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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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Symptomatologie der Verrücktheit.
der eben vorhandenen Stimmung (Lachen, Herumhüpfen, Weinen etc.)
haben viele dieser Zustände mit dem Kindes-Alter gemein. So sind
auch viele dieser Kranken wie hülfsbedürftige Kinder zu behandeln
und zu leiten, können noch durch Milde oder Strenge zu leichteren,
mechanischen Arbeiten angehalten und durch methodische Ordnung
und Zucht in den Aeusserungen ihrer Verworrenheit beschränkt und
vor tieferem Versinken oft noch lange Zeit bewahrt werden.

Diese Kranken, die Verrückten und Blödsinnigen, bilden die
grosse Majorität aller Irren, namentlich sind die Pflege-Anstalten für
chronische Fälle fast ausschliesslich von ihnen bevölkert. Wenn nur
die psychologische Kenntniss dieser Zustände in irgend annäherndem
Verhältnisse stünde zu der vielfachen Gelegenheit sie zu beobachten!
Aber die individuellen Verschiedenheiten sind hier noch grösser,
als bei den vorigen Formen, sie sind nicht zu zählen und nicht
zu beschreiben. Man muss sich mit Aufstellung und Schilderung einiger
Haupttypen begnügen.


Erstes Capitel.
Die partielle Verrücktheit.
§. 122.

Wir begreifen hierunter jene secundären Zustände von Irresein,
wo auch mit bedeutender Abnahme und nach gänzlichem Erlöschen
des ursprünglichen krankhaften Affects das Individuum nicht genesen,
sondern in der Weise erkrankt geblieben ist, dass es nun am auf-
fallendsten in einzelnen fixen Wahn-Vorstellungen, die mit besonderer
Vorliebe gepflegt und stets wiederholt geäussert werden, delirirt, --
immer also eine secundäre, aus der Melancholie oder Manie heraus-
gebildete Krankheit. Wir halten den von Esquirol eingeführten, von
ihm aber in wesentlich anderem Sinne gebrauchten Namen der Mo-
nomanie
(§. 40.), wenn er überhaupt für eine besondere Form der
Geisteskrankheiten beibehalten werden soll, für vorzugsweise geeignet
zur Bezeichnung dieser Zustände. Das Studium der psychischen Vor-
gänge bei diesen Kranken scheint uns bis jetzt auffallend vernach-
lässigt und das Bild der Krankheit durch anecdotenartige Auffassung
vielfach getrübt und verfälscht. Wir wollen versuchen, das zu schil-
dern, was uns die Beobachtung ergab.

Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und des
Wollens
. Der Uebergang der Melancholie und Manie mit Wahn-

Symptomatologie der Verrücktheit.
der eben vorhandenen Stimmung (Lachen, Herumhüpfen, Weinen etc.)
haben viele dieser Zustände mit dem Kindes-Alter gemein. So sind
auch viele dieser Kranken wie hülfsbedürftige Kinder zu behandeln
und zu leiten, können noch durch Milde oder Strenge zu leichteren,
mechanischen Arbeiten angehalten und durch methodische Ordnung
und Zucht in den Aeusserungen ihrer Verworrenheit beschränkt und
vor tieferem Versinken oft noch lange Zeit bewahrt werden.

Diese Kranken, die Verrückten und Blödsinnigen, bilden die
grosse Majorität aller Irren, namentlich sind die Pflege-Anstalten für
chronische Fälle fast ausschliesslich von ihnen bevölkert. Wenn nur
die psychologische Kenntniss dieser Zustände in irgend annäherndem
Verhältnisse stünde zu der vielfachen Gelegenheit sie zu beobachten!
Aber die individuellen Verschiedenheiten sind hier noch grösser,
als bei den vorigen Formen, sie sind nicht zu zählen und nicht
zu beschreiben. Man muss sich mit Aufstellung und Schilderung einiger
Haupttypen begnügen.


Erstes Capitel.
Die partielle Verrücktheit.
§. 122.

