Folgezustand derselben, nemlich die Verhärtung auf der oberflächlichen Schichte der Rinde.
4) Die Atrophie des Gehirns, namentlich der Windungen ist dabei sehr häufig, nebst ihren weiteren Folgen, der reichlichen serösen Infiltration der Meningen ex vacuo, der Erweiterung der Ventrikel etc. Vielleicht ist gleichfalls die Verminderung des Schädelinhalts Schuld an den hier sehr häufigen Blutergüssen (Cysten und Pseudomembranen) im Sacke der Arachnoidea.
5) Auch in diesen Fällen scheint nicht selten gleichzeitig mit den pathologischen Vorgängen auf der grauen Rindenoberfläche auch die innere Ventrikeloberfläche krankhaft afficirt zu sein; dies wird bewiesen durch die nicht selten vorfindige Verhärtung der Ventrikel- wandungen und die vorhandenen Granulationen und pseudomembranösen Producte auf derselben.
Aus dem Bisherigen dürften sich folgende allgemeine Schlüsse ergeben:
a) Das Irresein kann sowohl in seinen acuten als chronischen Formen das Ergebniss einer blos nervösen Irritation sein.
b) Häufiger aber ist es dies nicht, sondern vielmehr Symptom anatomischer Läsionen, und zwar hyperämischer und exsudativer Processe, welche meistens zuerst in der Pia und der Gehirnrinde auftreten, in verschiedene Tiefen der Gehirnsubstanz eindringen, und wenn sie nicht rückgängig werden, mit incurabler Destruction des Gewebes, Atrophie und Verhärtung der Gehirnsubstanz endigen, denen die Symptomengruppe des Blödsinns entspricht.
c) Wie von der oberflächlichen Pia und der äusseren Gehirn- rinde, so scheint in vielen Fällen ein hyperämischer und leicht ent- zündlicher Process auf der Pia der Ventrikel und der innern Gehirn- oberfläche vor sich zu gehen. Es ist bis jetzt unmöglich, die Symptome dieser und der vorigen Läsionen irgendwie zu unterscheiden.
d) Die Symptomatologie ist noch nicht so weit, um im einzelnen Falle die An- oder Abwesenheit anatomischer Störungen sicher diagno- sticiren zu können; aber die gegebenen Expositionen bieten Grundlagen für einen annähernden Calcul der Wahrscheinlichkeitsdiagnose, auf den man in gleicher Weise bei vielen andern Krankheiten (z. B. des Unterleibs) beschränkt ist.
e) Für das anatomisch-diagnostische Urtheil so gut, wie für das prognostische, ist die An- oder Abwesenheit schwerer motorischen Störun- gen, namentlich der Paralyse, das zuerst zu berücksichtigende Moment.
Resumé der pathologischen Anatomie des Gehirns.
Folgezustand derselben, nemlich die Verhärtung auf der oberflächlichen Schichte der Rinde.
4) Die Atrophie des Gehirns, namentlich der Windungen ist dabei sehr häufig, nebst ihren weiteren Folgen, der reichlichen serösen Infiltration der Meningen ex vacuo, der Erweiterung der Ventrikel etc. Vielleicht ist gleichfalls die Verminderung des Schädelinhalts Schuld an den hier sehr häufigen Blutergüssen (Cysten und Pseudomembranen) im Sacke der Arachnoidea.
5) Auch in diesen Fällen scheint nicht selten gleichzeitig mit den pathologischen Vorgängen auf der grauen Rindenoberfläche auch die innere Ventrikeloberfläche krankhaft afficirt zu sein; dies wird bewiesen durch die nicht selten vorfindige Verhärtung der Ventrikel- wandungen und die vorhandenen Granulationen und pseudomembranösen Producte auf derselben.
