Gemüthszuständen und finstern, Unheil bringenden Hallucinationen, z. B. Schimpf- und Spottreden, die der Kranke immer hört, Teufels- fratzen, die er sieht, u. dergl. hervor.
Die falschen Vorstellungen und Schlüsse, die zu Erklärungs- versuchen werden, entwickeln sich ganz von selbst nach dem Cau- salitätsgesetze in der kranken Seele; es braucht von Seiten des In- dividuums kein Besinnen auf eine Erklärung, noch weniger werden solche Schlüsse nach der langweiligen Form des Syllogismus gebildet. Anfangs sind sie noch schwebend, das Ich appercipirt sie, es kann vor ihnen erschrecken und mit ihnen kämpfen; allmählig aber, bei steter Wiederholung, drängen sie die entgegenstehenden Vorstellungen zurück und knüpfen Verbindungen mit den verwandten Vorstellungs- massen des Ich an; dann sind sie zu dessen Bestandtheile geworden und der Kranke kann sich ihrer nicht, oder nur etwa durch einen Wechsel mit andern ähnlichen, falschen Vorstellungen entschlagen. Die förderlichen, heitern und glücklichen Wahnideen werden natür- lich viel leichter und vollständiger in das Ich aufgenommen, es gibt ihnen früher, nach kürzerem Widerstande nach und es entsteht dann zuweilen ein halbbewusstes Hineinphantasiren in eine Welt glück- licher Träume.
Nicht alle falschen Ideen haben indessen die Bedeutung der Erklärungsversuche; viele entstehen mit der zufälligen Abruptheit der Hallucinationen oder jener sonderbaren, bizarren Gedanken, die sich selbst dem Gesunden mitten in den Kreis seiner ernstesten Beschäf- tigungen eindrängen können; ob sie haften, hängt von der jeweiligen Stimmung des Kranken und davon ab, ob sie in den vorhandenen Vorstellungen mehr oder weniger Material zu Verbindungen finden. Man wird bei gehöriger Aufmerksamkeit, sehr häufig finden, dass auch solche Wahnideen bei den Geisteskranken gewöhnlich mit Hallucina- tionen im Zusammenhange stehen.
Von "fixen" Ideen sollte nur da gesprochen werden, wo sich die falschen Urtheile vollständig und bleibend fixirt haben, nemlich bei den partiell Verrükten. In der Melancholie, der Tobsucht, dem Wahnsinn, wechseln sie sehr häufig. Alle falschen Urtheile der Geisteskranken zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf das Subject selbst beziehen oder wenigstens aus falschen, auf das Subject bezüglichen, Ideen sich herausgebildet haben; sie unterscheiden sich dadurch, wenn auch nicht vollständig, doch zu grossem Theile, von den Irrthümern des Gesunden über objective Verhältnisse. Ein Geisteskranker kann z. B. alle Juden für verdammt halten, aber nur, weil er sich von ihnen beeinträchtigt glaubt oder weil er ihnen diese Strafe dictirt hat; er kann an die Existenz einer Brücke von der Erde zum Monde glauben, aber nur weil er darauf wandeln will, oder weil er mit deren Construction einen Beweis seiner Schöpferkraft gegeben hat etc.
Ihre Entstehung.
Gemüthszuständen und finstern, Unheil bringenden Hallucinationen, z. B. Schimpf- und Spottreden, die der Kranke immer hört, Teufels- fratzen, die er sieht, u. dergl. hervor.
Die falschen Vorstellungen und Schlüsse, die zu Erklärungs- versuchen werden, entwickeln sich ganz von selbst nach dem Cau- salitätsgesetze in der kranken Seele; es braucht von Seiten des In- dividuums kein Besinnen auf eine Erklärung, noch weniger werden solche Schlüsse nach der langweiligen Form des Syllogismus gebildet. Anfangs sind sie noch schwebend, das Ich appercipirt sie, es kann vor ihnen erschrecken und mit ihnen kämpfen; allmählig aber, bei steter Wiederholung, drängen sie die entgegenstehenden Vorstellungen zurück und knüpfen Verbindungen mit den verwandten Vorstellungs- massen des Ich an; dann sind sie zu dessen Bestandtheile geworden und der Kranke kann sich ihrer nicht, oder nur etwa durch einen Wechsel mit andern ähnlichen, falschen Vorstellungen entschlagen. Die förderlichen, heitern und glücklichen Wahnideen werden natür- lich viel leichter und vollständiger in das Ich aufgenommen, es gibt ihnen früher, nach kürzerem Widerstande nach und es entsteht dann zuweilen ein halbbewusstes Hineinphantasiren in eine Welt glück- licher Träume.
