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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche consonanten. linguales.
der Hessen aus chatti sträubt sich grammatisch der grund-
satz, daß aus dem t zwar z oder ß, aber kein s wird,
auch spricht der Niederdeutsche nie: hetten, wie er
sprechen müste, wenn die form heßen, d. i. heßen er-
weislich wäre, sondern überall hessen, wodurch also
die hochd. schreibung und aussprache hessen bestätigt
wird. Das chatti, khattoi *), römischer schriftsteller
würde (wie das goth. skatts, attila; alth. scaz, azilo;
mittelh. scatz, etzele) sogar hazei (wenn man starke decl.
zugibt) mittelh. hetze erfordern, statt welches bestimmt
hessen (schwach) vorkommt (Nib. 717. wo das haße
der münchn. hs. ein mißverständniß voraussetzt). Ganz
in die nachbarschaft der chatti setzt Tac. einen gerin-
gern, vielleicht jenen verwandten stamm, die chasuari,
bei Strabo khattouaroi, bei Vellejus attuarii geschrieben.
Hier wäre also, wenn des Tac. lesart richtig ist, wie
ich glaube, frühe verwechselung des t mit dem s und
es kommt hinzu, daß noch im 8ten jahrh. die fränk.
annalen der terra hattuariorum, hatuariorum, hattario-
rum gedenken, wobei die variante hazzoariorum **).
Nur scheint es mir uncritisch diese chattuarii mit den
chatti und gar den späteren hassi für eins oder für enge
verbunden zu halten ***). Der name chatti stchet zu-
letzt bei Sidon. apoll. 7, 388, und Greg. tur. 2, 9. (der
hier aus Sulpitius Alex. schöpft; cod. corbej. liest chati);
die einige jahrh. nachher auftretenden hassi, hessi, hes-
sones, überall so +), nirgends haßi, heßi geschrieben
fallen zwar geographisch mit jenen beinahe zusammen,

*) Mattiacum ist nach Ptol. maktiadum angenommen, oder le-
sen hss. mattiakon? bei Tac. heißt der ort mattium, aber
ein chattisches volk mattiaci kennt er. Diese namen lei-
den keine sichere anwendung auf hentige Mit den eigen-
namen catumer, catualda braucht chatti, catti nicht ver-
wandt zu seyn. Der übergang des ct in tt ist leicht und
hss. lesen selbst chacti f. chatti.
**) Ann. petav. tilian. fontanell. metens. fuldens. alle ad ann.
715. (Bouquet II. 641. 642. 659. 673. 682.)
***) Entscheidend dagegen spricht, daß in den annal, fuldens,
auf demselben blatt die haßoarii (ad a. 715.) und hessii
(ad ann. 719) vorkommen.
+) Die stellen hat Wenk 2, 181. 182. 183. 201. 223. 225. 231.
241 etc. hessi ist ein alth. gangbarer mannsname: trad. suld.
p. 541. 542, Ried n° 29. hasso, Neug. n° 24. etc. ohne zwei-
fel von dem ebenfalls häufigen heiti, hetto, hatto, hatzo,
hetzi verschieden.

I. althochdeutſche conſonanten. linguales.
der Heſſen aus chatti ſträubt ſich grammatiſch der grund-
ſatz, daß aus dem t zwar z oder Ʒ, aber kein ſ wird,
auch ſpricht der Niederdeutſche nie: hetten, wie er
ſprechen müſte, wenn die form heßen, d. i. heƷƷen er-
weiſlich wäre, ſondern überall heſſen, wodurch alſo
die hochd. ſchreibung und ausſprache heſſen beſtätigt
wird. Das chatti, χάττοι *), römiſcher ſchriftſteller
würde (wie das goth. ſkatts, attila; alth. ſcaz, azilo;
mittelh. ſcatz, etzele) ſogar hazî (wenn man ſtarke decl.
zugibt) mittelh. hetze erfordern, ſtatt welches beſtimmt
heſſen (ſchwach) vorkommt (Nib. 717. wo das haƷƷe
der münchn. hſ. ein mißverſtändniß vorausſetzt). Ganz
in die nachbarſchaft der chatti ſetzt Tac. einen gerin-
gern, vielleicht jenen verwandten ſtamm, die chaſuari,
bei Strabo χαττουάροι, bei Vellejus attuarii geſchrieben.
Hier wäre alſo, wenn des Tac. lesart richtig iſt, wie
ich glaube, frühe verwechſelung des t mit dem ſ und
es kommt hinzu, daß noch im 8ten jahrh. die fränk.
annalen der terra hattuariorum, hatuariorum, hattario-
rum gedenken, wobei die variante hazzoariorum **).
Nur ſcheint es mir uncritiſch dieſe chattuarii mit den
chatti und gar den ſpäteren haſſi für eins oder für enge
verbunden zu halten ***). Der name chatti ſtchet zu-
letzt bei Sidon. apoll. 7, 388, und Greg. tur. 2, 9. (der
hier aus Sulpitius Alex. ſchöpft; cod. corbej. lieſt chati);
die einige jahrh. nachher auftretenden haſſi, heſſi, heſ-
ſones, überall ſo †), nirgends haƷƷi, heƷƷi geſchrieben
fallen zwar geographiſch mit jenen beinahe zuſammen,

