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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. mittelniederl. starke conjugation.
2, 287. 3, 38.) pronden (Rein. 287.); slinde; vinde;
drinke, dranc, dronken, dronken; sinke (3, 188.);
dwinghe, dwanc, dwonghen, dwonghen; wringhe
(torqueo) wranc (Stoke 3, 127.) wronghen, wronghen;
clinghe; singhe; springhe; werpe, waerp, worpen,
worpen; verderve, verdaerf, verdorven, verdorven;
sterve, staerf, storven, storven; werde, waert, wor-
den, worden; [dersche (trituro) darsch (3, 195.); vechte,
vacht; vlechte, vlacht (3, 202.) sind mir im pl. praet.
ungewis].

Anmerkungen zu den starken conjugationen.

1) vocale: a) der hochd. wechsel zwischen e und i
conj. X. XI. XII. gebricht, es heißt gheven, gheve,
gheves, ghevet, helpen, helpe, helpes, helpet etc.
Durchgängiges i haben bidden, sitten, nur im part.
beden, seten; neben ligghen (jacere) scheint legghen
gültig; pleghen und plien schwanken (bemerkens-
werth pleghen te pliene 3, 197.); sien, sie, sies
(3, 181.) siet leidet kein e und macht selbst das part.
ghesien, ie entwickelte sich aus dem alten eh (vgl.
gescien und vlien) ist also in plien f. pleghen unorga-
nisch. -- b) im pl. praet. und part. conj. VIII. IX.
sind i und u durch e, o gleichmäßig verdrängt; auch
im praet. XII. besteht kein u mehr, wohl aber im
praes. i vor m und n; dieses binden, bonden ist in-
consequent, da es entw. binden, bunden oder ben-
den, bonden heißen sollte. -- g) im praes. conj. IX.
haftet ie nur vor ling., dagegen gilt au vor lab. und
gutt. (ausg. drieghen, vlieghen und vlien). -- d) um-
laut
fehlt durchaus, weshalb praet. ind. und conj.
in II. sg. und im ganzen pl. zus. fallen; auch im
praes. VII. conj. heißt es vares, varet, nicht veres,
veret; bemerkenswerth ist das e im part. dieser conj.
vor gh in dreghen, dweghen, sleghen st. draghen etc.
dem angels. drägen, thvägen, slägen (s. 896.) altn. dre-
ginn, thveginn, sleginn (s. 913.) vergleichbar. -- e) die
vertauschung des ablauts oe mit ie (stiep, sciep?, hief,
besief, wies) gemahnt ans mittelh. ier (? für uor) und
bluonden f. blienden (s. 941.) vgl. neuh. mieder, mit-
telh. muoder. -- z) die verwandlung des a in ae vor
rp, rf, rt (waerp, staerf, waert), des old in oud (hou-
den, ghehouden; gouden, ghehouden) gründet sich
auf erörterte lautgesetze dieser mundart, stört aber den
ablaut. Wer sollte denken, daß vonden, gouden (mit-
II. mittelniederl. ſtarke conjugation.
2, 287. 3, 38.) pronden (Rein. 287.); ſlinde; vinde;
drinke, dranc, dronken, dronken; ſinke (3, 188.);
dwinghe, dwanc, dwonghen, dwonghen; wringhe
(torqueo) wranc (Stoke 3, 127.) wronghen, wronghen;
clinghe; ſinghe; ſpringhe; wërpe, waerp, worpen,
worpen; verdërve, verdaerf, verdorven, verdorven;
ſtërve, ſtaerf, ſtorven, ſtorven; wërde, waert, wor-
den, worden; [dërſche (trituro) darſch (3, 195.); vëchte,
vacht; vlëchte, vlacht (3, 202.) ſind mir im pl. praet.
ungewis].

Anmerkungen zu den ſtarken conjugationen.

