Grillparzer, Franz: Sappho. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Wien, 1819. Sappho. Du schmückest mich von deinem eignen Reichthum, Weh! Nähmst du das Gelieh'ne je zurück. Phaon. Und als der Vater nach Olympia Mich zu des Wagenlaufes Streit nun sandte, Und auf dem ganzen Wege mir's erscholl, Daß Sappho's Leyer um der Dichtkunst Krone In diesem Kampfe streiten, siegen werde; Da schwoll das Herz von sehnendem Verlangen Und meine Renner sanken todt am Wege, Eh' ich Olympia's Thürme noch erschaut. Ich langte an. Der Wagen flücht'ger Lauf, Der Ringer Kunst, des Diskus frohes Spiel Berührten nicht den ahnungsvollen Sinn; Ich fragte nicht, wer sich den Preis errungen, Hatt' ich den schönsten, höchsten doch erreicht. Ich sollte sie sehn, sie, der Frauen Krone! Jetzt kam der Tag für des Gesanges Kämpfe. Alkäos sang, Anakreon, umsonst! Sie konnten meiner Sinne Band nicht lösen. Da, horch! da tönt Gemurmel durch das Volk, Da theilt die Menge sich. Jetzt war's geschehn! -- Mit einer gold'nen Leyer in der Hand Trat eine Frau durch's staunende Gewühl. Das Kleid, von weißer Unschuld-Farbe, floß Hernieder zu den lichtversagten Knöcheln, Ein Bach, der über Blumenhügel strömt. Sappho. Du ſchmückeſt mich von deinem eignen Reichthum, Weh! Nähmſt du das Gelieh'ne je zurück. Phaon. Und als der Vater nach Olympia Mich zu des Wagenlaufes Streit nun ſandte, Und auf dem ganzen Wege mir's erſcholl, Daß Sappho's Leyer um der Dichtkunſt Krone In dieſem Kampfe ſtreiten, ſiegen werde; Da ſchwoll das Herz von ſehnendem Verlangen Und meine Renner ſanken todt am Wege, Eh' ich Olympia's Thürme noch erſchaut. Ich langte an. Der Wagen flücht'ger Lauf, Der Ringer Kunſt, des Diskus frohes Spiel Berührten nicht den ahnungsvollen Sinn; Ich fragte nicht, wer ſich den Preis errungen, Hatt' ich den ſchönſten, höchſten doch erreicht. Ich ſollte ſie ſehn, ſie, der Frauen Krone! Jetzt kam der Tag für des Geſanges Kämpfe. Alkäos ſang, Anakreon, umſonſt! Sie konnten meiner Sinne Band nicht löſen. Da, horch! da tönt Gemurmel durch das Volk, Da theilt die Menge ſich. Jetzt war's geſchehn! — Mit einer gold'nen Leyer in der Hand Trat eine Frau durch's ſtaunende Gewühl. Das Kleid, von weißer Unſchuld-Farbe, floß Hernieder zu den lichtverſagten Knöcheln, Ein Bach, der über Blumenhügel ſtrömt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0024" n="14"/> <sp who="#SAP"> <speaker><hi rendition="#g">Sappho</hi>.</speaker><lb/> <p>Du ſchmückeſt mich von deinem eignen Reichthum,<lb/> Weh! Nähmſt du das Gelieh'ne je zurück.</p> </sp><lb/> <sp who="#PHA"> <speaker><hi rendition="#g">Phaon</hi>.</speaker><lb/> <p>Und als der Vater nach Olympia<lb/> Mich zu des Wagenlaufes Streit nun ſandte,<lb/> Und auf dem ganzen Wege mir's erſcholl,<lb/> Daß Sappho's Leyer um der Dichtkunſt Krone<lb/> In dieſem Kampfe ſtreiten, ſiegen werde;<lb/> Da ſchwoll das Herz von ſehnendem Verlangen<lb/> Und meine Renner ſanken todt am Wege,<lb/> Eh' ich Olympia's Thürme noch erſchaut.<lb/> Ich langte an. Der Wagen flücht'ger Lauf,<lb/> Der Ringer Kunſt, des Diskus frohes Spiel<lb/> Berührten nicht den ahnungsvollen Sinn;<lb/> Ich fragte nicht, wer ſich den Preis errungen,<lb/> Hatt' ich den ſchönſten, höchſten doch erreicht.<lb/> Ich ſollte <hi rendition="#g">ſie</hi> ſehn, ſie, der Frauen Krone!<lb/> Jetzt kam der Tag für des Geſanges Kämpfe.<lb/> Alkäos ſang, Anakreon, umſonſt!<lb/> Sie konnten meiner Sinne Band nicht löſen.<lb/> Da, horch! da tönt Gemurmel durch das Volk,<lb/> Da theilt die Menge ſich. Jetzt war's geſchehn! —<lb/> Mit einer gold'nen Leyer in der Hand<lb/> Trat eine Frau durch's ſtaunende Gewühl.<lb/> Das Kleid, von weißer Unſchuld-Farbe, floß<lb/> Hernieder zu den lichtverſagten Knöcheln,<lb/> Ein Bach, der über Blumenhügel ſtrömt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0024]
Sappho.
Du ſchmückeſt mich von deinem eignen Reichthum,
Weh! Nähmſt du das Gelieh'ne je zurück.
Phaon.
Und als der Vater nach Olympia
Mich zu des Wagenlaufes Streit nun ſandte,
Und auf dem ganzen Wege mir's erſcholl,
Daß Sappho's Leyer um der Dichtkunſt Krone
In dieſem Kampfe ſtreiten, ſiegen werde;
Da ſchwoll das Herz von ſehnendem Verlangen
Und meine Renner ſanken todt am Wege,
Eh' ich Olympia's Thürme noch erſchaut.
Ich langte an. Der Wagen flücht'ger Lauf,
Der Ringer Kunſt, des Diskus frohes Spiel
Berührten nicht den ahnungsvollen Sinn;
Ich fragte nicht, wer ſich den Preis errungen,
Hatt' ich den ſchönſten, höchſten doch erreicht.
Ich ſollte ſie ſehn, ſie, der Frauen Krone!
Jetzt kam der Tag für des Geſanges Kämpfe.
Alkäos ſang, Anakreon, umſonſt!
Sie konnten meiner Sinne Band nicht löſen.
Da, horch! da tönt Gemurmel durch das Volk,
Da theilt die Menge ſich. Jetzt war's geſchehn! —
Mit einer gold'nen Leyer in der Hand
Trat eine Frau durch's ſtaunende Gewühl.
Das Kleid, von weißer Unſchuld-Farbe, floß
Hernieder zu den lichtverſagten Knöcheln,
Ein Bach, der über Blumenhügel ſtrömt.
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