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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Ueber Untersuchung des Gehirns.
Blutgehalts sämtlicher Gehirnhäute (und des Gehirns selbst) ist
immer der Blutgehalt des ganzen übrigen Körpers mit in Rechnung
zu nehmen, indem auch eine beträchtliche Blutmenge im Schädel
bei grösserem allgemeinem Blutreichthum weit geringer anzuschla-
gen ist, als bei entgegengesetztem, anämischem Zustande. -- Im
gesunden Gehirne sind die zarten Häute dünn und durchsichtig;
längs des Sinus longitudinalis und der grossen Gefässe ist zwar eine
Trübung bei Erwachsenen und alten Individuen von keiner Bedeu-
tung, in der Jugend dagegen sehr wichtig, indem sie auf vorausge-
gangene längere Hyperämieen schliessen lässt. Dasselbe gilt von den
Pacchionischen Granulationen, dasselbe in vieler Hinsicht auch von
dem Serum-Gehalt der Schädelhöhle, indem auch dieser bei Greisen
durchschnittlich beträchtlicher ist. Die Gehirnhäute lassen sich beim
gesunden, frisch aus dem Schädel genommenen Gehirne leicht ab-
lösen, ohne, ausser ganz dünnen, vereinzelten Flocken, etwas von
der Gehirn-Oberfläche mitzunehmen. Das entgegengesetzte Verhalten
ist pathologisch. -- Die Windungen müssen dicht aneinander anliegen
und ihre Oberfläche muss eben, egal sein; das Gegentheil, eine
unebene, höckrige, grubige Oberfläche deutet auf Atrophie einzelner
Windungen, welche bei Greisen gleichfalls weniger zu bedeuten hat,
als in der Jugend. -- Die ganze graue Substanz muss, wenn das
Gehirn gesund sein soll, lebhaft von der weissen abstechen; übrigens
darf die innere Schicht der grauen Substanz wohl etwas heller sein,
als die mehr äusseren Schichten. -- Die weisse Substanz muss
fester sein als die graue; einzelne Theile, wie Pons und Medulla
oblongata, übertreffen schon im Normalzustande die übrige weisse
Masse an Festigkeit. Ausserdem aber muss die Consistenz überall
eine gleichförmige sein, und partielle Härten und Erweichungen sind
von grösserer Bedeutung, als der Consistenzgrad, die Härte oder
Weichheit des Gehirns im Ganzen. -- Immer muss das Gehirn auch
genau gewogen werden, und zwar nicht nur im Ganzen, sondern
man erwartet auch eine besondere Wägung des kleinen Gehirns (mit
anhängender Pons und Medulla oblongata), um es mit dem Gewichte
des grossen Gehirns vergleichen zu können. Es hat ausserdem
Vortheile, auch Messungen der Dicke einzelner Hauptwindungen und
namentlich Messungen der grauen Substanz an verschiedenen Stellen
der Windungen anzugeben. Was sonst zu berücksichtigen wäre, ist
entweder allgemein bekannt oder wird es im 4ten Buche besprochen. --


