Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.II. anomalien der neuhochd. conjugation. leitete; laden, ladete; reden, redete; retten, rettete;schütten, schüttete; falten, faltete; renten, rentete; här- ten, härtete; heften, heftete; leisten, leistete; lichten, lich- tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun- dete; morden, mordete. Die sprache hat das bewußtseyn ihrer alten, großen mittel eingebüßt; sie strebt nach deutlichkeit und wohllaut, erreicht aber nur eine ängst- liche, nur einen beschränkten; ladte, redte, rettte, endte schien ihr zu hart, latte, rette, ente zu gewagt, ladete, redete, rettete, endete blieb einzig ausweg. Selbst dem sante, wante fügte schreibung ein d hinzu; bemer- kenswerth ist auch, daß diese ausnahmsweisen rückum- laute auf den ind. eingeschränkt sind, ihr praet. conj. heißt kennte, brennte, nennte, sendete, wendete, nicht kännte, nännte, sändte, wändte. Das praet. conj. schwacher form lautet niemahls um, außer in den ano- malien. Bildungen mit el, er, ig stoßen e vor dem -te regelmäßig aus: schmeicheln, schmeichelte; sigeln, seigelte; wundern, wunderte; schaedigen, schaedigte; die mit em, en lieber das bildungs-e und behalten jenes: athmen, athmete; regnen, regnete (nicht athemte, re- gente). Neuhochdeutsche anomalien. 1) esse vierstämmig a) III. praes. sg. ind. ist. b) inf. seyn (= sein); ind. pl. sind, seyd (seid, f. seit) sind; conj. sey, seyst, sey; seyen, seyet, seyen; imp. sey, seyet; kein part. praet. geseyn. g) I. sg. ind. bin II. bist. d) kein inf. wesen, kein imp. wis, nur die for- men des praet. war, warst, war; pl. waren: conj. woere; part. gewefen. 2) muß, must, muß; pl. müßen; praet. muste; conj. müße; praet. müste. b) weiß, weist, weiß; wißen; praet. wusie; conj. wiße; praet. wüste. g) mag, magst, mag; moegen; praet. mochte; conj. moege; praet. möchte. -- d) soll, sollst, soll; sollen; praet. sollte; conj. solle; sollte (nicht söllte). -- e) kann, kannst, kann; können; praet. konnte; conj. könne; praet. könnte. -- z) darf, darfst, darf; dürfen; praet. durfte; conj. dürfe; dürfte. -- anm. a) die inf. und plur. ind. lau- ten um: müßen, moegen, können, dürfen; sollen bleibt (nicht söllen). b) alle part. praet. schwach: gemust, ge- wust. gemocht, gesollt, gekonnt, gedurft. c) das mittelh. tar ist ausgestorben; taugen und gönnen gehen regel- II. anomalien der neuhochd. conjugation. leitete; lâden, lâdete; rêden, rêdete; retten, rettete;ſchütten, ſchüttete; falten, faltete; renten, rentete; här- ten, härtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, lich- tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun- dete; morden, mordete. Die ſprache hat das bewußtſeyn ihrer alten, großen mittel eingebüßt; ſie ſtrebt nach deutlichkeit und wohllaut, erreicht aber nur eine ängſt- liche, nur einen beſchränkten; ladte, redte, rettte, endte ſchien ihr zu hart, latte, rette, ente zu gewagt, lâdete, rêdete, rettete, endete blieb einzig ausweg. Selbſt dem ſante, wante fügte ſchreibung ein d hinzu; bemer- kenswerth iſt auch, daß diese ausnahmsweiſen rückum- laute auf den ind. eingeſchränkt ſind, ihr praet. conj. heißt kennte, brennte, nennte, ſendete, wendete, nicht kännte, nännte, ſändte, wändte. Das praet. conj. ſchwacher form lautet niemahls um, außer in den ano- malien. Bildungen mit el, er, ig ſtoßen e vor dem -te regelmäßig aus: ſchmeicheln, ſchmeichelte; ſìgeln, ſîgelte; wundern, wunderte; ſchædigen, ſchædigte; die mit em, en lieber das bildungs-e und behalten jenes: âthmen, âthmete; rêgnen, rêgnete (nicht âthemte, rê- gente). Neuhochdeutſche anomalien. 1) eſſe vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. iſt. β) inf. ſeyn (= ſein); ind. pl. ſind, ſeyd (ſeid, f. ſeit) ſind; conj. ſey, ſeyſt, ſey; ſeyen, ſeyet, ſeyen; imp. ſey, ſeyet; kein part. praet. geſeyn. γ) I. ſg. ind. bin II. biſt. δ) kein inf. wèſen, kein imp. wis, nur die for- men des praet. wâr, wârſt, wâr; pl. wâren: conj. wœre; part. gewêfen. 2) muß, muſt, muß; pl. müßen; praet. muſte; conj. müße; praet. müſte. β) weiß, weiſt, weiß; wißen; praet. wuſie; conj. wiße; praet. wüſte. γ) mâg, mâgſt, mâg; mœgen; praet. mochte; conj. mœge; praet. möchte. — δ) ſoll, ſollſt, ſoll; ſollen; praet. ſollte; conj. ſolle; ſollte (nicht ſöllte). — ε) kann, kannſt, kann; können; praet. konnte; conj. könne; praet. könnte. — ζ) darf, darfſt, darf; dürfen; praet. durfte; conj. dürfe; dürfte. — anm. a) die inf. und plur. ind. lau- ten um: müßen, mœgen, können, dürfen; ſollen bleibt (nicht ſöllen). b) alle part. praet. ſchwach: gemuſt, ge- wuſt. gemocht, geſollt, gekonnt, gedurft. c) das mittelh. tar iſt ausgeſtorben; taugen und gönnen gehen regel- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f1014" n="988"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">anomalien der neuhochd. conjugation.</hi></fw><lb/> leitete; lâden, lâdete; rêden, rêdete; retten, rettete;<lb/> ſchütten, ſchüttete; falten, faltete; renten, rentete; här-<lb/> ten, härtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, lich-<lb/> tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun-<lb/> dete; morden, mordete. 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II. anomalien der neuhochd. conjugation.
leitete; lâden, lâdete; rêden, rêdete; retten, rettete;
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ten, härtete; heften, heftete; leiſten, leiſtete; lichten, lich-
tete; tödten, tödtete; melden, meldete; wunden, wun-
dete; morden, mordete. Die ſprache hat das bewußtſeyn
ihrer alten, großen mittel eingebüßt; ſie ſtrebt nach
deutlichkeit und wohllaut, erreicht aber nur eine ängſt-
liche, nur einen beſchränkten; ladte, redte, rettte, endte
ſchien ihr zu hart, latte, rette, ente zu gewagt, lâdete,
rêdete, rettete, endete blieb einzig ausweg. Selbſt dem
ſante, wante fügte ſchreibung ein d hinzu; bemer-
kenswerth iſt auch, daß diese ausnahmsweiſen rückum-
laute auf den ind. eingeſchränkt ſind, ihr praet. conj.
heißt kennte, brennte, nennte, ſendete, wendete, nicht
kännte, nännte, ſändte, wändte. Das praet. conj.
ſchwacher form lautet niemahls um, außer in den ano-
malien. Bildungen mit el, er, ig ſtoßen e vor dem
-te regelmäßig aus: ſchmeicheln, ſchmeichelte; ſìgeln,
ſîgelte; wundern, wunderte; ſchædigen, ſchædigte; die
mit em, en lieber das bildungs-e und behalten jenes:
âthmen, âthmete; rêgnen, rêgnete (nicht âthemte, rê-
gente).
Neuhochdeutſche anomalien.
1) eſſe vierſtämmig α) III. praeſ. ſg. ind. iſt. β) inf.
ſeyn (= ſein); ind. pl. ſind, ſeyd (ſeid, f. ſeit) ſind;
conj. ſey, ſeyſt, ſey; ſeyen, ſeyet, ſeyen; imp. ſey,
ſeyet; kein part. praet. geſeyn. γ) I. ſg. ind. bin II.
biſt. δ) kein inf. wèſen, kein imp. wis, nur die for-
men des praet. wâr, wârſt, wâr; pl. wâren: conj.
wœre; part. gewêfen.
2) muß, muſt, muß; pl. müßen; praet. muſte; conj.
müße; praet. müſte. β) weiß, weiſt, weiß; wißen;
praet. wuſie; conj. wiße; praet. wüſte. γ) mâg, mâgſt,
mâg; mœgen; praet. mochte; conj. mœge; praet.
möchte. — δ) ſoll, ſollſt, ſoll; ſollen; praet. ſollte;
conj. ſolle; ſollte (nicht ſöllte). — ε) kann, kannſt,
kann; können; praet. konnte; conj. könne; praet.
könnte. — ζ) darf, darfſt, darf; dürfen; praet. durfte;
conj. dürfe; dürfte. — anm. a) die inf. und plur. ind. lau-
ten um: müßen, mœgen, können, dürfen; ſollen bleibt
(nicht ſöllen). b) alle part. praet. ſchwach: gemuſt, ge-
wuſt. gemocht, geſollt, gekonnt, gedurft. c) das mittelh.
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