An einem andern Orte *) haben wir auf die durchgängig nach- weisbare pathologische Analogie der Gehirnkrankheiten, auch insofern sie vorzugsweise psychisch-anomale Symptome geben, mit den Irrita- tionen und mit den tieferen Substanzerkrankungen des Rückenmarks aufmerksam gemacht. Diese Vergleichung wird nicht nur durch den dort gegebenen Nachweis gerechtfertigt, dass dem einen wie dem andern Abschnitte des Central-Nervensystems dieselben Schemata krankhafter Thätigkeit zukommen, welche nur nach der ursprünglich gegebenen Verschiedenheit der Energieen sich sehr verschieden äussern; die Vergleichung hat zunächst ihre Basis in der normalen und pathologischen Anatomie, welche uns im Gehirn und Rückenmark ein einziges, nur künstlich trennbares Ganzes kennen lehrt und uns in beiden dieselben gröberen Dispositionen, dieselben Elementarge- webe und auch die nemlichen pathologischen Veränderungen aufzeigt.
Indem wir nun die gröbere Anatomie, die Eintheilung des Gehirns und Rückenmarks, die Structur und Lagerung seiner Hüllen als be- kannt voraussetzen, schicken wir nur wenige Bemerkungen über den Bau und den Zusammenhang des Central-Nervensystems, an welche sich später physio-pathologische Ergebnisse anknüpfen lassen, und über die Beurtheilung der gesunden oder kranken Beschaffenheit des Gehirns voraus.
Gehirn und Rückenmark bilden ein Ganzes, dessen verschiedene Abschnitte im Wesentlichen denselben elementaren Bau, und einen gemeinsamen, wenn gleich zu immer höherer Entwicklung fortschrei- tenden Typus der Organisation **) zeigen.
Wie sich die Wirbelstructur der knöchernen Rückenmarkshüllen am Schädel in ausgebildeterer Weise, in einer complicirten Mehr- heit von Knochengebilden wiederholt, so geht auch der Schädel-Ab- schnitt des centralen Nervensystems in eine verwickelte Vielheit
*) Neue Beiträge zur Physiol. und Pathol. des Gehirns. Vom Vf. Archiv f. physiolog. Heilkunde. III. 1. p. 69.
**) Vgl. Arnold, Bemerkungen über den Bau des Gehirns und Rückenmarks. Zürich. 1838. Valentin, Hirn- und Nervenlehre. Leipzig. 1841. Foville, anatomie du systeme nerveux cerebro-spinal. Par. 1844. Longet, anat. et physiol. d. syst. nerv. 1842.
Zweiter Abschnitt. Anatomische Vorbemerkungen.
§. 8.
An einem andern Orte *) haben wir auf die durchgängig nach- weisbare pathologische Analogie der Gehirnkrankheiten, auch insofern sie vorzugsweise psychisch-anomale Symptome geben, mit den Irrita- tionen und mit den tieferen Substanzerkrankungen des Rückenmarks aufmerksam gemacht. Diese Vergleichung wird nicht nur durch den dort gegebenen Nachweis gerechtfertigt, dass dem einen wie dem andern Abschnitte des Central-Nervensystems dieselben Schemata krankhafter Thätigkeit zukommen, welche nur nach der ursprünglich gegebenen Verschiedenheit der Energieen sich sehr verschieden äussern; die Vergleichung hat zunächst ihre Basis in der normalen und pathologischen Anatomie, welche uns im Gehirn und Rückenmark ein einziges, nur künstlich trennbares Ganzes kennen lehrt und uns in beiden dieselben gröberen Dispositionen, dieselben Elementarge- webe und auch die nemlichen pathologischen Veränderungen aufzeigt.
Indem wir nun die gröbere Anatomie, die Eintheilung des Gehirns und Rückenmarks, die Structur und Lagerung seiner Hüllen als be- kannt voraussetzen, schicken wir nur wenige Bemerkungen über den Bau und den Zusammenhang des Central-Nervensystems, an welche sich später physio-pathologische Ergebnisse anknüpfen lassen, und über die Beurtheilung der gesunden oder kranken Beschaffenheit des Gehirns voraus.
