Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Vermischte Gedichte. Fragt nach/ worum man sich alsbald von ihnen wende/Wenn uns ein nackter Fuß biß auf den Tod verletzt. Ein schlechter Wasser Quell so bald er uns verboten Kömmt uns weit süsser vor als Alieanten Wein: Des Frühlings erste Frucht/ die frühen Zucker-Schoten/ Sind theurer/ weil sie rar/ und schwer zu haben seyn. Gesetzt/ manch Auge klebt an euren Schwanen-Brüsten/ Gesetzt/ daß es von euch/ die ersten Flammen fängt/ So pflegt doch keinem leicht nach Stoffen zu gelüsten/ Die man Jahr aus/ Jahr ein vor die Gewölber hengt. Und habt ihr nicht gemerckt/ wie weit es schon gekommen/ Daß man ein Possen-Spiel mit eurer Einfalt treibt/ Nachdem ein frecher Kiel sich selbst die Macht genommen/ Daß er mit Hohn von euch/ ja fast verächtlich schreibt. Denckt albre/ denckt ihm nach: last euch die Mutter rathen/ Die ehmals euren Fuß mit treuer Hand geführt. Erzürnt mich weiter nicht durch tausend freche Thaten/ Und traget Brust und Hals hinführo zugeschnürt. Wo nicht so solt ihr bald den Ungehorsahm büssen/ Und ungeacht der Hoff mich nicht zu lieben pflegt. So wil ich es dennoch so weit zu bringen wissen/ Daß wan Aocis und Zoll auf eure Waaren legt. Des Frauenzimmers Antwort an die Ehrbarkeit. Wir lachen Ehrbarkeit/ ob deinen Kinder Sprechen/ Und sehen/ daß du jetzt nicht mehr bey Sinnen bist. Du kanst die Satzung nicht der süssen Wollust brechen/ Die alles Frauen-Volck ohn eintzigs weigern küßt: Was solte unser Leib in solchen Kleidern gehen/ Davon der Teuffel nicht zu raisonniren weiß? Was wollen wir einmahl das Alterthum besehen? So wird der nackte Leib erhalten Palm und Preiß. Drum gehe nur hinweg mit deiner Otter-Mütze/ Wir brauchen nicht den Rock der unsern Pracht verdeckt/ Der Schleyr und Kragen wird uns jetzo nichts mehr nütze/ Noch das geschloßne Wamst so fast das Maul versteckt. Es
Vermiſchte Gedichte. Fragt nach/ worum man ſich alsbald von ihnen wende/Wenn uns ein nackter Fuß biß auf den Tod verletzt. Ein ſchlechter Waſſer Quell ſo bald er uns verboten Koͤmmt uns weit ſuͤſſer vor als Alieanten Wein: Des Fruͤhlings erſte Frucht/ die fruͤhen Zucker-Schoten/ Sind theurer/ weil ſie rar/ und ſchwer zu haben ſeyn. Geſetzt/ manch Auge klebt an euren Schwanen-Bruͤſten/ Geſetzt/ daß es von euch/ die erſten Flammen faͤngt/ So pflegt doch keinem leicht nach Stoffen zu geluͤſten/ Die man Jahr aus/ Jahr ein vor die Gewoͤlber hengt. Und habt ihr nicht gemerckt/ wie weit es ſchon gekommen/ Daß man ein Poſſen-Spiel mit eurer Einfalt treibt/ Nachdem ein frecher Kiel ſich ſelbſt die Macht genommen/ Daß er mit Hohn von euch/ ja faſt veraͤchtlich ſchreibt. Denckt albre/ denckt ihm nach: laſt euch die Mutter rathen/ Die ehmals euren Fuß mit treuer Hand gefuͤhrt. Erzuͤrnt mich weiter nicht durch tauſend freche Thaten/ Und traget Bruſt und Hals hinfuͤhro zugeſchnuͤrt. Wo nicht ſo ſolt ihr bald den Ungehorſahm buͤſſen/ Und ungeacht der Hoff mich nicht zu lieben pflegt. So wil ich es dennoch ſo weit zu bringen wiſſen/ Daß wan Aocis und Zoll auf eure Waaren legt. Des Frauenzimmers Antwort an die Ehrbarkeit. Wir lachen Ehrbarkeit/ ob deinen Kinder Sprechen/ Und ſehen/ daß du jetzt nicht mehr bey Sinnen biſt. Du kanſt die Satzung nicht der ſuͤſſen Wolluſt brechen/ Die alles Frauen-Volck ohn eintzigs weigern kuͤßt: Was ſolte unſer Leib in ſolchen Kleidern gehen/ Davon der Teuffel nicht zu raiſonniren weiß? Was wollen wir einmahl das Alterthum beſehen? So wird der nackte Leib erhalten Palm und Preiß. Drum gehe nur hinweg mit deiner Otter-Muͤtze/ Wir brauchen nicht den Rock der unſern Pracht verdeckt/ Der Schleyr und Kragen wird uns jetzo nichts mehr nuͤtze/ Noch das geſchloßne Wamſt ſo faſt das Maul verſteckt. Es
