unzählige Verschiedenheiten beobachtet werden nach vorausgegangenen oder gleich- zeitigen anderweitigen Erkrankungen, welche nicht immer und nothwendig in einem nahen Nexus mit der Gehirnkrankheit stehen müssen.
§. 113.
Was das Vorkommen und den Verlauf der tobsüchtigen Zustände betrifft, so beobachtet man solche theils als reine für sich bestehende Form, wie wir sie bisher betrachtet haben, theils sieht man Anfälle von Tobsucht vorübergehend bei Individuen auftreten, welche schon früher in tieferer Weise psychisch erkrankt waren, na- mentlich in allen den verschiedenen Formen des Blödsinns. Es mischen sich hier immer die Charactere dieser chronischeren Affectionen, namentlich die Schwäche der Intelligenz, mit den Symptomen der acut verlaufenden Paroxismen; solche haben die Bedeutung convul- sivischer Zustände, welche sich zuweilen während des Verlaufs von Lähmungen einstellen.
Auch bei Epileptischen sind Anfälle von Tobsucht nicht selten und zeichnen sich hier oft durch einen hohen Grad von blinder Wuth und Wildheit aus. Sie folgen mitunter unmittelbar auf den epileptischen Anfall, als ob der Reiz zu stürmischer motorischer Entladung nur auf andere Theile des Gehirns umgesprungen wäre.
Zum Ausbruch der Tobsucht scheinen mehr die anämischen als die plethorischen Zustände zu disponiren; übermässige Blutverluste, (z. B. im Wochenbette, durch profuse Menses, durch unzweckmässig gehäufte Venäsectionen), Erschöpfungszustände nach Typhus, nach einem rasch geschehenen Tuberkelabsatze, nach weit getriebenen Excessen sind in vielen Fällen als evidente, nähere oder entferntere Ursachen, zu erkennen. Die acute Meningitis der Erwachsenen ist oft von einem Delirium begleitet, das in allen Beziehungen der Tob- sucht gleich ist, und es entwickelt sich zuweilen aus dieser Krank- heit später Manie in langwierigerer Form.
Im Verlaufe der Tobsucht wird gewöhnlich ein Wechsel von Remission und Exacerbation, nicht selten werden sogar völlig freie Intermissionen beobachtet. So hat man Fälle, wo die Kranken Monate lang nur in andertägigem Rhythmus, mit völlig freien Zwischentagen, tobsüchtig waren -- ein den rhythmischen Spinalirritationen durchaus analoges Verhalten der Gehirnkrankheit. -- Sehr oft sieht man zur Zeit der Menstruation eine Exacerbation eintreten, anderemale zeigen sich heftigere Paroxismen und Remissionen ohne alle bekannte Ver- anlassung, vielleicht durch Veränderungen, welche in anderweitigen chronischen Krankheitszuständen, welche die Tobsucht begleiten,
Griesinger, psych. Krankhtn. 15
Vorkommen und Verlauf der Tobsucht.
unzählige Verschiedenheiten beobachtet werden nach vorausgegangenen oder gleich- zeitigen anderweitigen Erkrankungen, welche nicht immer und nothwendig in einem nahen Nexus mit der Gehirnkrankheit stehen müssen.
§. 113.
Was das Vorkommen und den Verlauf der tobsüchtigen Zustände betrifft, so beobachtet man solche theils als reine für sich bestehende Form, wie wir sie bisher betrachtet haben, theils sieht man Anfälle von Tobsucht vorübergehend bei Individuen auftreten, welche schon früher in tieferer Weise psychisch erkrankt waren, na- mentlich in allen den verschiedenen Formen des Blödsinns. Es mischen sich hier immer die Charactere dieser chronischeren Affectionen, namentlich die Schwäche der Intelligenz, mit den Symptomen der acut verlaufenden Paroxismen; solche haben die Bedeutung convul- sivischer Zustände, welche sich zuweilen während des Verlaufs von Lähmungen einstellen.
Auch bei Epileptischen sind Anfälle von Tobsucht nicht selten und zeichnen sich hier oft durch einen hohen Grad von blinder Wuth und Wildheit aus. Sie folgen mitunter unmittelbar auf den epileptischen Anfall, als ob der Reiz zu stürmischer motorischer Entladung nur auf andere Theile des Gehirns umgesprungen wäre.
