Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Sinn-Gedichte. Als Clarinde des Abends spatziren ging. Wie! zeigt Diana sich Auf dieser nieder Welt? Läßt sie die Sternen-Bahn Und ihr gewölcktes Feld/ Und strahlt die Erde an? Doch Nein! ich irre mich/ Es ist Clarindens Glantz Der ihr den Ehren-Krantz Vom Haupt und Stirne raubt Und sich damit belaubt. Uber ihr Bildniß. Macht dort der Venus-Bild Apellens Hand erstarrt/ Da deren Brüste Zier/ und Angesichtes Pracht/ Von seiner leichten Hand zu kostbahr war gemacht/ Daß auch des Leibes-Theil nicht ausgemahlet ward. (c) So macht eur Wunder-Bild die gantze Stadt verliebt/ Woran nicht die Natur nur das Gesicht polirt/ Sie hat auch Brust und Geist/ so liebreich ausgeführt/ Daß eure Wunder-Pracht was Englisches abgiebt. Die unbekanie Regung. Wenn ich die Doris seh/ so wallt in meiner Brust Der Adern Quelle auf/ doch mir ist unbewust/ Woher der fremde Trieb in meiner Brust entstehet? Der/ wenn die Doris weicht/ mit ihr doch nicht vergehet. Er seuffzet umsonst. Madrig all. Mein Seuffzen gehet in die Lufft/ Und hat die weite Welt zur Grufft/ Die (c) Apelles Veneris caput & summa pectoris politissima arte pef- fecit, reliquam partem corporis inchoatam reliquit, Cicero Epist. 9. ad Lentul. A a
Sinn-Gedichte. Als Clarinde des Abends ſpatziren ging. Wie! zeigt Diana ſich Auf dieſer nieder Welt? Laͤßt ſie die Sternen-Bahn Und ihr gewoͤlcktes Feld/ Und ſtrahlt die Erde an? Doch Nein! ich irre mich/ Es iſt Clarindens Glantz Der ihr den Ehren-Krantz Vom Haupt und Stirne raubt Und ſich damit belaubt. Uber ihr Bildniß. Macht dort der Venus-Bild Apellens Hand erſtarrt/ Da deren Bruͤſte Zier/ und Angeſichtes Pracht/ Von ſeiner leichten Hand zu koſtbahr war gemacht/ Daß auch des Leibes-Theil nicht ausgemahlet ward. (c) So macht eur Wunder-Bild die gantze Stadt verliebt/ Woran nicht die Natur nur das Geſicht polirt/ Sie hat auch Bruſt und Geiſt/ ſo liebreich ausgefuͤhrt/ Daß eure Wunder-Pracht was Engliſches abgiebt. Die unbekanie Regung. Wenn ich die Doris ſeh/ ſo wallt in meiner Bruſt Der Adern Quelle auf/ doch mir iſt unbewuſt/ Woher der fremde Trieb in meiner Bruſt entſtehet? Der/ wenn die Doris weicht/ mit ihr doch nicht vergehet. Er ſeuffzet umſonſt. Madrig all. Mein Seuffzen gehet in die Lufft/ Und hat die weite Welt zur Grufft/ Die (c) Apelles Veneris caput & ſumma pectoris politiſſima arte pef- fecit, reliquam partem corporis inchoatam reliquit, Cicero Epiſt. 9. ad Lentul. A a
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Laͤßt ſie die Sternen-Bahn
Und ihr gewoͤlcktes Feld/
Und ſtrahlt die Erde an?
Doch Nein! ich irre mich/
Es iſt Clarindens Glantz
Der ihr den Ehren-Krantz
Vom Haupt und Stirne raubt
Und ſich damit belaubt.
Uber ihr Bildniß.
Macht dort der Venus-Bild Apellens Hand erſtarrt/
Da deren Bruͤſte Zier/ und Angeſichtes Pracht/
Von ſeiner leichten Hand zu koſtbahr war gemacht/
Daß auch des Leibes-Theil nicht ausgemahlet ward. (c)
So macht eur Wunder-Bild die gantze Stadt verliebt/
Woran nicht die Natur nur das Geſicht polirt/
Sie hat auch Bruſt und Geiſt/ ſo liebreich ausgefuͤhrt/
Daß eure Wunder-Pracht was Engliſches abgiebt.
Die unbekanie Regung.
Wenn ich die Doris ſeh/ ſo wallt in meiner Bruſt
Der Adern Quelle auf/ doch mir iſt unbewuſt/
Woher der fremde Trieb in meiner Bruſt entſtehet?
Der/ wenn die Doris weicht/ mit ihr doch nicht vergehet.
Er ſeuffzet umſonſt.
Madrig all.
Mein Seuffzen gehet in die Lufft/
Und hat die weite Welt zur Grufft/
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Zitationshilfe: | Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/387>, abgerufen am 22.07.2024. |