Ueber Untersuchung des Gehirns.
Blutgehalts sämtlicher Gehirnhäute (und des Gehirns selbst) ist
immer der Blutgehalt des ganzen übrigen Körpers mit in Rechnung
zu nehmen, indem auch eine beträchtliche Blutmenge im Schädel
bei grösserem allgemeinem Blutreichthum weit geringer anzuschla-
gen ist, als bei entgegengesetztem, anämischem Zustande. — Im
gesunden Gehirne sind die zarten Häute dünn und durchsichtig;
längs des Sinus longitudinalis und der grossen Gefässe ist zwar eine
Trübung bei Erwachsenen und alten Individuen von keiner Bedeu-
tung, in der Jugend dagegen sehr wichtig, indem sie auf vorausge-
gangene längere Hyperämieen schliessen lässt. Dasselbe gilt von den
Pacchionischen Granulationen, dasselbe in vieler Hinsicht auch von
dem Serum-Gehalt der Schädelhöhle, indem auch dieser bei Greisen
durchschnittlich beträchtlicher ist. Die Gehirnhäute lassen sich beim
gesunden, frisch aus dem Schädel genommenen Gehirne leicht ab-
lösen, ohne, ausser ganz dünnen, vereinzelten Flocken, etwas von
der Gehirn-Oberfläche mitzunehmen. Das entgegengesetzte Verhalten
ist pathologisch. — Die Windungen müssen dicht aneinander anliegen
und ihre Oberfläche muss eben, egal sein; das Gegentheil, eine
unebene, höckrige, grubige Oberfläche deutet auf Atrophie einzelner
Windungen, welche bei Greisen gleichfalls weniger zu bedeuten hat,
als in der Jugend. — Die ganze graue Substanz muss, wenn das
Gehirn gesund sein soll, lebhaft von der weissen abstechen; übrigens
darf die innere Schicht der grauen Substanz wohl etwas heller sein,
als die mehr äusseren Schichten. — Die weisse Substanz muss
fester sein als die graue; einzelne Theile, wie Pons und Medulla
oblongata, übertreffen schon im Normalzustande die übrige weisse
Masse an Festigkeit. Ausserdem aber muss die Consistenz überall
eine gleichförmige sein, und partielle Härten und Erweichungen sind
von grösserer Bedeutung, als der Consistenzgrad, die Härte oder
Weichheit des Gehirns im Ganzen. — Immer muss das Gehirn auch
genau gewogen werden, und zwar nicht nur im Ganzen, sondern
man erwartet auch eine besondere Wägung des kleinen Gehirns (mit
anhängender Pons und Medulla oblongata), um es mit dem Gewichte
des grossen Gehirns vergleichen zu können. Es hat ausserdem
Vortheile, auch Messungen der Dicke einzelner Hauptwindungen und
namentlich Messungen der grauen Substanz an verschiedenen Stellen
der Windungen anzugeben. Was sonst zu berücksichtigen wäre, ist
entweder allgemein bekannt oder wird es im 4ten Buche besprochen. —


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[16/0030] Ueber Untersuchung des Gehirns. Blutgehalts sämtlicher Gehirnhäute (und des Gehirns selbst) ist immer der Blutgehalt des ganzen übrigen Körpers mit in Rechnung zu nehmen, indem auch eine beträchtliche Blutmenge im Schädel bei grösserem allgemeinem Blutreichthum weit geringer anzuschla- gen ist, als bei entgegengesetztem, anämischem Zustande. — Im gesunden Gehirne sind die zarten Häute dünn und durchsichtig; längs des Sinus longitudinalis und der grossen Gefässe ist zwar eine Trübung bei Erwachsenen und alten Individuen von keiner Bedeu- tung, in der Jugend dagegen sehr wichtig, indem sie auf vorausge- gangene längere Hyperämieen schliessen lässt. Dasselbe gilt von den Pacchionischen Granulationen, dasselbe in vieler Hinsicht auch von dem Serum-Gehalt der Schädelhöhle, indem auch dieser bei Greisen durchschnittlich beträchtlicher ist. Die Gehirnhäute lassen sich beim gesunden, frisch aus dem Schädel genommenen Gehirne leicht ab- lösen, ohne, ausser ganz dünnen, vereinzelten Flocken, etwas von der Gehirn-Oberfläche mitzunehmen. Das entgegengesetzte Verhalten ist pathologisch. — Die Windungen müssen dicht aneinander anliegen und ihre Oberfläche muss eben, egal sein; das Gegentheil, eine unebene, höckrige, grubige Oberfläche deutet auf Atrophie einzelner Windungen, welche bei Greisen gleichfalls weniger zu bedeuten hat, als in der Jugend. — Die ganze graue Substanz muss, wenn das Gehirn gesund sein soll, lebhaft von der weissen abstechen; übrigens darf die innere Schicht der grauen Substanz wohl etwas heller sein, als die mehr äusseren Schichten. — Die weisse Substanz muss fester sein als die graue; einzelne Theile, wie Pons und Medulla oblongata, übertreffen schon im Normalzustande die übrige weisse Masse an Festigkeit. Ausserdem aber muss die Consistenz überall eine gleichförmige sein, und partielle Härten und Erweichungen sind von grösserer Bedeutung, als der Consistenzgrad, die Härte oder Weichheit des Gehirns im Ganzen. — Immer muss das Gehirn auch genau gewogen werden, und zwar nicht nur im Ganzen, sondern man erwartet auch eine besondere Wägung des kleinen Gehirns (mit anhängender Pons und Medulla oblongata), um es mit dem Gewichte des grossen Gehirns vergleichen zu können. Es hat ausserdem Vortheile, auch Messungen der Dicke einzelner Hauptwindungen und namentlich Messungen der grauen Substanz an verschiedenen Stellen der Windungen anzugeben. Was sonst zu berücksichtigen wäre, ist entweder allgemein bekannt oder wird es im 4ten Buche besprochen. —

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/30>, abgerufen am 23.11.2024.