von einem überwältigenden Unglück, ohne dass sie einen Grund dafür finden konnten *).
Unmittelbar nach dem Anfalle zeigt die psychische Thätigkeit oft die auffallendsten Störungen. Der Kranke spricht zuweilen längere Zeit unzusammenhängend wie ein Blödsinniger, und es stellt sich mitunter die Intelligenz erst nach einigen Tagen wieder bis zu ihrem früheren Verhalten her. Noch viel wichtiger aber sind jene, dem Krampfanfalle auf dem Fusse folgenden Paroxismen von Tobsucht, die sich oft durch einen so hohen Grad von blinder Wuth und Wildheit, ein so tolles Dreinschlagen, wie es bei andern Maniacis kaum jemals vorkommt, auszeichnen.
Eine sehr grosse Anzahl Epileptischer ist aber auch während der krampffreien Zeiten geisteskrank. Um zu erkennen, in wel- chem Umfange dies der Fall ist, darf man die Epilepsie nicht nach den vereinzelten Fällen der Privatpraxis, sondern man muss sie nach den Daten studiren, welche sich der Beobachtung in den grösseren für solche Kranke bestimmten Anstalten ergeben. So waren z. B. unter 385 von Esquirol **) beobachteten epileptischen Frauen 46 hy- sterische, wovon viele an Hypochondrie, an maniacalischen Anfällen litten, 30 weitere Maniacae, 12 mit Monomanie behaftete, 8 Idioten, 145 Blödsinnige (darunter 16 beständig blödsinnig, die anderen nur kürzere oder längere Zeit nach dem Anfall); 50 waren gedächtniss- schwach oder hegten exaltirte Ideen. 60 Kranke (also nur 1/5 ) waren ohne Störung der Intelligenz, aber die meisten reizbar, eigen- sinnig, zum Zorne geneigt. Die letztere Characterveränderung, eine vorherrschend misstrauische, unzufriedene, neidische, zänkische, mi- santhropische Gemüthsverstimmung, zuweilen auch eine wahre Me- lancholie mit Hang zum Selbstmord tritt bei einer Menge Epileptischer ein; sie mag zum grossen Theil aus dem Gefühl ihrer exceptionellen und traurigen Lage, aus dem allmähligen Innewerden des moralischen Todes, zu dem sie durch ihre Krankheit verurtheilt werden, entspringen.
Die wichtigste andauernde psychische Störung bei Epileptischen ist der Blödsinn. Im Durchschnitt tritt er um so früher ein, je öfter die Anfälle kommen. Das Gedächtniss nimmt ab, das Vorstellen wird träge, die Phantasie verliert ihren Farbenreichthum, ihre Innigkeit
*) Cyclopädia of pract. medic. Vol. II. Art. Epilepsy von Cheyne. S. auch den Fall von noch erinnerten Phantasieen aus dem epileptischen Anfall in Nasse Zeitschr. f. Anthropologie. 1825. I. p. 190.
**) Die Geisteskrankheiten, übers. v. Bernhard. I. p. 169.
Die Epilepsie als Complication.
von einem überwältigenden Unglück, ohne dass sie einen Grund dafür finden konnten *).
Unmittelbar nach dem Anfalle zeigt die psychische Thätigkeit oft die auffallendsten Störungen. Der Kranke spricht zuweilen längere Zeit unzusammenhängend wie ein Blödsinniger, und es stellt sich mitunter die Intelligenz erst nach einigen Tagen wieder bis zu ihrem früheren Verhalten her. Noch viel wichtiger aber sind jene, dem Krampfanfalle auf dem Fusse folgenden Paroxismen von Tobsucht, die sich oft durch einen so hohen Grad von blinder Wuth und Wildheit, ein so tolles Dreinschlagen, wie es bei andern Maniacis kaum jemals vorkommt, auszeichnen.
Eine sehr grosse Anzahl Epileptischer ist aber auch während der krampffreien Zeiten geisteskrank. Um zu erkennen, in wel- chem Umfange dies der Fall ist, darf man die Epilepsie nicht nach den vereinzelten Fällen der Privatpraxis, sondern man muss sie nach den Daten studiren, welche sich der Beobachtung in den grösseren für solche Kranke bestimmten Anstalten ergeben. So waren z. B. unter 385 von Esquirol **) beobachteten epileptischen Frauen 46 hy- sterische, wovon viele an Hypochondrie, an maniacalischen Anfällen litten, 30 weitere Maniacae, 12 mit Monomanie behaftete, 8 Idioten, 145 Blödsinnige (darunter 16 beständig blödsinnig, die anderen nur kürzere oder längere Zeit nach dem Anfall); 50 waren gedächtniss- schwach oder hegten exaltirte Ideen. 60 Kranke (also nur ⅕) waren ohne Störung der Intelligenz, aber die meisten reizbar, eigen- sinnig, zum Zorne geneigt. Die letztere Characterveränderung, eine vorherrschend misstrauische, unzufriedene, neidische, zänkische, mi- santhropische Gemüthsverstimmung, zuweilen auch eine wahre Me- lancholie mit Hang zum Selbstmord tritt bei einer Menge Epileptischer ein; sie mag zum grossen Theil aus dem Gefühl ihrer exceptionellen und traurigen Lage, aus dem allmähligen Innewerden des moralischen Todes, zu dem sie durch ihre Krankheit verurtheilt werden, entspringen.