Wir begreifen hierunter jene secundären Zustände von Irresein,
wo auch mit bedeutender Abnahme und nach gänzlichem Erlöschen
des ursprünglichen krankhaften Affects das Individuum nicht genesen,
sondern in der Weise erkrankt geblieben ist, dass es nun am auf-
fallendsten in einzelnen fixen Wahn-Vorstellungen, die mit besonderer
Vorliebe gepflegt und stets wiederholt geäussert werden, delirirt, —
immer also eine secundäre, aus der Melancholie oder Manie heraus-
gebildete Krankheit. Wir halten den von Esquirol eingeführten, von
ihm aber in wesentlich anderem Sinne gebrauchten Namen der Mo-
nomanie
(§. 40.), wenn er überhaupt für eine besondere Form der
Geisteskrankheiten beibehalten werden soll, für vorzugsweise geeignet
zur Bezeichnung dieser Zustände. Das Studium der psychischen Vor-
gänge bei diesen Kranken scheint uns bis jetzt auffallend vernach-
lässigt und das Bild der Krankheit durch anecdotenartige Auffassung
vielfach getrübt und verfälscht. Wir wollen versuchen, das zu schil-
dern, was uns die Beobachtung ergab.

Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und des
Wollens
. Der Uebergang der Melancholie und Manie mit Wahn-

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[258/0272] Symptomatologie der Verrücktheit. der eben vorhandenen Stimmung (Lachen, Herumhüpfen, Weinen etc.) haben viele dieser Zustände mit dem Kindes-Alter gemein. So sind auch viele dieser Kranken wie hülfsbedürftige Kinder zu behandeln und zu leiten, können noch durch Milde oder Strenge zu leichteren, mechanischen Arbeiten angehalten und durch methodische Ordnung und Zucht in den Aeusserungen ihrer Verworrenheit beschränkt und vor tieferem Versinken oft noch lange Zeit bewahrt werden. Diese Kranken, die Verrückten und Blödsinnigen, bilden die grosse Majorität aller Irren, namentlich sind die Pflege-Anstalten für chronische Fälle fast ausschliesslich von ihnen bevölkert. Wenn nur die psychologische Kenntniss dieser Zustände in irgend annäherndem Verhältnisse stünde zu der vielfachen Gelegenheit sie zu beobachten! Aber die individuellen Verschiedenheiten sind hier noch grösser, als bei den vorigen Formen, sie sind nicht zu zählen und nicht zu beschreiben. Man muss sich mit Aufstellung und Schilderung einiger Haupttypen begnügen. Erstes Capitel. Die partielle Verrücktheit. §. 122. Wir begreifen hierunter jene secundären Zustände von Irresein, wo auch mit bedeutender Abnahme und nach gänzlichem Erlöschen des ursprünglichen krankhaften Affects das Individuum nicht genesen, sondern in der Weise erkrankt geblieben ist, dass es nun am auf- fallendsten in einzelnen fixen Wahn-Vorstellungen, die mit besonderer Vorliebe gepflegt und stets wiederholt geäussert werden, delirirt, — immer also eine secundäre, aus der Melancholie oder Manie heraus- gebildete Krankheit. Wir halten den von Esquirol eingeführten, von ihm aber in wesentlich anderem Sinne gebrauchten Namen der Mo- nomanie (§. 40.), wenn er überhaupt für eine besondere Form der Geisteskrankheiten beibehalten werden soll, für vorzugsweise geeignet zur Bezeichnung dieser Zustände. Das Studium der psychischen Vor- gänge bei diesen Kranken scheint uns bis jetzt auffallend vernach- lässigt und das Bild der Krankheit durch anecdotenartige Auffassung vielfach getrübt und verfälscht. Wir wollen versuchen, das zu schil- dern, was uns die Beobachtung ergab. Anomalieen der Selbstempfindung, der Triebe und des Wollens. Der Uebergang der Melancholie und Manie mit Wahn-

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/272>, abgerufen am 09.11.2024.