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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Pathologische Anatomie
Seite eine Verschlimmerung auf der andern zusammenfällt. Indessen
ist dieser Wechsel nicht nur durchaus inconstant, sondern auch ge-
wöhnlich bloss scheinbar; die subjectiven Symptome des Lungen-
leidens treten bei tieferer psychischer Störung und dadurch ganz
abgewandter Aufmerksamkeit zurück, während der Process -- wie die
objectiven, physicalischen Zeichen beweisen -- seine Zerstörungen
ausdehnt.

Ebenso unrichtig ist die Angabe, dass das Delirium der tuber-
culosen Irren irgend welchen specifischen Charakter habe.

Alle übrigen Alterationen der Respirationsorgane kommen auch
bei Geisteskranken vor. Die Pleuritis wurde von Sc. Pinel 7mal unter
135, von Thore 8mal unter 76 Sectionen beobachtet, die Lungen-
apoplexie (?) von Jessen *) 6mal etc. Lungenhypostase macht auch
hier den häufigen Beschluss eines langen Krankenlagers etc. Alle
diese Affectionen aber sind hauptsächlich nur bemerkenswerth in Betreff
der Aufmerksamkeit, welche ihre Diagnose während des Lebens erheischt.

2) Abnormitäten des Herzens. Bedenkt man einerseits
das so gewöhnliche Vorkommen heftiger und dauernder Angstempfin-
dungen bei Herzkranken, andrerseits die im Verlaufe dieser Krank-
heiten häufigen Gehirncongestionen (theils activ, bei Hypertrophie des
linken Ventrikels, theils mechanisch, vom rechten Herzen aus), so
hat es nichts Auffallendes, wenn die Beobachter über die grosse
Häufigkeit der Herzkrankheiten bei Geisteskranken übereinstimmen.
Nasse hat solche Fälle aus der älteren Literatur zusammengestellt **);
die neueren Beobachter differiren zwar sehr in den Zahlenverhält-
nissen (Esquirol fand sie nur bei 1/15 seiner Melancholischen, Webster
bei 1/8 , Bayle bei 1/6 , Calmeil und Thore ***) fast bei 1/3 , Foville +)
sogar bei 4/5 ihrer Sectionen), hegen aber keinen Zweifel an der
Wichtigkeit dieser Alterationen; die Bedeutung dieser organischen
Erkrankungen sowohl als der functionellen Abweichungen in der Herz-
thätigkeit scheint auch uns (s. oben p. 141) sehr hoch anzu-
schlagen. Unter den anatomischen Läsionen finden sich nach den
obigen Beobachtern nur sehr wenige frische, als Todesursache zu
betrachtende, vielmehr fast durchaus die bekannten chronischen Klap-
penveränderungen mit den Resultaten der Insufficienz und Stenose der

*) Jakobi und Nasse, Zeitschr. I. p. 677.
**) Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1818. I. 1.
***) S. die mehrfach citirten Schriften von Esquirol etc. und die angeführte
Arbeit von Thore.
+) Dictionnaire en XV vol. Art. Alien. p. 555

Pathologische Anatomie
Seite eine Verschlimmerung auf der andern zusammenfällt. Indessen
ist dieser Wechsel nicht nur durchaus inconstant, sondern auch ge-
wöhnlich bloss scheinbar; die subjectiven Symptome des Lungen-
leidens treten bei tieferer psychischer Störung und dadurch ganz
abgewandter Aufmerksamkeit zurück, während der Process — wie die
objectiven, physicalischen Zeichen beweisen — seine Zerstörungen
ausdehnt.

Ebenso unrichtig ist die Angabe, dass das Delirium der tuber-
culosen Irren irgend welchen specifischen Charakter habe.

Alle übrigen Alterationen der Respirationsorgane kommen auch
bei Geisteskranken vor. Die Pleuritis wurde von Sc. Pinel 7mal unter
135, von Thore 8mal unter 76 Sectionen beobachtet, die Lungen-
apoplexie (?) von Jessen *) 6mal etc. Lungenhypostase macht auch
hier den häufigen Beschluss eines langen Krankenlagers etc. Alle
diese Affectionen aber sind hauptsächlich nur bemerkenswerth in Betreff
der Aufmerksamkeit, welche ihre Diagnose während des Lebens erheischt.

