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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allgemeine vergleichung der conjugation.
2) beruht der begriff des schwachen verbums auf der
durch äußerliche und erst nach dem ableitungsvocal ein-
tretende zuthat ausgedrückten vergangenheit. Da die-
ses praet. als eigentliche flexion betrachtet werden muß,
verlangt es hier nähere untersuchung: a) im goth. lau-
tet der sg. -da, der pl. -dedum, das part. -ths, gen.
-dis (s. 845. 1009) in allen übrigen mundarten stimmen
sg. pl. und part. überein, alth. -ta, -tumes, -ter; alts.
-da, -dun, -d; angels. -de, -don, -d; altn. -dha,
-dhum, -dhr
(nach Rasks ansicht; beßer wohl -da,
-dum, -dhr). Abänderungen, welche durch syncope
des ableitungsvocals in dieser flexion entstehen können,
gehen uns hier nichts an. b) der goth. sg. -da ent-
spricht dem alth. -ta, sächs. -da, angels. -de etc. aber
der goth. pl. (sammt dem davon geleiteten sg. und
pl. praet. conj.) besitzt eine ganze silbe mehr. -dedum
würde ein alth. -tatumes, ein alts. dadum etc. fordern.
Nur in einer einzigen stelle K. 18b erlosotatun (impege-
runt) st. erlosotun, wofern richtig gelesen und ein erlo-
son (impingere) glaublich ist [wie wenn erloso oder das
dafür zu setzende wort acc. pl. fem. wäre und der über-
setzer impegerunt in ictus dederunt aufgelöst hätte?
vielleicht erdstoßo oder erdstoßa tatun?] gleich dane-
ben steht auch platon. frahetomes etc. g) hat sich ta-
tun in -tun, -dadun in -dun abgeschliffen, könnte uns
auch der goth. pl. -dedun einen älteren vollständigeren
sg. weißagen; wie aber lautete dieser? Die form dedun
an und für sich gemahnt an bedun, tredun alth. pa-
t[a]n, tratun und diese antworten genau dem vermuthe-
ten -tatun, welches gerade praet. pl. des anomalen tuon
ist (s. 885). d) keine unter allen anomalien des verbums
ist dunkler, als tuon, don, dem goth. und nord. dialect
mangelt es merkwürdigerweise. Der Gothe übersetzt
poiein mit taujan (alth. zawjan, mittelh. zöuwen) wel-
ches dem alth. tuon gar nicht verwandt ist; der altn.
ausdruck für denselben begriff lautet gera (alth. kara-
wan). Allein im goth. hat sich das subst. deds und dedja
(alth. tat und tato) im altn. dad erhalten, zum zeichen,
daß das verbum diesen sprachen nicht fremd sey. Die
vollständigen formen der hochd. sächs. und fries. anoma-
lie sind nicht wohl mit einander zu vereinbaren: der
alth. inf. tuon entspricht dem angels. don, doch das
alth. part. kitan nicht dem angels. gedon; alts. lauten
zwar, wie im angels., praes. und part. mit demselben
vocal duan und giduan, nur dieses ua parallelisiert sich

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II. allgemeine vergleichung der conjugation.
2) beruht der begriff des ſchwachen verbums auf der
durch äußerliche und erſt nach dem ableitungsvocal ein-
tretende zuthat ausgedrückten vergangenheit. Da die-
ſes praet. als eigentliche flexion betrachtet werden muß,
verlangt es hier nähere unterſuchung: α) im goth. lau-
tet der ſg. -da, der pl. -dêdum, das part. -þs, gen.
-dis (ſ. 845. 1009) in allen übrigen mundarten ſtimmen
ſg. pl. und part. überein, alth. -ta, -tumês, -têr; altſ.
-da, -dun, -d; angelſ. -de, -don, -d; altn. -dha,
-dhum, -dhr
(nach Raſks anſicht; beßer wohl -da,
-dum, -dhr). Abänderungen, welche durch ſyncope
des ableitungsvocals in dieſer flexion entſtehen können,
gehen uns hier nichts an. β) der goth. ſg. -da ent-
ſpricht dem alth. -ta, ſächſ. -da, angelſ. -de etc. aber
der goth. pl. (ſammt dem davon geleiteten ſg. und
pl. praet. conj.) beſitzt eine ganze ſilbe mehr. -dêdum
würde ein alth. -tâtumês, ein altſ. dâdum etc. fordern.
Nur in einer einzigen ſtelle K. 18b erloſôtâtun (impege-
runt) ſt. erloſôtun, wofern richtig geleſen und ein erlo-
ſôn (impingere) glaublich iſt [wie wenn erloſô oder das
dafür zu ſetzende wort acc. pl. fem. wäre und der über-
ſetzer impegerunt in ictus dederunt aufgelöſt hätte?
vielleicht ërdſtôƷô oder erdſtôƷâ tâtun?] gleich dane-
ben ſteht auch plâton. frâhêtomês etc. γ) hat ſich tâ-
tun in -tun, -dâdun in -dun abgeſchliffen, könnte uns
auch der goth. pl. -dêdun einen älteren vollſtändigeren
ſg. weißagen; wie aber lautete dieſer? Die form dèdun
an und für ſich gemahnt an bêdun, trêdun alth. pâ-
t[a]n, trâtun und dieſe antworten genau dem vermuthe-
ten -tâtun, welches gerade praet. pl. des anomalen tuon
iſt (ſ. 885). δ) keine unter allen anomalien des verbums
iſt dunkler, als tuon, dôn, dem goth. und nord. dialect
mangelt es merkwürdigerweiſe. Der Gothe überſetzt
ποιεῖν mit táujan (alth. zawjan, mittelh. zöuwen) wel-
ches dem alth. tuon gar nicht verwandt iſt; der altn.
ausdruck für denſelben begriff lautet gera (alth. kara-
wan). Allein im goth. hat ſich das ſubſt. dêds und dêdja
(alth. tât und tâto) im altn. dâd erhalten, zum zeichen,
daß das verbum dieſen ſprachen nicht fremd ſey. Die
vollſtändigen formen der hochd. ſächſ. und frieſ. anoma-
lie ſind nicht wohl mit einander zu vereinbaren: der
alth. inf. tuon entſpricht dem angelſ. dôn, doch das
alth. part. kitân nicht dem angelſ. gedôn; altſ. lauten
zwar, wie im angelſ., praeſ. und part. mit demſelben
vocal duan und giduan, nur dieſes ua paralleliſiert ſich

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[1041/1067] II. allgemeine vergleichung der conjugation. 2) beruht der begriff des ſchwachen verbums auf der durch äußerliche und erſt nach dem ableitungsvocal ein- tretende zuthat ausgedrückten vergangenheit. Da die- ſes praet. als eigentliche flexion betrachtet werden muß, verlangt es hier nähere unterſuchung: α) im goth. lau- tet der ſg. -da, der pl. -dêdum, das part. -þs, gen. -dis (ſ. 845. 1009) in allen übrigen mundarten ſtimmen ſg. pl. und part. überein, alth. -ta, -tumês, -têr; altſ. -da, -dun, -d; angelſ. -de, -don, -d; altn. -dha, -dhum, -dhr (nach Raſks anſicht; beßer wohl -da, -dum, -dhr). Abänderungen, welche durch ſyncope des ableitungsvocals in dieſer flexion entſtehen können, gehen uns hier nichts an. β) der goth. ſg. -da ent- ſpricht dem alth. -ta, ſächſ. -da, angelſ. -de etc. aber der goth. pl. (ſammt dem davon geleiteten ſg. und pl. praet. conj.) beſitzt eine ganze ſilbe mehr. -dêdum würde ein alth. -tâtumês, ein altſ. dâdum etc. fordern. Nur in einer einzigen ſtelle K. 18b erloſôtâtun (impege- runt) ſt. erloſôtun, wofern richtig geleſen und ein erlo- ſôn (impingere) glaublich iſt [wie wenn erloſô oder das dafür zu ſetzende wort acc. pl. fem. wäre und der über- ſetzer impegerunt in ictus dederunt aufgelöſt hätte? vielleicht ërdſtôƷô oder erdſtôƷâ tâtun?] gleich dane- ben ſteht auch plâton. frâhêtomês etc. γ) hat ſich tâ- tun in -tun, -dâdun in -dun abgeſchliffen, könnte uns auch der goth. pl. -dêdun einen älteren vollſtändigeren ſg. weißagen; wie aber lautete dieſer? Die form dèdun an und für ſich gemahnt an bêdun, trêdun alth. pâ- tan, trâtun und dieſe antworten genau dem vermuthe- ten -tâtun, welches gerade praet. pl. des anomalen tuon iſt (ſ. 885). δ) keine unter allen anomalien des verbums iſt dunkler, als tuon, dôn, dem goth. und nord. dialect mangelt es merkwürdigerweiſe. Der Gothe überſetzt ποιεῖν mit táujan (alth. zawjan, mittelh. zöuwen) wel- ches dem alth. tuon gar nicht verwandt iſt; der altn. ausdruck für denſelben begriff lautet gera (alth. kara- wan). Allein im goth. hat ſich das ſubſt. dêds und dêdja (alth. tât und tâto) im altn. dâd erhalten, zum zeichen, daß das verbum dieſen ſprachen nicht fremd ſey. Die vollſtändigen formen der hochd. ſächſ. und frieſ. anoma- lie ſind nicht wohl mit einander zu vereinbaren: der alth. inf. tuon entſpricht dem angelſ. dôn, doch das alth. part. kitân nicht dem angelſ. gedôn; altſ. lauten zwar, wie im angelſ., praeſ. und part. mit demſelben vocal duan und giduan, nur dieſes ua paralleliſiert ſich U u u

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1041. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1067>, abgerufen am 22.11.2024.