eigentlicher krankhafter Wille, je deutlichere Wahnvorstellungen sich aus den Affecten oder Hallucinationen ergeben haben.
Unter den krankhaften Trieben ist zuerst der heftige Trieb zum Muskelgebrauche, zu körperlicher Bewegung überhaupt zu erwähnen, wie er sich, namentlich in tobsüchtigen Zuständen, als anhaltendes Bedürfniss des unruhigen Hin- und Hertreibens, des Um- sichschlagens, des Schreiens etc. äussert -- ein Verhalten, das oft genug zu Beeinträchtigung und Zerstörung der Umgebung des Kranken führt, ohne dass es diesem gerade um diesen bestimmten Zweck zu thun wäre. Der Kranke sucht und findet Erleichterung seines inner- lichen Drucks und seiner Gefühlsbelästigung, indem er sie nach aussen wirft (§. 22.); und es reihen sich hieran die Zustände, wo heftige Angstgefühle oder einzelne schreckliche Vorstellungen den Kranken zu einzelnen bestimmten Unthaten treiben. So heftig kann dieser Drang nach irgend einem Ende, irgend einer Entscheidung seines qualvollen Zustandes sein, dass hier gar nicht selten Hand- lungen, die der Kranke im höchsten Grade verabscheut, aus dem Gefühle, dass nur in ihnen noch Rettung und Beruhigung für ihn zu finden sei, begangen werden. Untersucht man indessen, wie man es muss, die einzelnen bekannt gewordenen Fälle, wo Geisteskranke in gefährlichen und verbrecherischen Thaten (Mord, Selbstmord, Brand- stiftung, Diebstahl) ihr Irresein äusserten, näher nach ihren Motiven, so fällt die grosse Verschiedenheit ihrer psychologischen Grundlagen in die Augen; man fühlt alsbald das Ungenügende, solche Fälle, je nach der Art der begangenen Handlungen, einem besondern Mord-, Brand-, Selbstmordtriebe etc. zuzutheilen und das Bedürfniss, sie nach den psychisch-krankhaften Grundzuständen, aus denen sie her- vorgehen, getrennt zu beurtheilen. So fallen dann die einzelnen der- artigen Willensrichtungen bald melancholischen, bald maniacalischen, bald verrückten Motiven zu und wir haben sie bei der Einzelbetrach- tung dieser Formen wiederzufinden.
In solchen Neigungen, Unheil zu stiften, die Kleider zu zerreissen, die Möbel zu zerbrechen, werthvolle Dinge zu verstecken, Anderes zu stehlen etc., wie auch in vielen anderen bizarren Handlungen harmloser Art, (z. B. dem beständigen Aus- ziehen der Kleider) werden die Kranken gewöhnlich von bewussten Motiven geleitet und man darf diese Handlungen nur in den seltensten Fällen für rein automatiseh halten. Entweder sind es Hallucinationen, die ihnen solches anbefehlen, oder das Bestreben, sich durch eine auffallende, kecke That Ruhe vor innerer Beängstigung zu verschaffen, oder eigentliche Wahnideen. Zeller (Bemerkungen zu Guislain p. 490) berichtet eine Anzahl solcher Fälle mit den von den Kranken angegebenen Motiven. "Ein Kranker schlug bei uns alle Fenster hinaus, welche er erreichen
Krankhafte Triebe.
eigentlicher krankhafter Wille, je deutlichere Wahnvorstellungen sich aus den Affecten oder Hallucinationen ergeben haben.
Unter den krankhaften Trieben ist zuerst der heftige Trieb zum Muskelgebrauche, zu körperlicher Bewegung überhaupt zu erwähnen, wie er sich, namentlich in tobsüchtigen Zuständen, als anhaltendes Bedürfniss des unruhigen Hin- und Hertreibens, des Um- sichschlagens, des Schreiens etc. äussert — ein Verhalten, das oft genug zu Beeinträchtigung und Zerstörung der Umgebung des Kranken führt, ohne dass es diesem gerade um diesen bestimmten Zweck zu thun wäre. Der Kranke sucht und findet Erleichterung seines inner- lichen Drucks und seiner Gefühlsbelästigung, indem er sie nach aussen wirft (§. 22.); und es reihen sich hieran die Zustände, wo heftige Angstgefühle oder einzelne schreckliche Vorstellungen den Kranken zu einzelnen bestimmten Unthaten treiben. So heftig kann dieser Drang nach irgend einem Ende, irgend einer Entscheidung seines qualvollen Zustandes sein, dass hier gar nicht selten Hand- lungen, die der Kranke im höchsten Grade verabscheut, aus dem Gefühle, dass nur in ihnen noch Rettung und Beruhigung für ihn zu finden sei, begangen werden. Untersucht man indessen, wie man es muss, die einzelnen bekannt gewordenen Fälle, wo Geisteskranke in gefährlichen und verbrecherischen Thaten (Mord, Selbstmord, Brand- stiftung, Diebstahl) ihr Irresein äusserten, näher nach ihren Motiven, so fällt die grosse Verschiedenheit ihrer psychologischen Grundlagen in die Augen; man fühlt alsbald das Ungenügende, solche Fälle, je nach der Art der begangenen Handlungen, einem besondern Mord-, Brand-, Selbstmordtriebe etc. zuzutheilen und das Bedürfniss, sie nach den psychisch-krankhaften Grundzuständen, aus denen sie her- vorgehen, getrennt zu beurtheilen. So fallen dann die einzelnen der- artigen Willensrichtungen bald melancholischen, bald maniacalischen, bald verrückten Motiven zu und wir haben sie bei der Einzelbetrach- tung dieser Formen wiederzufinden.