1) vocale: α) der hochd. wechſel zwiſchen ë und i
conj. X. XI. XII. gebricht, es heißt ghëven, ghëve,
ghëves, ghëvet, hëlpen, hëlpe, hëlpes, hëlpet etc.
Durchgängiges i haben bidden, ſitten, nur im part.
bëden, ſëten; neben ligghen (jacere) ſcheint lëgghen
gültig; plëghen und plien ſchwanken (bemerkens-
werth plëghen te pliene 3, 197.); ſien, ſie, ſies
(3, 181.) ſiet leidet kein ë und macht ſelbſt das part.
gheſien, ie entwickelte ſich aus dem alten ëh (vgl.
geſcien und vlien) iſt alſo in plien f. plëghen unorga-
niſch. — β) im pl. praet. und part. conj. VIII. IX.
ſind i und u durch ë, o gleichmäßig verdrängt; auch
im praet. XII. beſteht kein u mehr, wohl aber im
praeſ. i vor m und n; dieſes binden, bonden iſt in-
conſequent, da es entw. binden, bunden oder bën-
den, bonden heißen ſollte. — γ) im praeſ. conj. IX.
haftet ie nur vor ling., dagegen gilt û vor lab. und
gutt. (ausg. drieghen, vlieghen und vlien). — δ) um-
laut
fehlt durchaus, weshalb praet. ind. und conj.
in II. ſg. und im ganzen pl. zuſ. fallen; auch im
praeſ. VII. conj. heißt es vares, varet, nicht vëres,
vëret; bemerkenswerth iſt das ë im part. dieſer conj.
vor gh in drëghen, dwëghen, ſlëghen ſt. draghen etc.
dem angelſ. drägen, þvägen, ſlägen (ſ. 896.) altn. dre-
ginn, þveginn, ſleginn (ſ. 913.) vergleichbar. — ε) die
vertauſchung des ablauts oe mit ie (ſtiep, ſciep?, hief,
beſief, wies) gemahnt ans mittelh. ier (? für uor) und
bluonden f. blienden (ſ. 941.) vgl. neuh. mieder, mit-
telh. muoder. — ζ) die verwandlung des a in ae vor
rp, rf, rt (waerp, ſtaerf, waert), des old in oud (hou-
den, ghehouden; gouden, ghehouden) gründet ſich
auf erörterte lautgeſetze dieſer mundart, ſtört aber den
ablaut. Wer ſollte denken, daß vonden, gouden (mit-
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[974/1000] II. mittelniederl. ſtarke conjugation. 2, 287. 3, 38.) pronden (Rein. 287.); ſlinde; vinde; drinke, dranc, dronken, dronken; ſinke (3, 188.); dwinghe, dwanc, dwonghen, dwonghen; wringhe (torqueo) wranc (Stoke 3, 127.) wronghen, wronghen; clinghe; ſinghe; ſpringhe; wërpe, waerp, worpen, worpen; verdërve, verdaerf, verdorven, verdorven; ſtërve, ſtaerf, ſtorven, ſtorven; wërde, waert, wor- den, worden; [dërſche (trituro) darſch (3, 195.); vëchte, vacht; vlëchte, vlacht (3, 202.) ſind mir im pl. praet. ungewis]. Anmerkungen zu den ſtarken conjugationen. 1) vocale: α) der hochd. wechſel zwiſchen ë und i conj. X. XI. XII. gebricht, es heißt ghëven, ghëve, ghëves, ghëvet, hëlpen, hëlpe, hëlpes, hëlpet etc. Durchgängiges i haben bidden, ſitten, nur im part. bëden, ſëten; neben ligghen (jacere) ſcheint lëgghen gültig; plëghen und plien ſchwanken (bemerkens- werth plëghen te pliene 3, 197.); ſien, ſie, ſies (3, 181.) ſiet leidet kein ë und macht ſelbſt das part. gheſien, ie entwickelte ſich aus dem alten ëh (vgl. geſcien und vlien) iſt alſo in plien f. plëghen unorga- niſch. — β) im pl. praet. und part. conj. VIII. IX. ſind i und u durch ë, o gleichmäßig verdrängt; auch im praet. XII. beſteht kein u mehr, wohl aber im praeſ. i vor m und n; dieſes binden, bonden iſt in- conſequent, da es entw. binden, bunden oder bën- den, bonden heißen ſollte. — γ) im praeſ. conj. IX. haftet ie nur vor ling., dagegen gilt û vor lab. und gutt. (ausg. drieghen, vlieghen und vlien). — δ) um- laut fehlt durchaus, weshalb praet. ind. und conj. in II. ſg. und im ganzen pl. zuſ. fallen; auch im praeſ. VII. conj. heißt es vares, varet, nicht vëres, vëret; bemerkenswerth iſt das ë im part. dieſer conj. vor gh in drëghen, dwëghen, ſlëghen ſt. draghen etc. dem angelſ. drägen, þvägen, ſlägen (ſ. 896.) altn. dre- ginn, þveginn, ſleginn (ſ. 913.) vergleichbar. — ε) die vertauſchung des ablauts oe mit ie (ſtiep, ſciep?, hief, beſief, wies) gemahnt ans mittelh. ier (? für uor) und bluonden f. blienden (ſ. 941.) vgl. neuh. mieder, mit- telh. muoder. — ζ) die verwandlung des a in ae vor rp, rf, rt (waerp, ſtaerf, waert), des old in oud (hou- den, ghehouden; gouden, ghehouden) gründet ſich auf erörterte lautgeſetze dieſer mundart, ſtört aber den ablaut. Wer ſollte denken, daß vonden, gouden (mit-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 974. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1000>, abgerufen am 22.11.2024.