wo gerade der Organismus den meisten Aufwand zu seiner normalen Entwicklung und Weiterbildung zu machen hat und wo er überhaupt am erkrankungsfähigsten ist, in der Pubertätszeit, in der Schwangerschaft, dem Wochenbett, der clim- acterischen Periode etc.
Drittes Capitel. Gemischte Ursachen.
§. 79.
1) Die Trunksucht steht zwischen den psychischen und soma- tischen Ursachen in der Mitte; ihre Wirkungen gehören, wie zu den mächtigsten, (Halloran fand unter 747 Fällen bei mehr als einem Fünftheil diese Ursache, Prichard und Esquirol schreiben sogar die Hälfte der Erkrankungen in England der Trunksucht zu, Jakobi und viele andere Beobachter fanden auch in Deutsch- land und andern Ländern die Zahl sehr bedeutend, Rush gibt sie als bei einem Drittheil der Kranken des Pensylvania-Hospitals an, Bergmann in Hannover etwa zu einem Sechstel,) -- so auch zu den complicirtesten. Einestheils nemlich wirkt das Uebermass der Spirituosa rein somatisch theils direct, durch Ueberreizung und Ernährungs-Veränderung (Schrumpfen der albuminösen Gebilde durch den Alcohol?) des Gehirns, durch Entwicklung chronischer Stasen in der Schädelhöhle, theils indirect, durch Ausbildung des Säufer- scorbuts, der fettigen Entartung der Leber, der schwereren Magen- krankheiten, damit durch völlige Zerrüttung der Constitution. Andern- theils aber führt die Trunksucht auch wichtige psychische Ursachen herbei, theils in jenen Aufregungen, tollen Streichen, Händeln, Raufereien, denen der Trunkenbold sich leicht aussetzt, theils in den traurigen psychischen Eindrücken, die ihm die gewöhnlichen Folgen der Trunksucht, häuslicher Unfriede, Ruin der Geschäfte, Untergang des Familienlebens, äussere Geringschätzung allmählig aufdringen müssen. Als ein drittes Moment endlich ist der Umstand wohl zu beachten, dass in vielen Fällen die Trunksucht selbst schon die Folge solcher Eindrücke, des häuslichen Kummers, des Grams, des Aergers und Verdrusses ist, für die eben in der Flasche Ersatz und Erleichterung gesucht wird, wo es denn, beim gemeinsamen Fortwirken zweier so wichtigen Ursachen, gewöhnlich am schnellsten zur Ausbildung des Irreseins kommt.
Der Missbrauch der geistigen Getränke
wo gerade der Organismus den meisten Aufwand zu seiner normalen Entwicklung und Weiterbildung zu machen hat und wo er überhaupt am erkrankungsfähigsten ist, in der Pubertätszeit, in der Schwangerschaft, dem Wochenbett, der clim- acterischen Periode etc.
Drittes Capitel. Gemischte Ursachen.
§. 79.