In solchen Neigungen, Unheil zu stiften, die Kleider zu zerreissen, die Möbel zu zerbrechen, werthvolle Dinge zu verstecken, Anderes zu stehlen etc., wie auch in vielen anderen bizarren Handlungen harmloser Art, (z. B. dem beständigen Aus- ziehen der Kleider) werden die Kranken gewöhnlich von bewussten Motiven geleitet und man darf diese Handlungen nur in den seltensten Fällen für rein automatiseh halten. Entweder sind es Hallucinationen, die ihnen solches anbefehlen, oder das Bestreben, sich durch eine auffallende, kecke That Ruhe vor innerer Beängstigung zu verschaffen, oder eigentliche Wahnideen. Zeller (Bemerkungen zu Guislain p. 490) berichtet eine Anzahl solcher Fälle mit den von den Kranken angegebenen Motiven. „Ein Kranker schlug bei uns alle Fenster hinaus, welche er erreichen
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Krankhafte Triebe.
eigentlicher krankhafter Wille, je deutlichere Wahnvorstellungen sich
aus den Affecten oder Hallucinationen ergeben haben.
Unter den krankhaften Trieben ist zuerst der heftige Trieb
zum Muskelgebrauche, zu körperlicher Bewegung überhaupt zu
erwähnen, wie er sich, namentlich in tobsüchtigen Zuständen, als
anhaltendes Bedürfniss des unruhigen Hin- und Hertreibens, des Um-
sichschlagens, des Schreiens etc. äussert — ein Verhalten, das oft
genug zu Beeinträchtigung und Zerstörung der Umgebung des Kranken
führt, ohne dass es diesem gerade um diesen bestimmten Zweck zu
thun wäre. Der Kranke sucht und findet Erleichterung seines inner-
lichen Drucks und seiner Gefühlsbelästigung, indem er sie nach aussen
wirft (§. 22.); und es reihen sich hieran die Zustände, wo heftige
Angstgefühle oder einzelne schreckliche Vorstellungen den Kranken
zu einzelnen bestimmten Unthaten treiben. So heftig kann
dieser Drang nach irgend einem Ende, irgend einer Entscheidung
seines qualvollen Zustandes sein, dass hier gar nicht selten Hand-
lungen, die der Kranke im höchsten Grade verabscheut, aus dem
Gefühle, dass nur in ihnen noch Rettung und Beruhigung für ihn zu
finden sei, begangen werden. Untersucht man indessen, wie man
es muss, die einzelnen bekannt gewordenen Fälle, wo Geisteskranke
in gefährlichen und verbrecherischen Thaten (Mord, Selbstmord, Brand-
stiftung, Diebstahl) ihr Irresein äusserten, näher nach ihren Motiven,
so fällt die grosse Verschiedenheit ihrer psychologischen Grundlagen
in die Augen; man fühlt alsbald das Ungenügende, solche Fälle, je
nach der Art der begangenen Handlungen, einem besondern Mord-,
Brand-, Selbstmordtriebe etc. zuzutheilen und das Bedürfniss, sie
nach den psychisch-krankhaften Grundzuständen, aus denen sie her-
vorgehen, getrennt zu beurtheilen. So fallen dann die einzelnen der-
artigen Willensrichtungen bald melancholischen, bald maniacalischen,
bald verrückten Motiven zu und wir haben sie bei der Einzelbetrach-
tung dieser Formen wiederzufinden.
In solchen Neigungen, Unheil zu stiften, die Kleider zu zerreissen, die Möbel
zu zerbrechen, werthvolle Dinge zu verstecken, Anderes zu stehlen etc., wie auch
in vielen anderen bizarren Handlungen harmloser Art, (z. B. dem beständigen Aus-
ziehen der Kleider) werden die Kranken gewöhnlich von bewussten Motiven geleitet
und man darf diese Handlungen nur in den seltensten Fällen für rein automatiseh
halten. Entweder sind es Hallucinationen, die ihnen solches anbefehlen, oder das
Bestreben, sich durch eine auffallende, kecke That Ruhe vor innerer Beängstigung
zu verschaffen, oder eigentliche Wahnideen. Zeller (Bemerkungen zu Guislain
p. 490) berichtet eine Anzahl solcher Fälle mit den von den Kranken angegebenen
Motiven. „Ein Kranker schlug bei uns alle Fenster hinaus, welche er erreichen
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/76>, abgerufen am 12.12.2024.
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