Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830. Otto. Ihr gönn't mir ein Gespräch -- Und wo? und wann? Erny. O, nirgends, ach, und nie! Otto. Ich seh', es macht Euch Müh', davon zu sprechen. Hier ist Papier und Feder; ich will geh'n. Zwei Zeilen, die Ihr schreibt, mit Zeit und Ort, Genügen mir. -- Wenn heim die Gäste kehren, Nah' im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch's, Und lese, was Ihr schriebt; mein Heil, mein Glück! Bis dahin, lebet wohl! -- O, meine Wünsche! (In die Seitenthüre rechts ab.) Erny. Weh mir! Was ist gescheh'n? -- Gerechter Gott! Wenn in den ersten Tagen, da er kam, Er fromm mir schien und gut -- O pfui, pfui, pfui! Erbärmliches Gefühl, du bleib'st mir fremd. Und sagen will ich's ihm! -- Doch hier, und jetzt -- Dem Rasenden, in Mitte seines Hof's? -- Und sprech' ich nicht, so kehrt er tobend wieder, Kniet, droh't, beschimpft. -- Ich will ihm schreiben -- ja! Er hat's begehr't, und ich, ich will es thun. Will schreiben ihm, ihn sprechen ohne Zeugen, Und hören soll er ein verzweifelnd Herz. (Sie eilt zum Tische.) Und doch -- Es ist nicht gut, es ist nicht recht. -- Otto. Ihr gönn’t mir ein Geſpräch — Und wo? und wann? Erny. O, nirgends, ach, und nie! Otto. Ich ſeh’, es macht Euch Müh’, davon zu ſprechen. Hier iſt Papier und Feder; ich will geh’n. Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort, Genügen mir. — Wenn heim die Gäſte kehren, Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s, Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück! Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünſche! (In die Seitenthüre rechts ab.) Erny. Weh mir! Was iſt geſcheh’n? — Gerechter Gott! Wenn in den erſten Tagen, da er kam, Er fromm mir ſchien und gut — O pfui, pfui, pfui! Erbärmliches Gefühl, du bleib’ſt mir fremd. Und ſagen will ich’s ihm! — Doch hier, und jetzt — Dem Raſenden, in Mitte ſeines Hof’s? — Und ſprech’ ich nicht, ſo kehrt er tobend wieder, Kniet, droh’t, beſchimpft. — Ich will ihm ſchreiben — ja! Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun. Will ſchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen, Und hören ſoll er ein verzweifelnd Herz. (Sie eilt zum Tiſche.) Und doch — Es iſt nicht gut, es iſt nicht recht. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0064" n="56"/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr gönn’t mir ein Geſpräch —<lb/> Und wo? und wann?</p> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>O, nirgends, ach, und nie!</p> </sp><lb/> <sp who="#OTTO"> <speaker><hi rendition="#g">Otto</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich ſeh’, es macht Euch Müh’, davon zu ſprechen.<lb/> Hier iſt Papier und Feder; ich will geh’n.<lb/> Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort,<lb/> Genügen mir. — Wenn heim die Gäſte kehren,<lb/> Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s,<lb/> Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück!<lb/> Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünſche!</p><lb/> <stage>(In die Seitenthüre <choice><sic>rechs</sic><corr>rechts</corr></choice> ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ERN"> <speaker><hi rendition="#g">Erny</hi>.</speaker><lb/> <p>Weh mir! Was iſt geſcheh’n? — Gerechter Gott!<lb/> Wenn in den erſten Tagen, da er kam,<lb/> Er fromm mir ſchien und gut — O pfui, pfui, pfui!<lb/> Erbärmliches Gefühl, du bleib’ſt mir fremd.<lb/> Und ſagen will ich’s ihm! — Doch hier, und jetzt —<lb/> Dem Raſenden, in Mitte ſeines Hof’s? —<lb/> Und ſprech’ ich nicht, ſo kehrt er tobend wieder,<lb/> Kniet, droh’t, beſchimpft. — Ich will ihm ſchreiben — ja!<lb/> Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun.<lb/> Will ſchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen,<lb/> Und hören ſoll er ein verzweifelnd Herz.</p><lb/> <stage>(Sie eilt zum Tiſche.)</stage><lb/> <p>Und doch — Es iſt nicht gut, es iſt nicht recht. —<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [56/0064]
Otto.
Ihr gönn’t mir ein Geſpräch —
Und wo? und wann?
Erny.
O, nirgends, ach, und nie!
Otto.
Ich ſeh’, es macht Euch Müh’, davon zu ſprechen.
Hier iſt Papier und Feder; ich will geh’n.
Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort,
Genügen mir. — Wenn heim die Gäſte kehren,
Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s,
Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück!
Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünſche!
(In die Seitenthüre rechts ab.)
Erny.
Weh mir! Was iſt geſcheh’n? — Gerechter Gott!
Wenn in den erſten Tagen, da er kam,
Er fromm mir ſchien und gut — O pfui, pfui, pfui!
Erbärmliches Gefühl, du bleib’ſt mir fremd.
Und ſagen will ich’s ihm! — Doch hier, und jetzt —
Dem Raſenden, in Mitte ſeines Hof’s? —
Und ſprech’ ich nicht, ſo kehrt er tobend wieder,
Kniet, droh’t, beſchimpft. — Ich will ihm ſchreiben — ja!
Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun.
Will ſchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen,
Und hören ſoll er ein verzweifelnd Herz.
(Sie eilt zum Tiſche.)
Und doch — Es iſt nicht gut, es iſt nicht recht. —
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