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Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.

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Ich stand im Kreis des fröhlich lauten Volks,
Um mich der Wagen und des Kampfs Getöse.
Da klingt ein Saitenspiel und alles schweigt;
Du warst's, du sangst der goldnen Liebe Freuden,
Und tief im Innersten ward ich bewegt.
Ich stürze auf dich zu, da -- denke doch!
Da kenn' ich dich mit einemmahl nicht mehr;
Noch stand sie da die vorige Gestalt,
Der Purpur floß um ihre runden Schultern,
Die Leyer klang noch in der weißen Hand;
Allein das Antlitz wechselt, schnell verfließend,
Wie Nebel, die die blauen Höhn umziehn;
Der Lorbeerkranz, er war mit eins verschwunden,
Der Ernst verschwunden von der hohen Stirn,
Die Lippen, die erst Götterlieder tönten,
Sie lächelten mit irdisch-holdem Lächeln,
Das Antlitz, einer Pallas abgestohlen,
Verkehrt sich in ein Kindes-Angesicht,
Und kurz, du bist's und bist es nicht, es scheint
Mir Sappho bald zu seyn, und bald --
Sappho (schreyend.)
Melitta
Phaon.
Fast bast du mich erschreckt! -- Wer sagte dir,
Daß sie es war? -- Ich wußt' es selber kaum --
-- Du bist bewegt und ich --
Sappho
(winkt ihm mit der Hand Entfernung zu.)

Ich ſtand im Kreis des fröhlich lauten Volks,
Um mich der Wagen und des Kampfs Getöſe.
Da klingt ein Saitenſpiel und alles ſchweigt;
Du warſt's, du ſangſt der goldnen Liebe Freuden,
Und tief im Innerſten ward ich bewegt.
Ich ſtürze auf dich zu, da — denke doch!
Da kenn' ich dich mit einemmahl nicht mehr;
Noch ſtand ſie da die vorige Geſtalt,
Der Purpur floß um ihre runden Schultern,
Die Leyer klang noch in der weißen Hand;
Allein das Antlitz wechſelt, ſchnell verfließend,
Wie Nebel, die die blauen Höhn umziehn;
Der Lorbeerkranz, er war mit eins verſchwunden,
Der Ernſt verſchwunden von der hohen Stirn,
Die Lippen, die erſt Götterlieder tönten,
Sie lächelten mit irdiſch-holdem Lächeln,
Das Antlitz, einer Pallas abgeſtohlen,
Verkehrt ſich in ein Kindes-Angeſicht,
Und kurz, du biſt's und biſt es nicht, es ſcheint
Mir Sappho bald zu ſeyn, und bald —
Sappho (ſchreyend.)
Melitta
Phaon.
Faſt baſt du mich erſchreckt! — Wer ſagte dir,
Daß ſie es war? — Ich wußt' es ſelber kaum —
— Du biſt bewegt und ich —
Sappho
(winkt ihm mit der Hand Entfernung zu.)

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[55/0065] Ich ſtand im Kreis des fröhlich lauten Volks, Um mich der Wagen und des Kampfs Getöſe. Da klingt ein Saitenſpiel und alles ſchweigt; Du warſt's, du ſangſt der goldnen Liebe Freuden, Und tief im Innerſten ward ich bewegt. Ich ſtürze auf dich zu, da — denke doch! Da kenn' ich dich mit einemmahl nicht mehr; Noch ſtand ſie da die vorige Geſtalt, Der Purpur floß um ihre runden Schultern, Die Leyer klang noch in der weißen Hand; Allein das Antlitz wechſelt, ſchnell verfließend, Wie Nebel, die die blauen Höhn umziehn; Der Lorbeerkranz, er war mit eins verſchwunden, Der Ernſt verſchwunden von der hohen Stirn, Die Lippen, die erſt Götterlieder tönten, Sie lächelten mit irdiſch-holdem Lächeln, Das Antlitz, einer Pallas abgeſtohlen, Verkehrt ſich in ein Kindes-Angeſicht, Und kurz, du biſt's und biſt es nicht, es ſcheint Mir Sappho bald zu ſeyn, und bald — Sappho (ſchreyend.) Melitta Phaon. Faſt baſt du mich erſchreckt! — Wer ſagte dir, Daß ſie es war? — Ich wußt' es ſelber kaum — — Du biſt bewegt und ich — Sappho (winkt ihm mit der Hand Entfernung zu.)

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Zitationshilfe: Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grillparzer_sappho_1819/65>, abgerufen am 24.11.2024.