina) ser (dolor) heran (illustrem) mer (magis) er (prius).
2) e = alth. ei; man kann es dem alts. als eine con- sequenz zurechnen, daß dieses e mit dem vorigen e gleichmäßig dem goth. ai entspricht, während das alth. den laut in zwei verschiedene ei und e auflöst. Beispiele: tue (duo) peda (tunica) arbedi (labor) bed exspectavit) scred (gradiebatur) a-hled (recludebat) heder (purus) ledjan, leddun (ducere) methm (cime- lium) bethja (ambo) leth (malum) meth (vitavit) wreth (iratus) egan (habere) fegn (scelus) steg (ascendebat) hneg (vergebat) segjan (inclinare) blec (pallidus) te- can (signum) gel (libidinosus) del (pars) hel (sanus) hem (domus) en (unus) hren (purus) men (scelus) ben (os) sken (luxit) sten (lapis) a -res (surrexit) fresa (periculum) mester (magister) gest (spiritus) lestean (exsequi) flesk (caro) suet (sudor) bet (momor- dit) wet (novit) hetan (jubere) etc.; stes (stas) sted (stat) vergleichen sich dem alth. steis, steit. Merkwürdig ist die veränderung des enan (unum) in enna, we- nigstens glaube ich: daß bei der gemination e nicht fortbesteht, sieh oben s. 124. über burro, herro.
3) e = alth. ia, ie, zuweilen = alth. io, insofern dieses selbst unorganisch und aus einer zus. ziehung entsprun- gen ist (oben s. 106.), nicht für das ächte io (z. b. nie leht, lux oder thed, gens). Diese dritte art des alts. e beruht folglich allgemein auf einer contraction frü- herer mehrsilbigkeit. Ich gebe in den clammern die alth. formen zur vergleichung: her (hiar, hier) meda (miata, mieta) therna (thiarna) let (liaß, ließ) sell (fial) giweld (wialt) geng (gianc) feng (fianc) redun (riatun) wellun (wialun, wielun) wep (wiaf, wiof) suep (versit) etc. So wie sich spuren des e für ie im alth. fanden (oben s. 92.), so schwanken umgekehrt die alts. hss. noch in ie und eo über, wovon nachher unter diesen diphth. Ob sich dies dritte e in der aus-
I. altſächſiſche vocale.
(EE) das altſ. ê iſt vieldeutiger, als das alth. und entſpricht theils dem ê, theils dem ei, theils dem ie (ia) im alth.; gerade ſo und aus dem ſelben grunde, wie und weshalb das altſ. ô theils dem ô, theils dem ou, theils dem uo der alth. mundart zur ſeite ſteht.
1) ê parallel dem alth. ê, entſprungen aus ei. êo (lex) êwîg (aeternus) ſnêwes (nivis) hlêo (ſepulcrum) hrêo (corpus mort.) ſêola (anima) êra (dignitas) êrôn (hono- rare) lêra (doctrina) ſêr (dolor) hêran (illuſtrem) mêr (magis) êr (prius).
2) ê = alth. ei; man kann es dem altſ. als eine con- ſequenz zurechnen, daß dieſes ê mit dem vorigen è gleichmäßig dem goth. ái entſpricht, während das alth. den laut in zwei verſchiedene ei und ê auflöſt. Beiſpiele: tuê (duo) pêda (tunica) arbêdi (labor) bêd exſpectavit) ſcrêd (gradiebatur) a-hlêd (recludebat) hêder (purus) lêdjan, lêddun (ducere) mêthm (cime- lium) bêthja (ambo) lêth (malum) mêth (vitavit) wrêth (iratus) êgan (habere) fêgn (ſcelus) ſtêg (aſcendebat) hnêg (vergebat) ſêgjan (inclinare) blêc (pallidus) tê- can (ſignum) gèl (libidinoſus) dêl (pars) hêl (ſanus) hêm (domus) ên (unus) hrên (purus) mên (ſcelus) bên (os) ſkên (luxit) ſtên (lapis) a -rês (ſurrexit) frêſa (periculum) mêſter (magiſter) gêſt (ſpiritus) lêſtëan (exſequi) flêſk (caro) ſuêt (ſudor) bêt (momor- dit) wêt (novit) hêtan (jubere) etc.; ſtês (ſtas) ſtêd (ſtat) vergleichen ſich dem alth. ſteis, ſteit. Merkwürdig iſt die veränderung des ênan (unum) in ënna, we- nigſtens glaube ich: daß bei der gemination ê nicht fortbeſteht, ſieh oben ſ. 124. über burro, hërro.