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0426" n="408"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermiſchte Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Fragt nach/ worum man ſich alsbald von ihnen wende/</l><lb/> <l>Wenn uns ein nackter Fuß biß auf den Tod verletzt.</l><lb/> <l>Ein ſchlechter Waſſer Quell ſo bald er uns verboten</l><lb/> <l>Koͤmmt uns weit ſuͤſſer vor als <hi rendition="#aq">Alieanten</hi> Wein:</l><lb/> <l>Des Fruͤhlings erſte Frucht/ die fruͤhen Zucker-Schoten/</l><lb/> <l>Sind theurer/ weil ſie rar/ und ſchwer zu haben ſeyn.</l><lb/> <l>Geſetzt/ manch Auge klebt an euren Schwanen-Bruͤſten/</l><lb/> <l>Geſetzt/ daß es von euch/ die erſten Flammen faͤngt/</l><lb/> <l>So pflegt doch keinem leicht nach Stoffen zu geluͤſten/</l><lb/> <l>Die man Jahr aus/ Jahr ein vor die Gewoͤlber hengt.</l><lb/> <l>Und habt ihr nicht gemerckt/ wie weit es ſchon gekommen/</l><lb/> <l>Daß man ein Poſſen-Spiel mit eurer Einfalt treibt/</l><lb/> <l>Nachdem ein frecher Kiel ſich ſelbſt die Macht genommen/</l><lb/> <l>Daß er mit Hohn von euch/ ja faſt veraͤchtlich ſchreibt.</l><lb/> <l>Denckt albre/ denckt ihm nach: laſt euch die Mutter rathen/</l><lb/> <l>Die ehmals euren Fuß mit treuer Hand gefuͤhrt.</l><lb/> <l>Erzuͤrnt mich weiter nicht durch tauſend freche Thaten/</l><lb/> <l>Und traget Bruſt und Hals hinfuͤhro zugeſchnuͤrt.</l><lb/> <l>Wo nicht ſo ſolt ihr bald den Ungehorſahm buͤſſen/</l><lb/> <l>Und ungeacht der Hoff mich nicht zu lieben pflegt.</l><lb/> <l>So wil ich es dennoch ſo weit zu bringen wiſſen/</l><lb/> <l>Daß wan <hi rendition="#aq">Aocis</hi> und Zoll auf eure Waaren legt.</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Des Frauenzimmers Antwort an die</hi><lb/> Ehrbarkeit.</head><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ir lachen Ehrbarkeit/ ob deinen Kinder Sprechen/</l><lb/> <l>Und ſehen/ daß du jetzt nicht mehr bey Sinnen biſt.</l><lb/> <l>Du kanſt die Satzung nicht der ſuͤſſen Wolluſt brechen/</l><lb/> <l>Die alles Frauen-Volck ohn eintzigs weigern kuͤßt:</l><lb/> <l>Was ſolte unſer Leib in ſolchen Kleidern gehen/</l><lb/> <l>Davon der Teuffel nicht zu <hi rendition="#aq">raiſonni</hi>ren weiß?</l><lb/> <l>Was wollen wir einmahl das Alterthum beſehen?</l><lb/> <l>So wird der nackte Leib erhalten Palm und Preiß.</l><lb/> <l>Drum gehe nur hinweg mit deiner Otter-Muͤtze/</l><lb/> <l>Wir brauchen nicht den Rock der unſern Pracht verdeckt/</l><lb/> <l>Der Schleyr und Kragen wird uns jetzo nichts mehr nuͤtze/</l><lb/> <l>Noch das geſchloßne Wamſt ſo faſt das Maul verſteckt.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [408/0426]
Vermiſchte Gedichte.
Fragt nach/ worum man ſich alsbald von ihnen wende/
Wenn uns ein nackter Fuß biß auf den Tod verletzt.
Ein ſchlechter Waſſer Quell ſo bald er uns verboten
Koͤmmt uns weit ſuͤſſer vor als Alieanten Wein:
Des Fruͤhlings erſte Frucht/ die fruͤhen Zucker-Schoten/
Sind theurer/ weil ſie rar/ und ſchwer zu haben ſeyn.
Geſetzt/ manch Auge klebt an euren Schwanen-Bruͤſten/
Geſetzt/ daß es von euch/ die erſten Flammen faͤngt/
So pflegt doch keinem leicht nach Stoffen zu geluͤſten/
Die man Jahr aus/ Jahr ein vor die Gewoͤlber hengt.
Und habt ihr nicht gemerckt/ wie weit es ſchon gekommen/
Daß man ein Poſſen-Spiel mit eurer Einfalt treibt/
Nachdem ein frecher Kiel ſich ſelbſt die Macht genommen/
Daß er mit Hohn von euch/ ja faſt veraͤchtlich ſchreibt.
Denckt albre/ denckt ihm nach: laſt euch die Mutter rathen/
Die ehmals euren Fuß mit treuer Hand gefuͤhrt.
Erzuͤrnt mich weiter nicht durch tauſend freche Thaten/
Und traget Bruſt und Hals hinfuͤhro zugeſchnuͤrt.
Wo nicht ſo ſolt ihr bald den Ungehorſahm buͤſſen/
Und ungeacht der Hoff mich nicht zu lieben pflegt.
So wil ich es dennoch ſo weit zu bringen wiſſen/
Daß wan Aocis und Zoll auf eure Waaren legt.
Des Frauenzimmers Antwort an die
Ehrbarkeit.
Wir lachen Ehrbarkeit/ ob deinen Kinder Sprechen/
Und ſehen/ daß du jetzt nicht mehr bey Sinnen biſt.
Du kanſt die Satzung nicht der ſuͤſſen Wolluſt brechen/
Die alles Frauen-Volck ohn eintzigs weigern kuͤßt:
Was ſolte unſer Leib in ſolchen Kleidern gehen/
Davon der Teuffel nicht zu raiſonniren weiß?
Was wollen wir einmahl das Alterthum beſehen?
So wird der nackte Leib erhalten Palm und Preiß.
Drum gehe nur hinweg mit deiner Otter-Muͤtze/
Wir brauchen nicht den Rock der unſern Pracht verdeckt/
Der Schleyr und Kragen wird uns jetzo nichts mehr nuͤtze/
Noch das geſchloßne Wamſt ſo faſt das Maul verſteckt.
Es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |