anfangs auftraten, je gesunder und activer das Gehirn ist. Alle möglichen Gehirn- krankheiten können das Gedächtniss stören oder aufheben, und die Beschaffenheit des letzteren gibt daher bei vielen Irren den Massstab für die Schwere ihrer Gehirnerkrankung.
§. 17.
5) Zunächst hieran schliesst sich das Verhältniss, dass im Organ des Vorstellens wie im Sinnorgan die eigenthümliche Energie nicht nur durch die normalen äusseren Reize, sondern auch durch innere Reize, anderer Art als das Vorstellen und Empfinden selbst, na- mentlich durch krankhafte Reize geweckt werden kann. Die Ent- zündung der Chorioidea hat eine Irritation der Retina zur Folge, welche sich im Auftreten subjectiver Lichtempfindungen, farbiger Sonnen, Blitze etc. kund gibt; ebenso können subjective Ton-, Ge- ruchs-, Geschmacksempfindungen, im Hautsinn Kälte, Brennen, For- mication etc. durch alle inadäquaten Reize auf den sensitiven Nerv oder sein Centrum hervorgerufen werden. In derselben Weise äus- sert sich die Irritation des Gehirns durch innere, organische Reize in neuen, krankhaften Vorstellungsphänomenen. Wie die Entzündung der Gefässhaut des Auges anomale Lichterscheinungen, so erzeugen die Krankheiten der Gefässhaut des Gehirns, der Pia, welche die freien Oberflächen so innig überzieht und noch in sie eindringt, ihre Hyperä- mieen und Exsudationsprocesse, auch ein anomales (delirirendes) Vor- stellen, neue, von innen heraus entstandene Seelenzustände (Gemüths- bewegungen, Urtheile etc.), was natürlich in noch viel höherem Masse bei Erkrankungen jener Gehirnsubstanz selbst stattfindet. Aber nicht nur diese gröberen, offen zu Tage liegenden Erkrankungen erzeu- gen ein solches anomales Vorstellen; die Gehirnirritation kann offen- bar auch durch Mittheilung der Nervenzustände aus inneren, ent- fernteren Organen, z. B. dem Herzen, dem Darm, den Genitalien entstehen. Eine nahe Beziehung der Nerven der Eingeweide zum grossen und kleinen Gehirn ist experimentell nachgewiesen (Valentin, Budge), und wie noch innerhalb der physiologischen Gesundheits- breite die Zustände der Eingeweide von wesentlichem Einfluss auf die Stimmung im Ganzen und auf das Auftreten bestimmter Arten von Vorstellungen sind (am auffallendsten an den Genitalien bemerk- bar), so werden durch krankhafte Nervenerregungen, die in jenen Organen ihren Ursprung haben, häufig genug krankhafte Seelenzustände gesetzt, die oft mit der Hebung des peripherischen Reizes wieder verschwinden, anderemale aber, einmal entstanden, selbständig fort- dauern.
Das Vorstellen und die Empfindung.
anfangs auftraten, je gesunder und activer das Gehirn ist. Alle möglichen Gehirn- krankheiten können das Gedächtniss stören oder aufheben, und die Beschaffenheit des letzteren gibt daher bei vielen Irren den Massstab für die Schwere ihrer Gehirnerkrankung.
§. 17.
5) Zunächst hieran schliesst sich das Verhältniss, dass im Organ des Vorstellens wie im Sinnorgan die eigenthümliche Energie nicht nur durch die normalen äusseren Reize, sondern auch durch innere Reize, anderer Art als das Vorstellen und Empfinden selbst, na- mentlich durch krankhafte Reize geweckt werden kann. Die Ent- zündung der Chorioidea hat eine Irritation der Retina zur Folge, welche sich im Auftreten subjectiver Lichtempfindungen, farbiger Sonnen, Blitze etc. kund gibt; ebenso können subjective Ton-, Ge- ruchs-, Geschmacksempfindungen, im Hautsinn Kälte, Brennen, For- mication etc. durch alle inadäquaten Reize auf den sensitiven Nerv oder sein Centrum hervorgerufen werden. In derselben Weise äus- sert sich die Irritation des Gehirns durch innere, organische Reize in neuen, krankhaften Vorstellungsphänomenen. Wie die Entzündung der Gefässhaut des Auges anomale Lichterscheinungen, so erzeugen die Krankheiten der Gefässhaut des Gehirns, der Pia, welche die freien Oberflächen so innig überzieht und noch in sie eindringt, ihre Hyperä- mieen und Exsudationsprocesse, auch ein anomales (delirirendes) Vor- stellen, neue, von innen heraus entstandene Seelenzustände (Gemüths- bewegungen, Urtheile etc.), was natürlich in noch viel höherem Masse bei Erkrankungen jener Gehirnsubstanz selbst stattfindet. Aber nicht nur diese gröberen, offen zu Tage liegenden Erkrankungen erzeu- gen ein solches anomales Vorstellen; die Gehirnirritation kann offen- bar auch durch Mittheilung der Nervenzustände aus inneren, ent- fernteren Organen, z. B. dem Herzen, dem Darm, den Genitalien entstehen. Eine nahe Beziehung der Nerven der Eingeweide zum grossen und kleinen Gehirn ist experimentell nachgewiesen (Valentin, Budge), und wie noch innerhalb der physiologischen Gesundheits- breite die Zustände der Eingeweide von wesentlichem Einfluss auf die Stimmung im Ganzen und auf das Auftreten bestimmter Arten von Vorstellungen sind (am auffallendsten an den Genitalien bemerk- bar), so werden durch krankhafte Nervenerregungen, die in jenen Organen ihren Ursprung haben, häufig genug krankhafte Seelenzustände gesetzt, die oft mit der Hebung des peripherischen Reizes wieder verschwinden, anderemale aber, einmal entstanden, selbständig fort- dauern.
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[24/0038]
Das Vorstellen und die Empfindung.
anfangs auftraten, je gesunder und activer das Gehirn ist. Alle möglichen Gehirn-
krankheiten können das Gedächtniss stören oder aufheben, und die Beschaffenheit
des letzteren gibt daher bei vielen Irren den Massstab für die Schwere ihrer
Gehirnerkrankung.
§. 17.
5) Zunächst hieran schliesst sich das Verhältniss, dass im Organ
des Vorstellens wie im Sinnorgan die eigenthümliche Energie nicht
nur durch die normalen äusseren Reize, sondern auch durch innere
Reize, anderer Art als das Vorstellen und Empfinden selbst, na-
mentlich durch krankhafte Reize geweckt werden kann. Die Ent-
zündung der Chorioidea hat eine Irritation der Retina zur Folge,
welche sich im Auftreten subjectiver Lichtempfindungen, farbiger
Sonnen, Blitze etc. kund gibt; ebenso können subjective Ton-, Ge-
ruchs-, Geschmacksempfindungen, im Hautsinn Kälte, Brennen, For-
mication etc. durch alle inadäquaten Reize auf den sensitiven Nerv
oder sein Centrum hervorgerufen werden. In derselben Weise äus-
sert sich die Irritation des Gehirns durch innere, organische Reize in
neuen, krankhaften Vorstellungsphänomenen. Wie die Entzündung der
Gefässhaut des Auges anomale Lichterscheinungen, so erzeugen die
Krankheiten der Gefässhaut des Gehirns, der Pia, welche die freien
Oberflächen so innig überzieht und noch in sie eindringt, ihre Hyperä-
mieen und Exsudationsprocesse, auch ein anomales (delirirendes) Vor-
stellen, neue, von innen heraus entstandene Seelenzustände (Gemüths-
bewegungen, Urtheile etc.), was natürlich in noch viel höherem Masse
bei Erkrankungen jener Gehirnsubstanz selbst stattfindet. Aber nicht
nur diese gröberen, offen zu Tage liegenden Erkrankungen erzeu-
gen ein solches anomales Vorstellen; die Gehirnirritation kann offen-
bar auch durch Mittheilung der Nervenzustände aus inneren, ent-
fernteren Organen, z. B. dem Herzen, dem Darm, den Genitalien
entstehen. Eine nahe Beziehung der Nerven der Eingeweide zum
grossen und kleinen Gehirn ist experimentell nachgewiesen (Valentin,
Budge), und wie noch innerhalb der physiologischen Gesundheits-
breite die Zustände der Eingeweide von wesentlichem Einfluss auf
die Stimmung im Ganzen und auf das Auftreten bestimmter Arten
von Vorstellungen sind (am auffallendsten an den Genitalien bemerk-
bar), so werden durch krankhafte Nervenerregungen, die in jenen
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/38>, abgerufen am 23.11.2024.
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