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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Schädelknochen.
mässig grösserer Menge vorkommen (Foville), steht ziemlich vereinzelt.
Schon von grösserer Wichtigkeit scheint die künstliche Deformation
des Schädels zu sein, auf welche derselbe Arzt mehrfach aufmerksam
gemacht hat *). In mehren französischen Provinzen, namentlich in
der Normandie und in der Gascogne herrscht der Gebrauch, die
Kopfbedeckungen der Neugebornen mit Rollbinden um den Kopf zu
befestigen, wodurch diese Köpfe leicht eine lange, spitzige, cylindri-
sche Form annehmen. In diesen Gegenden ist die Hirnentzündung
bei den Kindern und das Irresein bei den Erwachsenen ungewöhn-
lich häufig, wie dies Esquirol, der sich oft über die grosse Menge
Geisteskranker in seiner Heimath (der Gascogne) wunderte, und die
Statistiken der gegenwärtig dort ausübenden Irrenärzte bestätigen.
Es versteht sich, dass diese Schädelformation weit nicht in allen
Fällen zum Irresein Anlass gibt, aber sie scheint nach diesen Beob-
achtungen eine Prädisposition zu Gehirnkrankheiten zu geben, wie
ein schlecht geformter Thorax mit Recht das Zeichen einer Prädis-
position zu Brustkrankheiten gilt. -- Was die Dicke und Textur
der Kopfknochen
betrifft, so haben fast alle Beobachter die Häu-
figkeit der Schädelanomalieen in diesen Beziehungen bei den Gei-
steskranken erkannt. Schon Greding fand -- übereinstimmend mit
den Neueren -- unter 216 Sectionen 167 Individuen mit Verdickung,
38 mit anomaler Dünnheit dieser Knochen. Diese Massenzunahme,
Hyperostose des Schädels ist entweder mit einem reichlichen Gehalt
an diploetischer Substanz, oder noch viel häufiger mit Sclerose des
Knochens verbunden. Sie ist am hänfigsten das endliche Product
einer von Zeit zu Zeit wiederholten, acuten, oder auch einer chroni-
schen Entzündung, deren immer wieder verknöchernde Exsudate eine
Reihe successiver neuer Knochenschichten ansetzen. Da die Hype-
rostose auf Kosten des Schädelraums und der zum Austritt der Blut-
gefässe bestimmten Löcher und Spalten geschieht, so kann es nicht
fehlen, dass dadurch eine Störung der Circulation innerhalb der
Schädelhöhle und partiellere oder allgemeinere Hyperämieen gesetzt
werden. Dies wird ganz besonders durch die in neuester Zeit bekannt
gewordene Entdeckung von Kasloff **) bestätigt. Dieser Arzt fand
in 21 Fällen von Selbstmord bei Wahnsinnigen eine beträchtliche
Verengerung des foramen lacerum posterius, meist nur auf
Einer Seite, bis zu einer spaltenartigen Verwachsung. Die knöcherne

*) Foville, Anatomie de systeme nerveux etc. I. Par. 1844. p. 63 seqq.
**) Oppenheims Zeitschrift. Bd. XXV. Heft. I. 1844.

der Schädelknochen.
mässig grösserer Menge vorkommen (Foville), steht ziemlich vereinzelt.
Schon von grösserer Wichtigkeit scheint die künstliche Deformation
des Schädels zu sein, auf welche derselbe Arzt mehrfach aufmerksam
gemacht hat *). In mehren französischen Provinzen, namentlich in
der Normandie und in der Gascogne herrscht der Gebrauch, die
Kopfbedeckungen der Neugebornen mit Rollbinden um den Kopf zu
befestigen, wodurch diese Köpfe leicht eine lange, spitzige, cylindri-
sche Form annehmen. In diesen Gegenden ist die Hirnentzündung
bei den Kindern und das Irresein bei den Erwachsenen ungewöhn-
lich häufig, wie dies Esquirol, der sich oft über die grosse Menge
Geisteskranker in seiner Heimath (der Gascogne) wunderte, und die
Statistiken der gegenwärtig dort ausübenden Irrenärzte bestätigen.
Es versteht sich, dass diese Schädelformation weit nicht in allen
Fällen zum Irresein Anlass gibt, aber sie scheint nach diesen Beob-
achtungen eine Prädisposition zu Gehirnkrankheiten zu geben, wie
ein schlecht geformter Thorax mit Recht das Zeichen einer Prädis-
position zu Brustkrankheiten gilt. — Was die Dicke und Textur
der Kopfknochen
betrifft, so haben fast alle Beobachter die Häu-
figkeit der Schädelanomalieen in diesen Beziehungen bei den Gei-
steskranken erkannt. Schon Greding fand — übereinstimmend mit
den Neueren — unter 216 Sectionen 167 Individuen mit Verdickung,
38 mit anomaler Dünnheit dieser Knochen. Diese Massenzunahme,
Hyperostose des Schädels ist entweder mit einem reichlichen Gehalt
an diploëtischer Substanz, oder noch viel häufiger mit Sclerose des
Knochens verbunden. Sie ist am hänfigsten das endliche Product
einer von Zeit zu Zeit wiederholten, acuten, oder auch einer chroni-
schen Entzündung, deren immer wieder verknöchernde Exsudate eine
Reihe successiver neuer Knochenschichten ansetzen. Da die Hype-
rostose auf Kosten des Schädelraums und der zum Austritt der Blut-
gefässe bestimmten Löcher und Spalten geschieht, so kann es nicht
fehlen, dass dadurch eine Störung der Circulation innerhalb der
Schädelhöhle und partiellere oder allgemeinere Hyperämieen gesetzt
werden. Dies wird ganz besonders durch die in neuester Zeit bekannt
gewordene Entdeckung von Kasloff **) bestätigt. Dieser Arzt fand
in 21 Fällen von Selbstmord bei Wahnsinnigen eine beträchtliche
Verengerung des foramen lacerum posterius, meist nur auf
Einer Seite, bis zu einer spaltenartigen Verwachsung. Die knöcherne