Gehirn und Rückenmark bilden ein Ganzes, dessen verschiedene Abschnitte im Wesentlichen denselben elementaren Bau, und einen gemeinsamen, wenn gleich zu immer höherer Entwicklung fortschrei- tenden Typus der Organisation **) zeigen.
Wie sich die Wirbelstructur der knöchernen Rückenmarkshüllen am Schädel in ausgebildeterer Weise, in einer complicirten Mehr- heit von Knochengebilden wiederholt, so geht auch der Schädel-Ab- schnitt des centralen Nervensystems in eine verwickelte Vielheit
*) Neue Beiträge zur Physiol. und Pathol. des Gehirns. Vom Vf. Archiv f. physiolog. Heilkunde. III. 1. p. 69.
**) Vgl. Arnold, Bemerkungen über den Bau des Gehirns und Rückenmarks. Zürich. 1838. Valentin, Hirn- und Nervenlehre. Leipzig. 1841. Foville, anatomie du système nerveux cerebro-spinal. Par. 1844. Longet, anat. et physiol. d. syst. nerv. 1842.
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Zweiter Abschnitt.
Anatomische Vorbemerkungen.
§. 8.
An einem andern Orte *) haben wir auf die durchgängig nach-
weisbare pathologische Analogie der Gehirnkrankheiten, auch insofern
sie vorzugsweise psychisch-anomale Symptome geben, mit den Irrita-
tionen und mit den tieferen Substanzerkrankungen des Rückenmarks
aufmerksam gemacht. Diese Vergleichung wird nicht nur durch den
dort gegebenen Nachweis gerechtfertigt, dass dem einen wie dem
andern Abschnitte des Central-Nervensystems dieselben Schemata
krankhafter Thätigkeit zukommen, welche nur nach der ursprünglich
gegebenen Verschiedenheit der Energieen sich sehr verschieden
äussern; die Vergleichung hat zunächst ihre Basis in der normalen
und pathologischen Anatomie, welche uns im Gehirn und Rückenmark
ein einziges, nur künstlich trennbares Ganzes kennen lehrt und uns
in beiden dieselben gröberen Dispositionen, dieselben Elementarge-
webe und auch die nemlichen pathologischen Veränderungen aufzeigt.
Indem wir nun die gröbere Anatomie, die Eintheilung des Gehirns
und Rückenmarks, die Structur und Lagerung seiner Hüllen als be-
kannt voraussetzen, schicken wir nur wenige Bemerkungen über den
Bau und den Zusammenhang des Central-Nervensystems, an welche
sich später physio-pathologische Ergebnisse anknüpfen lassen, und
über die Beurtheilung der gesunden oder kranken Beschaffenheit des
Gehirns voraus.
Gehirn und Rückenmark bilden ein Ganzes, dessen verschiedene
Abschnitte im Wesentlichen denselben elementaren Bau, und einen
gemeinsamen, wenn gleich zu immer höherer Entwicklung fortschrei-
tenden Typus der Organisation **) zeigen.
Wie sich die Wirbelstructur der knöchernen Rückenmarkshüllen
am Schädel in ausgebildeterer Weise, in einer complicirten Mehr-
heit von Knochengebilden wiederholt, so geht auch der Schädel-Ab-
schnitt des centralen Nervensystems in eine verwickelte Vielheit
*) Neue Beiträge zur Physiol. und Pathol. des Gehirns. Vom Vf. Archiv
f. physiolog. Heilkunde. III. 1. p. 69.
**) Vgl. Arnold, Bemerkungen über den Bau des Gehirns und Rückenmarks.
Zürich. 1838. Valentin, Hirn- und Nervenlehre. Leipzig. 1841. Foville, anatomie
du système nerveux cerebro-spinal. Par. 1844. Longet, anat. et physiol. d. syst.
nerv. 1842.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/24>, abgerufen am 03.03.2025.
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