Die wichtigste andauernde psychische Störung bei Epileptischen ist der Blödsinn. Im Durchschnitt tritt er um so früher ein, je öfter die Anfälle kommen. Das Gedächtniss nimmt ab, das Vorstellen wird träge, die Phantasie verliert ihren Farbenreichthum, ihre Innigkeit
*) Cyclopädia of pract. medic. Vol. II. Art. Epilepsy von Cheyne. S. auch den Fall von noch erinnerten Phantasieen aus dem epileptischen Anfall in Nasse Zeitschr. f. Anthropologie. 1825. I. p. 190.
**) Die Geisteskrankheiten, übers. v. Bernhard. I. p. 169.
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Die Epilepsie als Complication.
von einem überwältigenden Unglück, ohne dass sie einen Grund
dafür finden konnten *).
Unmittelbar nach dem Anfalle zeigt die psychische Thätigkeit
oft die auffallendsten Störungen. Der Kranke spricht zuweilen längere
Zeit unzusammenhängend wie ein Blödsinniger, und es stellt sich
mitunter die Intelligenz erst nach einigen Tagen wieder bis zu ihrem
früheren Verhalten her. Noch viel wichtiger aber sind jene, dem
Krampfanfalle auf dem Fusse folgenden Paroxismen von Tobsucht,
die sich oft durch einen so hohen Grad von blinder Wuth und
Wildheit, ein so tolles Dreinschlagen, wie es bei andern Maniacis
kaum jemals vorkommt, auszeichnen.
Eine sehr grosse Anzahl Epileptischer ist aber auch während
der krampffreien Zeiten geisteskrank. Um zu erkennen, in wel-
chem Umfange dies der Fall ist, darf man die Epilepsie nicht nach
den vereinzelten Fällen der Privatpraxis, sondern man muss sie nach
den Daten studiren, welche sich der Beobachtung in den grösseren
für solche Kranke bestimmten Anstalten ergeben. So waren z. B.
unter 385 von Esquirol **) beobachteten epileptischen Frauen 46 hy-
sterische, wovon viele an Hypochondrie, an maniacalischen Anfällen
litten, 30 weitere Maniacae, 12 mit Monomanie behaftete, 8 Idioten,
145 Blödsinnige (darunter 16 beständig blödsinnig, die anderen nur
kürzere oder längere Zeit nach dem Anfall); 50 waren gedächtniss-
schwach oder hegten exaltirte Ideen. 60 Kranke (also nur ⅕)
waren ohne Störung der Intelligenz, aber die meisten reizbar, eigen-
sinnig, zum Zorne geneigt. Die letztere Characterveränderung, eine
vorherrschend misstrauische, unzufriedene, neidische, zänkische, mi-
santhropische Gemüthsverstimmung, zuweilen auch eine wahre Me-
lancholie mit Hang zum Selbstmord tritt bei einer Menge Epileptischer
ein; sie mag zum grossen Theil aus dem Gefühl ihrer exceptionellen
und traurigen Lage, aus dem allmähligen Innewerden des moralischen
Todes, zu dem sie durch ihre Krankheit verurtheilt werden, entspringen.
Die wichtigste andauernde psychische Störung bei Epileptischen
ist der Blödsinn. Im Durchschnitt tritt er um so früher ein, je öfter
die Anfälle kommen. Das Gedächtniss nimmt ab, das Vorstellen
wird träge, die Phantasie verliert ihren Farbenreichthum, ihre Innigkeit
*) Cyclopädia of pract. medic. Vol. II. Art. Epilepsy von Cheyne. S. auch
den Fall von noch erinnerten Phantasieen aus dem epileptischen Anfall in Nasse
Zeitschr. f. Anthropologie. 1825. I. p. 190.
**) Die Geisteskrankheiten, übers. v. Bernhard. I. p. 169.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/302>, abgerufen am 28.07.2024.
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