*) Foville, Anatomie de système nerveux etc. I. Par. 1844. p. 63 seqq.
**) Oppenheims Zeitschrift. Bd. XXV. Heft. I. 1844.
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[299/0313] der Schädelknochen. mässig grösserer Menge vorkommen (Foville), steht ziemlich vereinzelt. Schon von grösserer Wichtigkeit scheint die künstliche Deformation des Schädels zu sein, auf welche derselbe Arzt mehrfach aufmerksam gemacht hat *). In mehren französischen Provinzen, namentlich in der Normandie und in der Gascogne herrscht der Gebrauch, die Kopfbedeckungen der Neugebornen mit Rollbinden um den Kopf zu befestigen, wodurch diese Köpfe leicht eine lange, spitzige, cylindri- sche Form annehmen. In diesen Gegenden ist die Hirnentzündung bei den Kindern und das Irresein bei den Erwachsenen ungewöhn- lich häufig, wie dies Esquirol, der sich oft über die grosse Menge Geisteskranker in seiner Heimath (der Gascogne) wunderte, und die Statistiken der gegenwärtig dort ausübenden Irrenärzte bestätigen. Es versteht sich, dass diese Schädelformation weit nicht in allen Fällen zum Irresein Anlass gibt, aber sie scheint nach diesen Beob- achtungen eine Prädisposition zu Gehirnkrankheiten zu geben, wie ein schlecht geformter Thorax mit Recht das Zeichen einer Prädis- position zu Brustkrankheiten gilt. — Was die Dicke und Textur der Kopfknochen betrifft, so haben fast alle Beobachter die Häu- figkeit der Schädelanomalieen in diesen Beziehungen bei den Gei- steskranken erkannt. Schon Greding fand — übereinstimmend mit den Neueren — unter 216 Sectionen 167 Individuen mit Verdickung, 38 mit anomaler Dünnheit dieser Knochen. Diese Massenzunahme, Hyperostose des Schädels ist entweder mit einem reichlichen Gehalt an diploëtischer Substanz, oder noch viel häufiger mit Sclerose des Knochens verbunden. Sie ist am hänfigsten das endliche Product einer von Zeit zu Zeit wiederholten, acuten, oder auch einer chroni- schen Entzündung, deren immer wieder verknöchernde Exsudate eine Reihe successiver neuer Knochenschichten ansetzen. Da die Hype- rostose auf Kosten des Schädelraums und der zum Austritt der Blut- gefässe bestimmten Löcher und Spalten geschieht, so kann es nicht fehlen, dass dadurch eine Störung der Circulation innerhalb der Schädelhöhle und partiellere oder allgemeinere Hyperämieen gesetzt werden. Dies wird ganz besonders durch die in neuester Zeit bekannt gewordene Entdeckung von Kasloff **) bestätigt. Dieser Arzt fand in 21 Fällen von Selbstmord bei Wahnsinnigen eine beträchtliche Verengerung des foramen lacerum posterius, meist nur auf Einer Seite, bis zu einer spaltenartigen Verwachsung. Die knöcherne *) Foville, Anatomie de système nerveux etc. I. Par. 1844. p. 63 seqq. **) Oppenheims Zeitschrift. Bd. XXV. Heft. I. 1844.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/313>, abgerufen am 26.11.2024.