1) Die Trunksucht steht zwischen den psychischen und soma- tischen Ursachen in der Mitte; ihre Wirkungen gehören, wie zu den mächtigsten, (Halloran fand unter 747 Fällen bei mehr als einem Fünftheil diese Ursache, Prichard und Esquirol schreiben sogar die Hälfte der Erkrankungen in England der Trunksucht zu, Jakobi und viele andere Beobachter fanden auch in Deutsch- land und andern Ländern die Zahl sehr bedeutend, Rush gibt sie als bei einem Drittheil der Kranken des Pensylvania-Hospitals an, Bergmann in Hannover etwa zu einem Sechstel,) — so auch zu den complicirtesten. Einestheils nemlich wirkt das Uebermass der Spirituosa rein somatisch theils direct, durch Ueberreizung und Ernährungs-Veränderung (Schrumpfen der albuminösen Gebilde durch den Alcohol?) des Gehirns, durch Entwicklung chronischer Stasen in der Schädelhöhle, theils indirect, durch Ausbildung des Säufer- scorbuts, der fettigen Entartung der Leber, der schwereren Magen- krankheiten, damit durch völlige Zerrüttung der Constitution. Andern- theils aber führt die Trunksucht auch wichtige psychische Ursachen herbei, theils in jenen Aufregungen, tollen Streichen, Händeln, Raufereien, denen der Trunkenbold sich leicht aussetzt, theils in den traurigen psychischen Eindrücken, die ihm die gewöhnlichen Folgen der Trunksucht, häuslicher Unfriede, Ruin der Geschäfte, Untergang des Familienlebens, äussere Geringschätzung allmählig aufdringen müssen. Als ein drittes Moment endlich ist der Umstand wohl zu beachten, dass in vielen Fällen die Trunksucht selbst schon die Folge solcher Eindrücke, des häuslichen Kummers, des Grams, des Aergers und Verdrusses ist, für die eben in der Flasche Ersatz und Erleichterung gesucht wird, wo es denn, beim gemeinsamen Fortwirken zweier so wichtigen Ursachen, gewöhnlich am schnellsten zur Ausbildung des Irreseins kommt.
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Der Missbrauch der geistigen Getränke
wo gerade der Organismus den meisten Aufwand zu seiner normalen Entwicklung
und Weiterbildung zu machen hat und wo er überhaupt am erkrankungsfähigsten
ist, in der Pubertätszeit, in der Schwangerschaft, dem Wochenbett, der clim-
acterischen Periode etc.
Drittes Capitel.
Gemischte Ursachen.
§. 79.
1) Die Trunksucht steht zwischen den psychischen und soma-
tischen Ursachen in der Mitte; ihre Wirkungen gehören, wie zu
den mächtigsten, (Halloran fand unter 747 Fällen bei mehr als
einem Fünftheil diese Ursache, Prichard und Esquirol schreiben
sogar die Hälfte der Erkrankungen in England der Trunksucht
zu, Jakobi und viele andere Beobachter fanden auch in Deutsch-
land und andern Ländern die Zahl sehr bedeutend, Rush gibt sie
als bei einem Drittheil der Kranken des Pensylvania-Hospitals an,
Bergmann in Hannover etwa zu einem Sechstel,) — so auch zu
den complicirtesten. Einestheils nemlich wirkt das Uebermass der
Spirituosa rein somatisch theils direct, durch Ueberreizung und
Ernährungs-Veränderung (Schrumpfen der albuminösen Gebilde durch
den Alcohol?) des Gehirns, durch Entwicklung chronischer Stasen
in der Schädelhöhle, theils indirect, durch Ausbildung des Säufer-
scorbuts, der fettigen Entartung der Leber, der schwereren Magen-
krankheiten, damit durch völlige Zerrüttung der Constitution. Andern-
theils aber führt die Trunksucht auch wichtige psychische Ursachen
herbei, theils in jenen Aufregungen, tollen Streichen, Händeln,
Raufereien, denen der Trunkenbold sich leicht aussetzt, theils in
den traurigen psychischen Eindrücken, die ihm die gewöhnlichen
Folgen der Trunksucht, häuslicher Unfriede, Ruin der Geschäfte,
Untergang des Familienlebens, äussere Geringschätzung allmählig
aufdringen müssen. Als ein drittes Moment endlich ist der Umstand
wohl zu beachten, dass in vielen Fällen die Trunksucht selbst
schon die Folge solcher Eindrücke, des häuslichen Kummers, des
Grams, des Aergers und Verdrusses ist, für die eben in der
Flasche Ersatz und Erleichterung gesucht wird, wo es denn, beim
gemeinsamen Fortwirken zweier so wichtigen Ursachen, gewöhnlich
am schnellsten zur Ausbildung des Irreseins kommt.
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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/144>, abgerufen am 22.11.2024.
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