2) Abnormitäten des Herzens. Bedenkt man einerseits
das so gewöhnliche Vorkommen heftiger und dauernder Angstempfin-
dungen bei Herzkranken, andrerseits die im Verlaufe dieser Krank-
heiten häufigen Gehirncongestionen (theils activ, bei Hypertrophie des
linken Ventrikels, theils mechanisch, vom rechten Herzen aus), so
hat es nichts Auffallendes, wenn die Beobachter über die grosse
Häufigkeit der Herzkrankheiten bei Geisteskranken übereinstimmen.
Nasse hat solche Fälle aus der älteren Literatur zusammengestellt **);
die neueren Beobachter differiren zwar sehr in den Zahlenverhält-
nissen (Esquirol fand sie nur bei 1/15 seiner Melancholischen, Webster
bei ⅛, Bayle bei ⅙, Calmeil und Thore ***) fast bei ⅓, Foville †)
sogar bei ⅘ ihrer Sectionen), hegen aber keinen Zweifel an der
Wichtigkeit dieser Alterationen; die Bedeutung dieser organischen
Erkrankungen sowohl als der functionellen Abweichungen in der Herz-
thätigkeit scheint auch uns (s. oben p. 141) sehr hoch anzu-
schlagen. Unter den anatomischen Läsionen finden sich nach den
obigen Beobachtern nur sehr wenige frische, als Todesursache zu
betrachtende, vielmehr fast durchaus die bekannten chronischen Klap-
penveränderungen mit den Resultaten der Insufficienz und Stenose der

*) Jakobi und Nasse, Zeitschr. I. p. 677.
**) Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1818. I. 1.
***) S. die mehrfach citirten Schriften von Esquirol etc. und die angeführte
Arbeit von Thore.
†) Dictionnaire en XV vol. Art. Alién. p. 555
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[326/0340] Pathologische Anatomie Seite eine Verschlimmerung auf der andern zusammenfällt. Indessen ist dieser Wechsel nicht nur durchaus inconstant, sondern auch ge- wöhnlich bloss scheinbar; die subjectiven Symptome des Lungen- leidens treten bei tieferer psychischer Störung und dadurch ganz abgewandter Aufmerksamkeit zurück, während der Process — wie die objectiven, physicalischen Zeichen beweisen — seine Zerstörungen ausdehnt. Ebenso unrichtig ist die Angabe, dass das Delirium der tuber- culosen Irren irgend welchen specifischen Charakter habe. Alle übrigen Alterationen der Respirationsorgane kommen auch bei Geisteskranken vor. Die Pleuritis wurde von Sc. Pinel 7mal unter 135, von Thore 8mal unter 76 Sectionen beobachtet, die Lungen- apoplexie (?) von Jessen *) 6mal etc. Lungenhypostase macht auch hier den häufigen Beschluss eines langen Krankenlagers etc. Alle diese Affectionen aber sind hauptsächlich nur bemerkenswerth in Betreff der Aufmerksamkeit, welche ihre Diagnose während des Lebens erheischt. 2) Abnormitäten des Herzens. Bedenkt man einerseits das so gewöhnliche Vorkommen heftiger und dauernder Angstempfin- dungen bei Herzkranken, andrerseits die im Verlaufe dieser Krank- heiten häufigen Gehirncongestionen (theils activ, bei Hypertrophie des linken Ventrikels, theils mechanisch, vom rechten Herzen aus), so hat es nichts Auffallendes, wenn die Beobachter über die grosse Häufigkeit der Herzkrankheiten bei Geisteskranken übereinstimmen. Nasse hat solche Fälle aus der älteren Literatur zusammengestellt **); die neueren Beobachter differiren zwar sehr in den Zahlenverhält- nissen (Esquirol fand sie nur bei 1/15 seiner Melancholischen, Webster bei ⅛, Bayle bei ⅙, Calmeil und Thore ***) fast bei ⅓, Foville †) sogar bei ⅘ ihrer Sectionen), hegen aber keinen Zweifel an der Wichtigkeit dieser Alterationen; die Bedeutung dieser organischen Erkrankungen sowohl als der functionellen Abweichungen in der Herz- thätigkeit scheint auch uns (s. oben p. 141) sehr hoch anzu- schlagen. Unter den anatomischen Läsionen finden sich nach den obigen Beobachtern nur sehr wenige frische, als Todesursache zu betrachtende, vielmehr fast durchaus die bekannten chronischen Klap- penveränderungen mit den Resultaten der Insufficienz und Stenose der *) Jakobi und Nasse, Zeitschr. I. p. 677. **) Zeitschr. f. psych. Aerzte. 1818. I. 1. ***) S. die mehrfach citirten Schriften von Esquirol etc. und die angeführte Arbeit von Thore. †) Dictionnaire en XV vol. Art. Alién. p. 555

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/340>, abgerufen am 24.11.2024.