Zum Ausbruch der Tobsucht scheinen mehr die anämischen als die plethorischen Zustände zu disponiren; übermässige Blutverluste, (z. B. im Wochenbette, durch profuse Menses, durch unzweckmässig gehäufte Venäsectionen), Erschöpfungszustände nach Typhus, nach einem rasch geschehenen Tuberkelabsatze, nach weit getriebenen Excessen sind in vielen Fällen als evidente, nähere oder entferntere Ursachen, zu erkennen. Die acute Meningitis der Erwachsenen ist oft von einem Delirium begleitet, das in allen Beziehungen der Tob- sucht gleich ist, und es entwickelt sich zuweilen aus dieser Krank- heit später Manie in langwierigerer Form.
Im Verlaufe der Tobsucht wird gewöhnlich ein Wechsel von Remission und Exacerbation, nicht selten werden sogar völlig freie Intermissionen beobachtet. So hat man Fälle, wo die Kranken Monate lang nur in andertägigem Rhythmus, mit völlig freien Zwischentagen, tobsüchtig waren — ein den rhythmischen Spinalirritationen durchaus analoges Verhalten der Gehirnkrankheit. — Sehr oft sieht man zur Zeit der Menstruation eine Exacerbation eintreten, anderemale zeigen sich heftigere Paroxismen und Remissionen ohne alle bekannte Ver- anlassung, vielleicht durch Veränderungen, welche in anderweitigen chronischen Krankheitszuständen, welche die Tobsucht begleiten,
Griesinger, psych. Krankhtn. 15
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Vorkommen und Verlauf der Tobsucht.
unzählige Verschiedenheiten beobachtet werden nach vorausgegangenen oder gleich-
zeitigen anderweitigen Erkrankungen, welche nicht immer und nothwendig in
einem nahen Nexus mit der Gehirnkrankheit stehen müssen.
§. 113.
Was das Vorkommen und den Verlauf der tobsüchtigen
Zustände betrifft, so beobachtet man solche theils als reine für sich
bestehende Form, wie wir sie bisher betrachtet haben, theils sieht
man Anfälle von Tobsucht vorübergehend bei Individuen auftreten,
welche schon früher in tieferer Weise psychisch erkrankt waren, na-
mentlich in allen den verschiedenen Formen des Blödsinns. Es mischen
sich hier immer die Charactere dieser chronischeren Affectionen,
namentlich die Schwäche der Intelligenz, mit den Symptomen der
acut verlaufenden Paroxismen; solche haben die Bedeutung convul-
sivischer Zustände, welche sich zuweilen während des Verlaufs von
Lähmungen einstellen.
Auch bei Epileptischen sind Anfälle von Tobsucht nicht selten
und zeichnen sich hier oft durch einen hohen Grad von blinder Wuth
und Wildheit aus. Sie folgen mitunter unmittelbar auf den epileptischen
Anfall, als ob der Reiz zu stürmischer motorischer Entladung nur auf
andere Theile des Gehirns umgesprungen wäre.
Zum Ausbruch der Tobsucht scheinen mehr die anämischen als
die plethorischen Zustände zu disponiren; übermässige Blutverluste,
(z. B. im Wochenbette, durch profuse Menses, durch unzweckmässig
gehäufte Venäsectionen), Erschöpfungszustände nach Typhus, nach
einem rasch geschehenen Tuberkelabsatze, nach weit getriebenen
Excessen sind in vielen Fällen als evidente, nähere oder entferntere
Ursachen, zu erkennen. Die acute Meningitis der Erwachsenen ist
oft von einem Delirium begleitet, das in allen Beziehungen der Tob-
sucht gleich ist, und es entwickelt sich zuweilen aus dieser Krank-
heit später Manie in langwierigerer Form.
Im Verlaufe der Tobsucht wird gewöhnlich ein Wechsel von
Remission und Exacerbation, nicht selten werden sogar völlig freie
Intermissionen beobachtet. So hat man Fälle, wo die Kranken Monate
lang nur in andertägigem Rhythmus, mit völlig freien Zwischentagen,
tobsüchtig waren — ein den rhythmischen Spinalirritationen durchaus
analoges Verhalten der Gehirnkrankheit. — Sehr oft sieht man zur
Zeit der Menstruation eine Exacerbation eintreten, anderemale zeigen
sich heftigere Paroxismen und Remissionen ohne alle bekannte Ver-
anlassung, vielleicht durch Veränderungen, welche in anderweitigen
chronischen Krankheitszuständen, welche die Tobsucht begleiten,
Griesinger, psych. Krankhtn. 15
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/239>, abgerufen am 03.03.2025.
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