Aus dem Bisherigen dürften sich folgende allgemeine Schlüsse ergeben:
a) Das Irresein kann sowohl in seinen acuten als chronischen Formen das Ergebniss einer blos nervösen Irritation sein.
b) Häufiger aber ist es dies nicht, sondern vielmehr Symptom anatomischer Läsionen, und zwar hyperämischer und exsudativer Processe, welche meistens zuerst in der Pia und der Gehirnrinde auftreten, in verschiedene Tiefen der Gehirnsubstanz eindringen, und wenn sie nicht rückgängig werden, mit incurabler Destruction des Gewebes, Atrophie und Verhärtung der Gehirnsubstanz endigen, denen die Symptomengruppe des Blödsinns entspricht.
c) Wie von der oberflächlichen Pia und der äusseren Gehirn- rinde, so scheint in vielen Fällen ein hyperämischer und leicht ent- zündlicher Process auf der Pia der Ventrikel und der innern Gehirn- oberfläche vor sich zu gehen. Es ist bis jetzt unmöglich, die Symptome dieser und der vorigen Läsionen irgendwie zu unterscheiden.
d) Die Symptomatologie ist noch nicht so weit, um im einzelnen Falle die An- oder Abwesenheit anatomischer Störungen sicher diagno- sticiren zu können; aber die gegebenen Expositionen bieten Grundlagen für einen annähernden Calcul der Wahrscheinlichkeitsdiagnose, auf den man in gleicher Weise bei vielen andern Krankheiten (z. B. des Unterleibs) beschränkt ist.
e) Für das anatomisch-diagnostische Urtheil so gut, wie für das prognostische, ist die An- oder Abwesenheit schwerer motorischen Störun- gen, namentlich der Paralyse, das zuerst zu berücksichtigende Moment.
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Resumé der pathologischen Anatomie des Gehirns.
Folgezustand derselben, nemlich die Verhärtung auf der oberflächlichen
Schichte der Rinde.
4) Die Atrophie des Gehirns, namentlich der Windungen ist
dabei sehr häufig, nebst ihren weiteren Folgen, der reichlichen serösen
Infiltration der Meningen ex vacuo, der Erweiterung der Ventrikel etc.
Vielleicht ist gleichfalls die Verminderung des Schädelinhalts Schuld
an den hier sehr häufigen Blutergüssen (Cysten und Pseudomembranen)
im Sacke der Arachnoidea.
5) Auch in diesen Fällen scheint nicht selten gleichzeitig mit
den pathologischen Vorgängen auf der grauen Rindenoberfläche auch
die innere Ventrikeloberfläche krankhaft afficirt zu sein; dies wird
bewiesen durch die nicht selten vorfindige Verhärtung der Ventrikel-
wandungen und die vorhandenen Granulationen und pseudomembranösen
Producte auf derselben.
Aus dem Bisherigen dürften sich folgende allgemeine Schlüsse
ergeben:
a) Das Irresein kann sowohl in seinen acuten als chronischen
Formen das Ergebniss einer blos nervösen Irritation sein.
b) Häufiger aber ist es dies nicht, sondern vielmehr Symptom
anatomischer Läsionen, und zwar hyperämischer und exsudativer Processe,
welche meistens zuerst in der Pia und der Gehirnrinde auftreten, in
verschiedene Tiefen der Gehirnsubstanz eindringen, und wenn sie
nicht rückgängig werden, mit incurabler Destruction des Gewebes,
Atrophie und Verhärtung der Gehirnsubstanz endigen, denen die
Symptomengruppe des Blödsinns entspricht.
c) Wie von der oberflächlichen Pia und der äusseren Gehirn-
rinde, so scheint in vielen Fällen ein hyperämischer und leicht ent-
zündlicher Process auf der Pia der Ventrikel und der innern Gehirn-
oberfläche vor sich zu gehen. Es ist bis jetzt unmöglich, die Symptome
dieser und der vorigen Läsionen irgendwie zu unterscheiden.
d) Die Symptomatologie ist noch nicht so weit, um im einzelnen
Falle die An- oder Abwesenheit anatomischer Störungen sicher diagno-
sticiren zu können; aber die gegebenen Expositionen bieten Grundlagen
für einen annähernden Calcul der Wahrscheinlichkeitsdiagnose, auf
den man in gleicher Weise bei vielen andern Krankheiten (z. B. des
Unterleibs) beschränkt ist.
e) Für das anatomisch-diagnostische Urtheil so gut, wie für das
prognostische, ist die An- oder Abwesenheit schwerer motorischen Störun-
gen, namentlich der Paralyse, das zuerst zu berücksichtigende Moment.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/333>, abgerufen am 16.02.2025.
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