Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Vermischte Gedichte. Weit übertreten/ beschweret/Die Freyheit ist in Hafft verkehret. Ein eintziger Anblick und freundliche Zurede Jhrer lachenden Augen/ und lieblichen Zungen Haben mein vestes Hertz bezwungen/ So daß ichs mich zu sagen fast entblöde. Der Diamantne Sinn ist wie weiches Wachs zerronnen/ Wenn es die Hitze schmeltzt der verticalen Sonnen. Jch bin nicht/ der ich bin/ Jch bin gantz anderst worden Nun ich mich schreib' in dem verliebten Orden. Der eyserne Sinn Lenckt sich zu dem Magnet, Wie dieser hin nach Norden geht. Jch fühle eine angenehme Pein Die mir durchwühlet Marck und Bein; Bald bin ich froh Und sing' in dulci jubilo. Bald aber stimm' ich Miserere an/ Und führ die Trauer-Fahn. Jch bin fast halb verwirrt Und in der Zeit verirrt/ Jch weiß nicht was mich plagt/ und Freude giebt/ Als daß ich bin verliebt. Als er wieder frey geworden. Jch bin vergnügt; Die Ketten sind entzwey/ Die Knechtschafft ist vorbey Wodurch Bellandren ich verbunden bin gewesen. Mein Geist der ist genesen/ Nun ihn nicht mehr besiegt Bellandrens Wiederschein. Melintes mag ihr Selave seyn/ Jch liebe mehr ein gutes Buch Als ein geputztes Weib/ Wer dieses wählt zum Zeit-Vertreib Jst wahrlich nicht gantz klug. Victo-
Vermiſchte Gedichte. Weit uͤbertreten/ beſchweret/Die Freyheit iſt in Hafft verkehret. Ein eintziger Anblick und freundliche Zurede Jhrer lachenden Augen/ und lieblichen Zungen Haben mein veſtes Hertz bezwungen/ So daß ichs mich zu ſagen faſt entbloͤde. Der Diamantne Sinn iſt wie weiches Wachs zerronnen/ Wenn es die Hitze ſchmeltzt der verticalen Sonnen. Jch bin nicht/ der ich bin/ Jch bin gantz anderſt worden Nun ich mich ſchreib’ in dem verliebten Orden. Der eyſerne Sinn Lenckt ſich zu dem Magnet, Wie dieſer hin nach Norden geht. Jch fuͤhle eine angenehme Pein Die mir durchwuͤhlet Marck und Bein; Bald bin ich froh Und ſing’ in dulci jubilo. Bald aber ſtimm’ ich Miſerere an/ Und fuͤhr die Trauer-Fahn. Jch bin faſt halb verwirrt Und in der Zeit verirrt/ Jch weiß nicht was mich plagt/ und Freude giebt/ Als daß ich bin verliebt. Als er wieder frey geworden. Jch bin vergnuͤgt; Die Ketten ſind entzwey/ Die Knechtſchafft iſt vorbey Wodurch Bellandren ich verbunden bin geweſen. Mein Geiſt der iſt geneſen/ Nun ihn nicht mehr beſiegt Bellandrens Wiederſchein. Melintes mag ihr Selave ſeyn/ Jch liebe mehr ein gutes Buch Als ein geputztes Weib/ Wer dieſes waͤhlt zum Zeit-Vertreib Jſt wahrlich nicht gantz klug. Victo-
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Vermiſchte Gedichte.
Weit uͤbertreten/ beſchweret/
Die Freyheit iſt in Hafft verkehret.
Ein eintziger Anblick und freundliche Zurede
Jhrer lachenden Augen/ und lieblichen Zungen
Haben mein veſtes Hertz bezwungen/
So daß ichs mich zu ſagen faſt entbloͤde.
Der Diamantne Sinn iſt wie weiches Wachs zerronnen/
Wenn es die Hitze ſchmeltzt der verticalen Sonnen.
Jch bin nicht/ der ich bin/
Jch bin gantz anderſt worden
Nun ich mich ſchreib’ in dem verliebten Orden.
Der eyſerne Sinn
Lenckt ſich zu dem Magnet,
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Jch fuͤhle eine angenehme Pein
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Bald bin ich froh
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Bald aber ſtimm’ ich Miſerere an/
Und fuͤhr die Trauer-Fahn.
Jch bin faſt halb verwirrt
Und in der Zeit verirrt/
Jch weiß nicht was mich plagt/ und Freude giebt/
Als daß ich bin verliebt.
Als er wieder frey geworden.
Jch bin vergnuͤgt;
Die Ketten ſind entzwey/
Die Knechtſchafft iſt vorbey
Wodurch Bellandren ich verbunden bin geweſen.
Mein Geiſt der iſt geneſen/
Nun ihn nicht mehr beſiegt
Bellandrens Wiederſchein.
Melintes mag ihr Selave ſeyn/
Jch liebe mehr ein gutes Buch
Als ein geputztes Weib/
Wer dieſes waͤhlt zum Zeit-Vertreib
Jſt wahrlich nicht gantz klug.
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