Nicht alle falschen Ideen haben indessen die Bedeutung der Erklärungsversuche; viele entstehen mit der zufälligen Abruptheit der Hallucinationen oder jener sonderbaren, bizarren Gedanken, die sich selbst dem Gesunden mitten in den Kreis seiner ernstesten Beschäf- tigungen eindrängen können; ob sie haften, hängt von der jeweiligen Stimmung des Kranken und davon ab, ob sie in den vorhandenen Vorstellungen mehr oder weniger Material zu Verbindungen finden. Man wird bei gehöriger Aufmerksamkeit, sehr häufig finden, dass auch solche Wahnideen bei den Geisteskranken gewöhnlich mit Hallucina- tionen im Zusammenhange stehen.
Von „fixen“ Ideen sollte nur da gesprochen werden, wo sich die falschen Urtheile vollständig und bleibend fixirt haben, nemlich bei den partiell Verrükten. In der Melancholie, der Tobsucht, dem Wahnsinn, wechseln sie sehr häufig. Alle falschen Urtheile der Geisteskranken zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf das Subject selbst beziehen oder wenigstens aus falschen, auf das Subject bezüglichen, Ideen sich herausgebildet haben; sie unterscheiden sich dadurch, wenn auch nicht vollständig, doch zu grossem Theile, von den Irrthümern des Gesunden über objective Verhältnisse. Ein Geisteskranker kann z. B. alle Juden für verdammt halten, aber nur, weil er sich von ihnen beeinträchtigt glaubt oder weil er ihnen diese Strafe dictirt hat; er kann an die Existenz einer Brücke von der Erde zum Monde glauben, aber nur weil er darauf wandeln will, oder weil er mit deren Construction einen Beweis seiner Schöpferkraft gegeben hat etc.
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Ihre Entstehung.
Gemüthszuständen und finstern, Unheil bringenden Hallucinationen,
z. B. Schimpf- und Spottreden, die der Kranke immer hört, Teufels-
fratzen, die er sieht, u. dergl. hervor.
Die falschen Vorstellungen und Schlüsse, die zu Erklärungs-
versuchen werden, entwickeln sich ganz von selbst nach dem Cau-
salitätsgesetze in der kranken Seele; es braucht von Seiten des In-
dividuums kein Besinnen auf eine Erklärung, noch weniger werden
solche Schlüsse nach der langweiligen Form des Syllogismus gebildet.
Anfangs sind sie noch schwebend, das Ich appercipirt sie, es kann
vor ihnen erschrecken und mit ihnen kämpfen; allmählig aber, bei
steter Wiederholung, drängen sie die entgegenstehenden Vorstellungen
zurück und knüpfen Verbindungen mit den verwandten Vorstellungs-
massen des Ich an; dann sind sie zu dessen Bestandtheile geworden
und der Kranke kann sich ihrer nicht, oder nur etwa durch einen
Wechsel mit andern ähnlichen, falschen Vorstellungen entschlagen.
Die förderlichen, heitern und glücklichen Wahnideen werden natür-
lich viel leichter und vollständiger in das Ich aufgenommen, es gibt
ihnen früher, nach kürzerem Widerstande nach und es entsteht dann
zuweilen ein halbbewusstes Hineinphantasiren in eine Welt glück-
licher Träume.
Nicht alle falschen Ideen haben indessen die Bedeutung der
Erklärungsversuche; viele entstehen mit der zufälligen Abruptheit der
Hallucinationen oder jener sonderbaren, bizarren Gedanken, die sich
selbst dem Gesunden mitten in den Kreis seiner ernstesten Beschäf-
tigungen eindrängen können; ob sie haften, hängt von der jeweiligen
Stimmung des Kranken und davon ab, ob sie in den vorhandenen
Vorstellungen mehr oder weniger Material zu Verbindungen finden.
Man wird bei gehöriger Aufmerksamkeit, sehr häufig finden, dass auch
solche Wahnideen bei den Geisteskranken gewöhnlich mit Hallucina-
tionen im Zusammenhange stehen.
Von „fixen“ Ideen sollte nur da gesprochen werden, wo sich die falschen
Urtheile vollständig und bleibend fixirt haben, nemlich bei den partiell Verrükten.
In der Melancholie, der Tobsucht, dem Wahnsinn, wechseln sie sehr häufig. Alle
falschen Urtheile der Geisteskranken zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich
auf das Subject selbst beziehen oder wenigstens aus falschen, auf das Subject
bezüglichen, Ideen sich herausgebildet haben; sie unterscheiden sich dadurch,
wenn auch nicht vollständig, doch zu grossem Theile, von den Irrthümern des
Gesunden über objective Verhältnisse. Ein Geisteskranker kann z. B. alle Juden
für verdammt halten, aber nur, weil er sich von ihnen beeinträchtigt glaubt oder
weil er ihnen diese Strafe dictirt hat; er kann an die Existenz einer Brücke
von der Erde zum Monde glauben, aber nur weil er darauf wandeln will, oder
weil er mit deren Construction einen Beweis seiner Schöpferkraft gegeben hat etc.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/73>, abgerufen am 12.12.2024.
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