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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. gutturales.
cimbri (kiabroi), dieses c muß der goth. und über-
haupt der organischen tenuis (folglich dem alth. ch)
entsprechen; mit sicherheit vergleichen läßt sich nur
das letzte wort: cimber ist kambar (strenuus), wofür
N. chamber geschrieben haben würde. Welchen laut
bedeuten aber nun die röm. ch in chatti, cherusci,
chamavi, chauci? vgl. Ammians chonodomarius. Wä-
ren nicht die vier ersten rücksichtlich ihrer wurzel
so dunkel, daß man sie kaum zu deuten wagt, so
würde die vergleichung der späteren form den beßten
maßstab darreichen. Es bleiben nur folgende annah-
men übrig [a]) ch ist in diesen fällen mit c eins, wie
denn wirklich hss. catti f. chatti und Strabo kaukoi,
Dio Cass. (Reim. 544. 967.) kaukhoi neben khaukoi *)
schreiben, letzterer auch (1104) khariomeros, was doch
mit obigem cario in cariovalda, carietto zusammen-
trifft. Die Römer brauchten das ch in barbarischen
namen (Schn. 209. 210.) sie schwankten selbst in lat.
(aus dem gr. entlehnten) wörtern zwischen c und ch.
Das ch in chonodomarius ist gewiß ein organisches
k, denn chonod bedeutet goth. knods (genus) alth.
chnuot. b) will man den Römern das schwanken
zwischen c und ch in diesen deutschen namen nicht
zur last legen. sondern die asp. als schon damahls in
unserer sprache vorhanden gelten laßen; so stimmt
das freilich nicht wohl zu dem aufgestellten grundsatz,
noch zu der annahme. daß die ten. des labial- und
lingualsystems in jener zeit ungetrübt bestanden habe.
Andererseits muß erwogen werden, daß der mangel
der gutt. asp. im goth. eine wirkliche lücke bildet,
die im organ einer andern mundart ausgefüllt gewe-
sen seyn könnte. Nur müste dann jene asp. in wör-
tern vorkommen, welche im goth. oder sächs. keine
ten. zeigten. Die seltenheit und schwierigkeit der
beispiele des ch verhindert aber hier weiter einzudrin-
gen. g) noch eine andere muthmaßung wäre, daß
gewiß hart) kann hercynius unmöglich verwandt seyn.
Vgl. das nord. harka (durare) harka (asperitas, durities)
herkja (id.) herkinn (durans).
*) Auch Lucan und Claudian cauci mit der scansion ca-uci
(Mannert 3, 306) vgl angels. ceac (gena, maxilla) engl.
cheek; wäre alth. chauh. chouh, das aber ganz etwas an-
deres, nämlich das heutige kauz (strix) bedeutet, vgl.
M. S. 2, 144a chouh: ouh.
I. althochdeutſche conſonanten. gutturales.
cimbri (κίαβροι), dieſes c muß der goth. und über-
haupt der organiſchen tenuis (folglich dem alth. ch)
entſprechen; mit ſicherheit vergleichen läßt ſich nur
das letzte wort: cimber iſt kambar (ſtrenuus), wofür
N. chamber geſchrieben haben würde. Welchen laut
bedeuten aber nun die röm. ch in chatti, cheruſci,
chamavi, chauci? vgl. Ammians chonodomarius. Wä-
ren nicht die vier erſten rückſichtlich ihrer wurzel
ſo dunkel, daß man ſie kaum zu deuten wagt, ſo
würde die vergleichung der ſpäteren form den beßten
maßſtab darreichen. Es bleiben nur folgende annah-
men übrig [α]) ch iſt in dieſen fällen mit c eins, wie
denn wirklich hſſ. catti f. chatti und Strabo καύκοι,
Dio Caſſ. (Reim. 544. 967.) καύχοι neben χαύκοι *)
ſchreiben, letzterer auch (1104) χαριόμηρος, was doch
mit obigem cario in cariovalda, carietto zuſammen-
trifft. Die Römer brauchten das ch in barbariſchen
namen (Schn. 209. 210.) ſie ſchwankten ſelbſt in lat.
(aus dem gr. entlehnten) wörtern zwiſchen c und ch.