*) Mattiacum iſt nach Ptol. μακτιαδυμ angenommen, oder le-
ſen hſſ. ματτιακόν? bei Tac. heißt der ort mattium, aber
ein chattiſches volk mattiaci kennt er. Dieſe namen lei-
den keine ſichere anwendung auf hentige Mit den eigen-
namen catumer, catualda braucht chatti, catti nicht ver-
wandt zu ſeyn. Der übergang des ct in tt iſt leicht und
hſſ. leſen ſelbſt chacti f. chatti.
**) Ann. petav. tilian. fontanell. metenſ. fuldenſ. alle ad ann.
715. (Bouquet II. 641. 642. 659. 673. 682.)
***) Entſcheidend dagegen ſpricht, daß in den annal, fuldenſ,
auf demſelben blatt die haƷƷoarii (ad a. 715.) und heſſii
(ad ann. 719) vorkommen.
†) Die ſtellen hat Wenk 2, 181. 182. 183. 201. 223. 225. 231.
241 etc. heſſi iſt ein alth. gangbarer mannsname: trad. ſuld.
p. 541. 542, Ried n° 29. haſſo, Neug. n° 24. etc. ohne zwei-
fel von dem ebenfalls häufigen heiti, hetto, hatto, hatzo,
hetzi verſchieden.
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[172/0198] I. althochdeutſche conſonanten. linguales. der Heſſen aus chatti ſträubt ſich grammatiſch der grund- ſatz, daß aus dem t zwar z oder Ʒ, aber kein ſ wird, auch ſpricht der Niederdeutſche nie: hetten, wie er ſprechen müſte, wenn die form heßen, d. i. heƷƷen er- weiſlich wäre, ſondern überall heſſen, wodurch alſo die hochd. ſchreibung und ausſprache heſſen beſtätigt wird. Das chatti, χάττοι *), römiſcher ſchriftſteller würde (wie das goth. ſkatts, attila; alth. ſcaz, azilo; mittelh. ſcatz, etzele) ſogar hazî (wenn man ſtarke decl. zugibt) mittelh. hetze erfordern, ſtatt welches beſtimmt heſſen (ſchwach) vorkommt (Nib. 717. wo das haƷƷe der münchn. hſ. ein mißverſtändniß vorausſetzt). Ganz in die nachbarſchaft der chatti ſetzt Tac. einen gerin- gern, vielleicht jenen verwandten ſtamm, die chaſuari, bei Strabo χαττουάροι, bei Vellejus attuarii geſchrieben. Hier wäre alſo, wenn des Tac. lesart richtig iſt, wie ich glaube, frühe verwechſelung des t mit dem ſ und es kommt hinzu, daß noch im 8ten jahrh. die fränk. annalen der terra hattuariorum, hatuariorum, hattario- rum gedenken, wobei die variante hazzoariorum **). Nur ſcheint es mir uncritiſch dieſe chattuarii mit den chatti und gar den ſpäteren haſſi für eins oder für enge verbunden zu halten ***). Der name chatti ſtchet zu- letzt bei Sidon. apoll. 7, 388, und Greg. tur. 2, 9. (der hier aus Sulpitius Alex. ſchöpft; cod. corbej. lieſt chati); die einige jahrh. nachher auftretenden haſſi, heſſi, heſ- ſones, überall ſo †), nirgends haƷƷi, heƷƷi geſchrieben fallen zwar geographiſch mit jenen beinahe zuſammen, *) Mattiacum iſt nach Ptol. μακτιαδυμ angenommen, oder le- ſen hſſ. ματτιακόν? bei Tac. heißt der ort mattium, aber ein chattiſches volk mattiaci kennt er. Dieſe namen lei- den keine ſichere anwendung auf hentige Mit den eigen- namen catumer, catualda braucht chatti, catti nicht ver- wandt zu ſeyn. Der übergang des ct in tt iſt leicht und hſſ. leſen ſelbſt chacti f. chatti. **) Ann. petav. tilian. fontanell. metenſ. fuldenſ. alle ad ann. 715. (Bouquet II. 641. 642. 659. 673. 682.) ***) Entſcheidend dagegen ſpricht, daß in den annal, fuldenſ, auf demſelben blatt die haƷƷoarii (ad a. 715.) und heſſii (ad ann. 719) vorkommen. †) Die ſtellen hat Wenk 2, 181. 182. 183. 201. 223. 225. 231. 241 etc. heſſi iſt ein alth. gangbarer mannsname: trad. ſuld. p. 541. 542, Ried n° 29. haſſo, Neug. n° 24. etc. ohne zwei- fel von dem ebenfalls häufigen heiti, hetto, hatto, hatzo, hetzi verſchieden.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/198>, abgerufen am 23.11.2024.