3) ê = alth. ia, ie, zuweilen = alth. io, inſofern dieſes ſelbſt unorganiſch und aus einer zuſ. ziehung entſprun- gen iſt (oben ſ. 106.), nicht für das ächte io (z. b. nie lêht, lux oder thêd, gens). Dieſe dritte art des altſ. ê beruht folglich allgemein auf einer contraction frü- herer mehrſilbigkeit. Ich gebe in den clammern die alth. formen zur vergleichung: hêr (hiar, hier) mêda (miata, mieta) thêrna (thiarna) lêt (liaƷ, lieƷ) ſêll (fial) giwêld (wialt) gêng (gianc) fêng (fianc) rêdun (riatun) wêllun (wialun, wielun) wêp (wiaf, wiof) ſuêp (verſit) etc. So wie ſich ſpuren des ê für ie im alth. fanden (oben ſ. 92.), ſo ſchwanken umgekehrt die altſ. hſſ. noch in ie und ëo über, wovon nachher unter dieſen diphth. Ob ſich dies dritte ê in der aus-
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[205/0231]
I. altſächſiſche vocale.
(EE) das altſ. ê iſt vieldeutiger, als das alth. und
entſpricht theils dem ê, theils dem ei, theils dem ie (ia)
im alth.; gerade ſo und aus dem ſelben grunde, wie
und weshalb das altſ. ô theils dem ô, theils dem ou,
theils dem uo der alth. mundart zur ſeite ſteht.
1) ê parallel dem alth. ê, entſprungen aus ei. êo (lex)
êwîg (aeternus) ſnêwes (nivis) hlêo (ſepulcrum) hrêo
(corpus mort.) ſêola (anima) êra (dignitas) êrôn (hono-
rare) lêra (doctrina) ſêr (dolor) hêran (illuſtrem) mêr
(magis) êr (prius).
2) ê = alth. ei; man kann es dem altſ. als eine con-
ſequenz zurechnen, daß dieſes ê mit dem vorigen è
gleichmäßig dem goth. ái entſpricht, während das
alth. den laut in zwei verſchiedene ei und ê auflöſt.
Beiſpiele: tuê (duo) pêda (tunica) arbêdi (labor) bêd
exſpectavit) ſcrêd (gradiebatur) a-hlêd (recludebat)
hêder (purus) lêdjan, lêddun (ducere) mêthm (cime-
lium) bêthja (ambo) lêth (malum) mêth (vitavit) wrêth
(iratus) êgan (habere) fêgn (ſcelus) ſtêg (aſcendebat)
hnêg (vergebat) ſêgjan (inclinare) blêc (pallidus) tê-
can (ſignum) gèl (libidinoſus) dêl (pars) hêl (ſanus)
hêm (domus) ên (unus) hrên (purus) mên (ſcelus)
bên (os) ſkên (luxit) ſtên (lapis) a -rês (ſurrexit)
frêſa (periculum) mêſter (magiſter) gêſt (ſpiritus)
lêſtëan (exſequi) flêſk (caro) ſuêt (ſudor) bêt (momor-
dit) wêt (novit) hêtan (jubere) etc.; ſtês (ſtas) ſtêd (ſtat)
vergleichen ſich dem alth. ſteis, ſteit. Merkwürdig
iſt die veränderung des ênan (unum) in ënna, we-
nigſtens glaube ich: daß bei der gemination ê nicht
fortbeſteht, ſieh oben ſ. 124. über burro, hërro.
3) ê = alth. ia, ie, zuweilen = alth. io, inſofern dieſes
ſelbſt unorganiſch und aus einer zuſ. ziehung entſprun-
gen iſt (oben ſ. 106.), nicht für das ächte io (z. b. nie
lêht, lux oder thêd, gens). Dieſe dritte art des altſ.
ê beruht folglich allgemein auf einer contraction frü-
herer mehrſilbigkeit. Ich gebe in den clammern die
alth. formen zur vergleichung: hêr (hiar, hier) mêda
(miata, mieta) thêrna (thiarna) lêt (liaƷ, lieƷ) ſêll
(fial) giwêld (wialt) gêng (gianc) fêng (fianc) rêdun
(riatun) wêllun (wialun, wielun) wêp (wiaf, wiof)
ſuêp (verſit) etc. So wie ſich ſpuren des ê für ie
im alth. fanden (oben ſ. 92.), ſo ſchwanken umgekehrt
die altſ. hſſ. noch in ie und ëo über, wovon nachher
unter dieſen diphth. Ob ſich dies dritte ê in der aus-
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/231>, abgerufen am 24.11.2024.
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