Das ch in chonodomarius iſt gewiß ein organiſches
k, denn chonôd bedeutet goth. knôds (genus) alth.
chnuot. β) will man den Römern das ſchwanken
zwiſchen c und ch in dieſen deutſchen namen nicht
zur laſt legen. ſondern die aſp. als ſchon damahls in
unſerer ſprache vorhanden gelten laßen; ſo ſtimmt
das freilich nicht wohl zu dem aufgeſtellten grundſatz,
noch zu der annahme. daß die ten. des labial- und
lingualſyſtems in jener zeit ungetrübt beſtanden habe.
Andererſeits muß erwogen werden, daß der mangel
der gutt. aſp. im goth. eine wirkliche lücke bildet,
die im organ einer andern mundart ausgefüllt gewe-
ſen ſeyn könnte. Nur müſte dann jene aſp. in wör-
tern vorkommen, welche im goth. oder ſächſ. keine
ten. zeigten. Die ſeltenheit und ſchwierigkeit der
beiſpiele des ch verhindert aber hier weiter einzudrin-
gen. γ) noch eine andere muthmaßung wäre, daß
gewiß hart) kann hercynius unmöglich verwandt ſeyn.
Vgl. das nord. harka (durare) harka (aſperitas, durities)
herkja (id.) herkinn (durans).
*) Auch Lucan und Claudian cauci mit der ſcanſion ca-uci
(Mannert 3, 306) vgl angelſ. ceác (gena, maxilla) engl.
cheek; wäre alth. chauh. chouh, das aber ganz etwas an-
deres, nämlich das heutige kauz (ſtrix) bedeutet, vgl.
M. S. 2, 144a chouh: ouh.
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[178/0204] I. althochdeutſche conſonanten. gutturales. cimbri (κίαβροι), dieſes c muß der goth. und über- haupt der organiſchen tenuis (folglich dem alth. ch) entſprechen; mit ſicherheit vergleichen läßt ſich nur das letzte wort: cimber iſt kambar (ſtrenuus), wofür N. chamber geſchrieben haben würde. Welchen laut bedeuten aber nun die röm. ch in chatti, cheruſci, chamavi, chauci? vgl. Ammians chonodomarius. Wä- ren nicht die vier erſten rückſichtlich ihrer wurzel ſo dunkel, daß man ſie kaum zu deuten wagt, ſo würde die vergleichung der ſpäteren form den beßten maßſtab darreichen. Es bleiben nur folgende annah- men übrig α) ch iſt in dieſen fällen mit c eins, wie denn wirklich hſſ. catti f. chatti und Strabo καύκοι, Dio Caſſ. (Reim. 544. 967.) καύχοι neben χαύκοι *) ſchreiben, letzterer auch (1104) χαριόμηρος, was doch mit obigem cario in cariovalda, carietto zuſammen- trifft. Die Römer brauchten das ch in barbariſchen namen (Schn. 209. 210.) ſie ſchwankten ſelbſt in lat. (aus dem gr. entlehnten) wörtern zwiſchen c und ch. Das ch in chonodomarius iſt gewiß ein organiſches k, denn chonôd bedeutet goth. knôds (genus) alth. chnuot. β) will man den Römern das ſchwanken zwiſchen c und ch in dieſen deutſchen namen nicht zur laſt legen. ſondern die aſp. als ſchon damahls in unſerer ſprache vorhanden gelten laßen; ſo ſtimmt das freilich nicht wohl zu dem aufgeſtellten grundſatz, noch zu der annahme. daß die ten. des labial- und lingualſyſtems in jener zeit ungetrübt beſtanden habe. Andererſeits muß erwogen werden, daß der mangel der gutt. aſp. im goth. eine wirkliche lücke bildet, die im organ einer andern mundart ausgefüllt gewe- ſen ſeyn könnte. Nur müſte dann jene aſp. in wör- tern vorkommen, welche im goth. oder ſächſ. keine ten. zeigten. Die ſeltenheit und ſchwierigkeit der beiſpiele des ch verhindert aber hier weiter einzudrin- gen. γ) noch eine andere muthmaßung wäre, daß **) *) Auch Lucan und Claudian cauci mit der ſcanſion ca-uci (Mannert 3, 306) vgl angelſ. ceác (gena, maxilla) engl. cheek; wäre alth. chauh. chouh, das aber ganz etwas an- deres, nämlich das heutige kauz (ſtrix) bedeutet, vgl. M. S. 2, 144a chouh: ouh. **) gewiß hart) kann hercynius unmöglich verwandt ſeyn. Vgl. das nord. harka (durare) harka (aſperitas, durities) herkja (id.) herkinn (durans).

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/204>, abgerufen am 09.11.2024.