Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819.
Nicht mit Angst und Sorgen belaste, Sondern komm', wenn jemahls dir lieblich Meiner Leyer Saiten getönt, Deren Klängen du öfters lauschtest, Verlassend des Vaters goldenes Haus. Du bespanntest den schimmernden Wagen, Und deiner Sperlinge fröhliches Paar, Munter schwingend die schwärzlichen Flügel, Trug dich vom Himmel zur Erde herab. Und du kamst; mit lieblichem Lächeln, Göttliche! auf der unsterblichen Stirn, Fragtest du, was die Klagende quäle, Warum erschalle der Flehenden Ruf? Was das schwärmende Herz begehre, Wen sich sehne die klopfende Brust Sanft zu bestricken im Netz der Liebe; Wer ist's, Sappho, der dich verletzt? Flieht er dich jetzt, bald wird er dir folgen; Verschmäht er Geschenke, er gibt sie noch selbst, Liebt er dich nicht, gar bald wird er lieben, Folgsam gehorchend jeglichem Wink! B
Nicht mit Angſt und Sorgen belaſte, Sondern komm', wenn jemahls dir lieblich Meiner Leyer Saiten getönt, Deren Klängen du öfters lauſchteſt, Verlaſſend des Vaters goldenes Haus. Du beſpannteſt den ſchimmernden Wagen, Und deiner Sperlinge fröhliches Paar, Munter ſchwingend die ſchwärzlichen Flügel, Trug dich vom Himmel zur Erde herab. Und du kamſt; mit lieblichem Lächeln, Göttliche! auf der unſterblichen Stirn, Fragteſt du, was die Klagende quäle, Warum erſchalle der Flehenden Ruf? Was das ſchwärmende Herz begehre, Wen ſich ſehne die klopfende Bruſt Sanft zu beſtricken im Netz der Liebe; Wer iſt's, Sappho, der dich verletzt? Flieht er dich jetzt, bald wird er dir folgen; Verſchmäht er Geſchenke, er gibt ſie noch ſelbſt, Liebt er dich nicht, gar bald wird er lieben, Folgſam gehorchend jeglichem Wink! B
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Nicht mit Angſt und Sorgen belaſte,
Hocherhab'ne! dieß pochende Herz!
Sondern komm', wenn jemahls dir lieblich
Meiner Leyer Saiten getönt,
Deren Klängen du öfters lauſchteſt,
Verlaſſend des Vaters goldenes Haus.
Du beſpannteſt den ſchimmernden Wagen,
Und deiner Sperlinge fröhliches Paar,
Munter ſchwingend die ſchwärzlichen Flügel,
Trug dich vom Himmel zur Erde herab.
Und du kamſt; mit lieblichem Lächeln,
Göttliche! auf der unſterblichen Stirn,
Fragteſt du, was die Klagende quäle,
Warum erſchalle der Flehenden Ruf?
Was das ſchwärmende Herz begehre,
Wen ſich ſehne die klopfende Bruſt
Sanft zu beſtricken im Netz der Liebe;
Wer iſt's, Sappho, der dich verletzt?
Flieht er dich jetzt, bald wird er dir folgen;
Verſchmäht er Geſchenke, er gibt ſie noch ſelbſt,
Liebt er dich nicht, gar bald wird er lieben,
Folgſam gehorchend jeglichem Wink!
B
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